ANGEKLAGTER SOLLTE ERBROCHENES AUFHEBEN

ANGEKLAGTER SOLLTE ERBROCHENES AUFHEBEN
Erstveröffentlicht: 
16.10.2013

Augsburger Landgericht verletzte Menschenwürde eines Angeklagten

Auf Anordnung des Landgerichts Augsburg sollte ein Angeklagter sein Erbrochens aufbewahren, um es von einem medizinischen Sachverständigen untersuchen zu lassen. Es sollte nachgeprüft werden, ob der 79-jährige Mann tatsächlich an einer Magen-Darm-Grippe (Gastroenteritis) leidet und somit gerechtfertigterweise nicht vor Gericht erscheinen kann. 

Arzt stellte Diagnose ohne Untersuchung des Erbrochenen
Nachdem sich ein Angeklagter wegen einer Gastroenteritis krankgemeldet hatte und deshalb verhandlungsunfähig war, ordnete das Landgericht Augsburg an, dass der Mann sein Erbrochenes für eine medizinischen Überprüfung aufheben sollte. Das Gerichte wollte untersuchen lassen, ob der Mann tatsächlich krankheitsbedingt verhandlungsunfähig ist. 

Der Mann leistete der Aufforderung Folge und bewahrte das Erbrochene auf, denn anderenfalls musste er fürchten, dass ein gegen ihn bestehender Haftbefehl erneut in Kraft gesetzt werden könnte. Der Arzt, der mit der Untersuchung beauftragt wurde, sah die richterliche Anordnung jedoch kritisch und stellte eine Diagnose, ohne dafür das Erbrochene des Mannes zu überprüfen. 

Auch das Oberlandesgericht München kam zu dieser Bewertung und erklärte die Anordnung für rechtswidrig. Der Angeklagte sei durch die Maßnahme erniedrigt und entwürdigt worden, da einer der intimsten Bereiche des Mannes betroffenen gewesen sei. Eine solche Anordnung sei nicht notwendig und hochgradig unverhältnismäßig, urteilte das Oberlandesgericht. Auch wenn sich bei der Erkrankung im Regelfall nach einigen Tagen eine Besserung einstellen würde, hätten das Landgericht nicht pauschal davon ausgehen dürfen, dass dies auch für den Gesundheitszustand eines 79-Jährigen gelte.

„Hier war jedoch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte 79 Jahre alt ist und bereits erhebliche gesundheitliche Vorbelastungen hat. Insofern hätte die Erwägung nahe gelegen, dass eine derartige Erkrankung bei dem Angeklagten auch in Anbetracht der Wetterverhältnisse zum fraglichen Zeitpunkt (schwül und heiß) etwas länger andauern kann als die üblichen wenigen Tage. Es konnte also noch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Angeklagte dem Verfahren durch Krankheit entziehen will, und deshalb schon am fünften Tag seiner Erkrankung ein Mindestmaß an Sicherheit hinsichtlich dieser Erkrankung gewonnen werden musste“, hieß es im Beschluss des Oberlandesgericht. (ag)