Überwachung: BND soll weitgehenden Zugriff auf Internetverkehr in Deutschland haben

Erstveröffentlicht: 
13.11.2013

Auch der deutsche Geheimdienst liest offenbar mit: Der Bundesnachrichtendienst soll sich mit Investitionen in Technik und der Umdeutung eines Gesetzes weitgehenden Zugriff auf den Internetverkehr verschafft haben, berichtet das MDR-Magazin "Fakt".

 

Von Ole Reißmann

 

Hamburg - An einem der größten Internet-Knotenpunkte der Welt, dem De-Cix in Frankfurt am Main, klinkt sich der Bundesnachrichtendienst (BND) in Datenverbindungen ein. In Frankfurt kommen alle möglichen Daten zusammen, auch die von Deutschen. Eigentlich sollte zumindest diese Kommunikation tabu für den Auslandsgeheimdienst sein.

 

Damit der BND trotzdem mitlesen darf, wird nun argumentiert, dass Internetverkehr ständig über Ländergrenzen fließt und damit einen Auslandsanteil enthält, berichtet das MDR-Magazin "Fakt". Ein kleiner Trick mit weitreichenden Folgen: "Damit die Erhebung und Auswertung wenigstens halblegal stattfindet, ließ sich der BND 2008 vom britischen Geheimdienst helfen, das entsprechende Gesetz neu zu formulieren." Die Bundesregierung hat zu dem Bericht bisher keine Stellung genommen.

 

In einem internen Dokument, das der "Guardian" enthüllt hat, brüstet sich der britische Geheimdienst GCHQ mit dieser Amtshilfe: "Wir haben den BND in seinem Werben für eine Reform oder Neu-Interpretation der sehr restriktiven Überwachungsgesetze in Deutschland unterstützt." Der GCHQ liest ebenfalls an wichtigen Netzverbindungen in Großbritannien und Zypern den Datenverkehr mit.

 

Provider müssen Daten überspielen


In dem "Fakt"-Beitrag heißt es: Der BND habe nicht immer nur als Bittsteller bei befreundeten Geheimdiensten auftreten wollen und deswegen die Internetüberwachung massiv ausgebaut. Die Details zur "strategischen Fernmeldeaufklärung" des BND sind geheim. Nur das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags, ein kleiner, geheim tagender Zirkel, erhält Einblicke.

 

Doch schon das, was die Regierung bisher öffentlich zugegeben hat, lässt aufhorchen. Im vergangenen Jahr hatten die Linken-Abgeordneten Jan Korte und Andrej Hunko zumindest einige Antworten bekommen. "Viel größer als bislang angenommen" sei die elektronische Überwachung, sagten sie schon damals. Aus der Antwort der Bundesregierung ging hervor: Die Provider überspielen dem Geheimdienst erst einmal alles - und der entscheidet dann, welche Datenpakete er sich genauer ansieht.

 

Im sogenannten Artikel-10-Gesetz ist geregelt, dass der BND gebündelte Auslandskommunikation nach vorher festgelegten Suchbegriffen durchforsten darf - solange dabei keine deutschen Staatsbürger gezielt erfasst werden. Provider müssen dafür technische Schnittstellen bereithalten. Die Suchbegriffe, in der Vergangenheit waren es rund 16.400, segnet das Parlamentarische Kontrollgremium ab.

 

Spionage im Regierungsviertel


Höchstens 20 Prozent des Datenverkehrs einer Verbindung, die der BND anzapft, darf auf diese Weise ausgewertet werden. Das geschieht vor allem in Pullach. An zentralen Knotenpunkten des deutschen Internets, wie in Frankfurt am Main, unterhält der Dienst nach SPIEGEL-Informationen eigene Räume, um Zugriff auf Internetverbindungen zu haben.

 

Um mit der Entwicklung mithalten zu können, soll die Abteilung "Technische Aufklärung" des BND in den kommenden fünf Jahren mit hundert Millionen Euro ausgebaut werden. Bis zu 100 neue Mitarbeiter sollen sich um die Überwachung kümmern, neue Rechenzentren aufgebaut werden. Die ersten Millionen dafür hat die Bundesregierung bereits freigegeben. Im Zuge der NSA-Affäre hatte der deutsche Innenminister erklärt, der US-Geheimdienst habe keinen Zugriff auf den Netzknotenpunkt De-Cix.

 

Im Bericht des MDR wird der BND dann auch als eifriger Partner des britischen und des amerikanischen Geheimdienstes dargestellt, der endlich in den exklusiven Club der "Five Eyes" aufgenommen werden möchte, der mächtigen Spionage-Allianz. Die Internetüberwachung in Frankfurt am Main sollte so etwas wie die Eintrittskarte sein. Trotz aller Anstrengungen, so der MDR, dürfen die Deutschen aber noch nicht auf Augenhöhe mitspielen.

 

Jedenfalls wäre das eine gute Erklärung dafür, dass die Bundesregierung in der NSA-Affäre monatelang vergleichsweise ruhig blieb. Internetüberwachung betreibt der BND schließlich auch. Erst als es um das Handy der Kanzlerin ging, um Spionage im Berliner Regierungsviertel, beschwerte sich Angela Merkel persönlich bei US-Präsident Obama.