Die für Herbst 2013 anberaumten Massenprozesse gegen Mitglieder der Abertzalen Linken bedeuten neben den möglichen Freiheitsstrafen eine immense finanzielle Belastung. Über Monate hinweg werden 190 Bask/innen in den Prozessen wegen Mitgliedschaft in Herri Batasuna, Euskal Herritarrok und Batasuna als Vollzeit-Beschäftigung nach Madrid reisen müssen. Die Gesamtkosten – für Transporte, Übernachtung, Unterhalt, Kosten für Verteidigung – werden sich auf wenigstens 1 Mio Euro belaufen. An einen normalen Arbeitsalltag ist angesichts der Dauer und Intensität der Justiz-Aktion nicht zu denken.
Neben den 80 direkt Beschuldigten sind weitere 110 Personen geladen, denen Verantwortung für die Herriko Tabernas vorgeworfen wird, Volkskneipen, die laut Anklagekonstrukt der Finanzierung von ETA gedient haben sollen. Eine ganze Reihe von ihnen war vor 10 Jahren geschlossen worden, andere konnten wieder geöffnet werden, weil sie sich in der Verwaltung von Kulturvereinen befanden. Das Sondergericht Audiencia Nacional (AN) muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass bereits der anfallende Zeit- und Geldaufwand eine Verurteilung der zu den Prozessen Zitierten darstellt. Denn der vom Gericht vorgelegte Zeitplan ist von Langsamkeit gezeichnet, die Verhöre und Befragungen werden bis zum Exzess in die Länge gezogen. Dabei haben die Beschuldigten zusammen bereits 72 Jahre in Untersuchungshaft gesessen. Dazu sollen die von der Staatsanwaltschaft geforderten 612 Jahre kommen. Schätzungsweise 7 bis 8 Monate wird der Prozess gegen die 40 wegen HB, EH und Batasuna Angeklagten dauern – was die Kleinigkeit von 700.000 Euro nach sich zieht. Jede weitere Woche kostet nochmal 8.000 Euro. Im Fall der angeklagten Jugendlichen ist es noch nicht möglich, die Kosten zu kalkulieren, weil bisher nur die anfänglichen Sitzungen veröffentlicht wurden. Wahrscheinlich werden es weniger Sitzungen werden als im Batasuna-Verfahren, auf jeden Fall Dutzende. In Anbetracht der Freisprüche, die bei ähnlich langen Prozessen gegen ebenfalls mehrere Angeklagte ergingen – Udalbiltza, Egunkaria, D3M – hätte das Sondergericht auch den Schlussfolgerungen der Freisprüche folgen und die Verfahren einstellen können. Denkbar wäre auch gewesen, das Verfahren zu straffen, vor- und nachmittags zu verhandeln wie dies in anderen Fällen geschieht. Nichts davon, die vormittäglichen Sitzungen ziehen das Verfahren in die Ewigkeit. Die Vernehmungen im Batasuna-Fall sind auf einen Monat festgesetzt (17.10. bis 18.11.). Danach sind bis 17.Februar 2014 die Verantwortlichen für die 110 Volkskneipen an der Reihe. Sie sind nicht angeklagt, sondern als “zivile Verantwortliche“ vorgeladen, ein Status, der sie zur Aussage vor dem Sondergericht in Madrid zwingt, möglicherweise sogar am allerersten Verhandlungstag. Sollte das geschehen, ergäbe sich das historisch einmalige Foto von sage und schreibe 150 zur Aussage verpflichteten Personen. Bisher lag der traurige Rekord bei 60 Personen im sog. 18/98-Prozess, bei dem gegen verschiedenste Organisationen aus dem Umfeld der Unbahängigkeits-Bewegung verhandlet wurde, in den meisten Fällen mit Verurteilung. Der für den Prozess gegen 40 Jugendliche festgelegte Terminplan ist mehr als rätselhaft. Lediglich 9 Verhandlungstage sind festgelegt: 14.-16.10, 25.-27.11. und 9.-11.12. Unklar wie lange es bis zum Urteil dauern kann. Klar ist hingegen, dass viele der Zwangsvorgeladenen ihre Lohnarbeit oder ihr Uni-Studium vergessen können, keine normaler Arbeitgeber wird sich auf ständigen Sonderurlaub einlassen. Die Konsequenzen für die Einzelpersonen sind komplex, in jedem Fall provoziert das Verfahren in seiner geplanten Form Extrem-Situationen. Wie im Fall einer Schwangeren, die im Dezember ein Kind erwartet. Oder dem eines Paares, die beide angeklagt sind und ihre drei Kleinkinder über Monate zurücklassen müssen. Nicht zu denken an eine mögliche Verurteilung. Alle müssen auf ihr soziales Umfeld zurückgreifen, um die Folgen zu verschmerzen, insbesondere die finanziellen. Ein Teil davon könnte über im Baskenland populäre Solidaritäts-Bons aufgefangen werden, sicher nicht alles. Auch ein möglicher Freispruch mindert nicht diese Konsequenzen. All das lässt nur den einzigen Schluss zu, dass die Vorgeladenen mit allen Mitteln geschädigt werden sollen, zudem können sie ihren politischen Aktivitäten nicht weiter nachgehen, zum Beispiel bei der von der baskischen Linken neu gegründeten Partei SORTU. Die Prozesse finden mehr als elf Jahre nach der Festnahme der Beklagten statt, die Großrazzia gegen Batasuna datiert auf den 29.April 2002, als die Partei noch legal war. Viele haben bereits Jahre in U-Haft zugebracht. Die Strafforderung der Staatsanwaltschaft ist hoch, insgesamt 612 Jahre, 372 gegen Batasuna und 240 gegen die (mittlerweile aufgelöste) Jugendorganisation Segi.Nicht vergessen ist, dass die 40 Jugendlichen nach ihrer Festnahme Folter zur Anzeige gebracht haben. Die finanzielle Ruinierung beginnt nicht erst mit den Verfahren im Herbst. Die Kautions-Summen, mittels derer viele aus der U-Haft entlassen wurden, belaufen sich auf insgesamt 1.750.000 Euro.