Angriffe aufs Alsterhaus, Krawalle in der Schanze, blockierte Straßen: Linksautonome sorgten tagelang für Chaos. Dann ging der Senat auf Kompromiss-Kurs und beendete die Razzien gegen Flüchtlinge. Parallel sicherten Bezirkspolitiker den Status der Roten Flora und schafften das dortige „Gefahrengebiet“ ab. Prompt war es diese Woche recht friedlich. Doch ist wirklich Schluss mit Randale? Heute demonstrierten wieder mehrere Hundert Menschen in der Schanze.
Um 13 Uhr versammelten sich rund 760 Menschen vor der Roten Flora, zogen eine Stunde später durch den Stadtteil St. Pauli und zur Sternschanze zurück. Es gab keine Zwischenfälle mit dem massiven Aufgebot der Polizei. Die etwa dreistündige Kundgebung sei friedlich verlaufen, sagte eine Polizeisprecherin.
Die Demo richtete sich gegen "Polizeiwillkür und rassistische Kontrollen". Die Protestler skandierten „Kein Mensch ist illegal“ oder „Abschiebung ist Mord“, um so ein Bleiberecht für die „Lampedusa-Flüchtlinge“ in Hamburg einzufordern. Auf den Plakaten der Aktivisten aus dem linken Spektrum standen Parolen wie „Feuer und Flamme den Abschiebebehörden“. Jenny Domnick vom Kulturzentrum Rote Flora sagte in ihrer Rede: „Die Menschenwürde und Bewegungsfreiheit darf nicht durch Stereotypisierung und verdachtsunabhängige Kontrollen eingeschränkt werden.“ Manche Teilnehmer zündeten auf dem Weg kleinere Feuerwerkskörper.
Polizei war mit Reiterstaffel im Einsatz
Die Polizei war nach eigenen Angaben mit rund 1000 Beamten im Einsatz - allein vor dem Demonstrationszug war sie mit etwa Hundert Kräften präsent. Berittene Beamten waren in St. Pauli vor Ort. Zudem fuhr die Polizei in einer abgesperrten Straße am Neuen Pferdemarkt vorsorglich zwei Wasserwerfer und ein Räumfahrzeug auf.
Bei der Kundgebung nutzte das sogenannte „Bündnis gegen Gefahrengebiete“ die Gelegenheit, um auf Kontrollen und die angeblich „maßlose Polizeigewalt“ in Hamburg-Altona aufmerksam zu machen. Seit dem Sommer hat es dort immer wieder Krawalle und nächtliche Auseinandersetzungen zwischen Anwohnern und der Polizei gegeben.
In der Schanze griffen am Donnerstagabend Vermummte das Gebäude der Staatsanwaltschaft mit Steinen und Farbe an. Auch das „McDonald’s“ an der Sternschanze bekam Farbe ab, zu Bruch gingen zudem Bürofenster der SPD-Abgeordneten Bekeris und Martin. Als Hintergrund wird der Konflikt um die Lampedusa-Flüchtlinge vermutet.
Hamburgs SPD-Senat auf Kompromisskurs
Dabei stehen im Moment eigentlich alle Zeichen auf Beruhigung. Der Bezirk Altona hat – gegen den Willen des Senats – entschieden, winterfeste Container auf dem Gelände der St. Pauli-Kirche für die Flüchtlinge aufzustellen. Die betonten zudem mehrfach, dass sie Gewalt ablehnen. Für eine weitere Befriedung könnte der Kompromiss zwischen Kirche und Senat sorgen: Keine sofortigen Abschiebungen, dafür sollen sich alle Flüchtlinge bei der Ausländerbehörde melden, so dass ihre Fälle in Ruhe geprüft werden.
Die Flüchtlinge beraten derzeit, wie sie damit umgehen. Nimmt der Großteil an, dürften die Proteste aufhören – auch wenn ihre linksautonomen Unterstützer das Verhalten der Senatorin als Einknicken bezeichnen.
Lehnen die Afrikaner aus Angst vor einer späteren Abschiebung ab, würde die Innenbehörde wieder mit Kontrollen starten – dann brennen in der Schanze wieder die Barrikaden. Die Rotfloristen sind überzeugt, dass ihre Strategie aufgegangen ist: "Der massive Druck auf den Senat wäre weder alleine durch friedlichen Protest noch durch unangemeldete Demos entstanden“, heißt es in einer Stellungnahme.
Freitag: Friedliche Großdemo nach St. Pauli-Spiel
Am Freitagabend wenige Stunden nach Abpfiff des St. Pauli-Spiels, war Anpfiff für die nächste Großdemo. Aufgerufen hatten die St. Pauli-Fans und 60 Stadtteilinitiativen. Erwartet wurden 1000 Teilnehmer, es kamen 8000 Menschen. Die Demo verlief friedlich, erst im Anschluss kam es doch noch zu Ausschreitungen. Die Frontscheibe eines Streifenwagens wurde eingeschlagen, vier mutmaßliche Randalierer kurzzeitig festgenommen.
Allerdings: Das umstrittene "Gefahrengebiet" rund um die Rote Flora, mit dem der dortige Drogenhandel bekämpft werden sollte, wurde jetzt aufgelöst. Damit darf nicht mehr jeder ohne Verdacht kontrolliert werden.
Parallel dazu hat der Bezirk Altona noch den extra zum Schutz für die Rotfloristen gemachten Bebauungsplan einstimmig beschlossen. Er legt fest, dass die Rote Flora ein "Stadtteilkulturzentrum" bleiben muss. So sollen die Verkaufspläne von Investor Klausmartin Kretschmer vereitelt werden – auch wenn der umgehend ankündigte, sich dagegen zur Wehr zu setzen.