Wohnungsnot-Protest - Demonstranten verwandeln Roms Zentrum in Schlachtfeld

Erstveröffentlicht: 
31.10.2013

Hunderte Italiener haben in Rom den Regierungspalast und das Abgeordnetenhaus belagert. Mit Wurfgeschossen protestierten sie gegen die Wohnungsnot im Land. Polizisten antworteten mit Rauchbomben.

 

Demonstranten haben das Zentrum Roms in ein Schlachtfeld verwandelt. Am Donnerstag marschierten Hunderte Menschen vor dem Regierungspalast Palazzo Chigi, dem Abgeordnetenhaus Montecitorio und dem Einkaufszentrum Galleria Sordi auf. Sie blockierten Autos und den öffentlichen Nahverkehr entlang der Hauptstraße Via del Corso. Dabei kam es zu Scharmützeln mit der Polizei. Eier und Münzen flogen durch die Luft, die Ordnungskräfte setzten Rauchbomben ein.

 

Der Regierungspalast wurde abgeriegelt, Händler schlossen die Geschäfte, Touristen suchten das Weite. Insgesamt wurden sechs Personen verletzt und ins Krankenhaus eingeliefert. Am Nachmittag war die Lage unter Kontrolle.

 

Anlass für den Protest ist die Wohnungsnot in Italien. Bereits am 18. und 19. Oktober waren die Menschen deswegen auf die Straße gegangen. Die Demonstranten skandierten "Wir besetzen die Paläste der Macht" und forderten ein "Recht auf Wohnen".

 

Auf einem Transparent stand "Wir besetzen das Haus" – auf einem anderen: "Wir fordern, dass niemand mehr aus seiner Wohnung herausgeworfen werden kann."

 

"Das wird kein ruhiger Tag"

 

An dem Aufmarsch nahm auch die Organisation "Movimenti per il diritti all'abitare" teil, die sich für mehr Sozialwohnungen in Italien und Hilfe für Mieter in wirtschaftlichen Schwierigkeiten einsetzt.

 

"Wenn die Konferenz zwischen Zentralstaat, Regionen und Städten keine Lösung erzielt, dann werden die Proteste nicht aufhören. Das wird für Rom kein ruhiger Tag werden", sagte ihr Sprecher Paolo di Vetta. Paolo Ferrero, Sekretär der kommunistischen Partei Rifondazione Comunista, forderte die Regierung auf, einen nationalen Plan vorzulegen. "Die Regierung muss sich sofort dieses enormen Problems annehmen", sagte Ferrero.

 

Italien durchläuft eine der schwersten Rezessionen nach dem Zweiten Weltkrieg. Viele Menschen verlieren ihre Arbeitsstelle. Im September kletterte die Arbeitslosenquote mit 12,5 Prozent auf den höchsten Stand seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 1977, meldete die Statistikbehörde Istat am Donnerstag.

 

Spitzenreiter ist die Lombardei

 

Zahlreiche Familien tun sich deshalb schwer damit, die Miete zu bezahlen. Insbesondere in Großstädten wie Rom und Mailand sind die Preise nach wie vor hoch. Sie geraten in Rückstand bei den Zahlungen und werden häufig aus der Wohnung herausgeworfen.

 

Spitzenreiter in der nationalen Statistik ist die Lombardei. 2012 erwirkten Vermieter in der wirtschaftlich stärksten Region des Landes gerichtlich insgesamt 4844 Rausschmisse aus Wohnungen. Das entspricht einem Anstieg von mehr als zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr.

 

Als Alternative bleibt den Familien meist nichts anderes übrig, als in Sozialwohnungen Unterschlupf zu finden. Die Nachfrage nach solchen Unterkünften steigt sprunghaft an. Nach Angaben der Gewerkschaft Cgil wurden mehr als 50.000 Anfragen registriert. Das Problem: Das Angebot an Wohnungen ist unzureichend, nur ein Bruchteil der Anträge kann gestattet werden.

 

Städte und Gemeinden haben kein Geld, um in neue Wohnanlagen zu investieren beziehungsweise den Bau von Sozialwohnungen durch Steuervergünstigungen anzukurbeln. Ein prominentes Beispiel für den Niedergang des sozialen Wohnens in Italien ist die Wohnbaugesellschaft Azienda Lombarda Edilizia Residenziale in der Lombardei. Sie steckt in finanzieller Schieflage, nachdem sie einen Verlust von 200 Millionen Euro angehäuft hat.

 

Hilfsfonds und Sozialwohnungen

 

Der Städte- und Gemeindeverband Anci fordert seit mehreren Monaten eine Unterstützung seitens des Zentralstaats. Maurizio Lupi, Minister für Infrastruktur, erhört das Flehen. Nächste Woche will er ein Paket mit öffentlichen Hilfen in der Kabinettssitzung einbringen.

 

Zwei Fonds mit einem Volumen von 140 Millionen Euro sollen 2014 und 2015 Familien in Not helfen. Ein dritter Fonds im Umfang von knapp 18 Millionen Euro soll dazukommen.

 

Außerdem soll die Staatsbank dabei helfen, dass der Bau von Sozialwohnungen finanziert wird.

 

Bilderschau unter:

 

http://www.welt.de/politik/ausland/article121427139/Demonstranten-verwandeln-Roms-Zentrum-in-Schlachtfeld.html