Überall ist Taksim, überall ist Widerstand (Karşı-Bisiklet auf dem Weg von Izmir nach Taksim)

Olivenbauer Helil und seine Frau

Die Proteste gegen die repressive Politik der AKP sind noch lange nicht zum Erliegen gekommen. Am Dienstag, den 9. Juli machten sich  sechs Fahrradfahrer_innen der Gruppe Karşı Bisiklet aus der Stadt Izmir auf den Weg zum Taksim-Platz in Istanbul.

 

Der Name Karşı Bisiklet bezieht sich nicht, wie die Polizei unterwegs oft vermutetet,  auf den Bezirk Karşıyaka  der Stadt Izmir, sondern  „Karşı“ bedeutet zu Deutsch auch „gegen“. Das „Gegen“ im Name bezieht sich auf die politischen Inhalte der Gruppe, die sich gegen Atomkraft, gegen Militarismus und Krieg, gegen Umweltverschmutzung und gegen den steigenden Wettbewerbs- und Konkurrenzdruck in allen Bereichen wie Arbeit, Bildung und im Alltag richtet und vieles mehr bekämpft.   

 

Aufgrund dieses Interesses war es für die Gruppe naheliegend sich an den Protesten gegen die Zerstörung des Gezi-Parks und gegen die paternalistische Politik der AKP zu beteiligen. Bereits einen Tag nach der Räumung des Gezi-Parks in Istanbul fanden in Izmir Solidaritäts-Proteste statt.  Diese wurden in den ersten Tagen, ähnlich wie in Istanbul, massiv durch den Einsatz von Wasserwerfern und Tränen-Gas durch die Polizei gewaltsam angegriffen.


Einige Zeit später entschlossen sich dann einige Aktivist_innen, darunter auch die Mitglieder_innen von Karşı Bisiklet, ein Protestcamp in Izmir aufzubauen. Dieses wurde aber nach knapp 10 Tagen geräumt. Nach der Räumung, die friedlich ablief, überlegte sich die Gruppe Karşı-Bisiklet wie sie  ihrer Proteste öffentlichkeitswirksam fortführen könnten und entschieden sich dazu, mit den Fahrrad zum Ursprung der Proteste, zum Taksim-Platz in Istanbul zu fahren.


Fünf Tage sollte die Reise in das rund 550 km entfernte Istanbul dauern. Für die meisten der Radler war es die erste längere Tour. „Ich bin zwar schon mal 90 km an einem Tag geradelt, aber war nie mehrere Tage an einem Stück unterwegs.“ So Osman Murat Ülke, der durch seine langjährige antimilitärische Arbeit zu Karşı Bisiklet kam.

 In den ersten vier  Tagen wurden täglich über neunzig Kilometer geradelt. Die letzten Kilometer wurden mit der Fähre von der Stadt Bursa nach Istanbul zurückgelegt. Auf der Reise erhielten die Rad Aktivist_innen allerlei Unterstützung von einigen Demokratie-Plattformen (Forum) , die sich seit dem Gezi-Park Protesten in verschiedenen Städten der Türkei gegründet haben.

In diesen neu geschaffenen Demokratie-Plattformen, treffen sich Menschen verschiedener Parteien, Organisationen und Altersgruppen und diskutieren darüber, wie sie die Proteste gegen die AKP-Regierung fortführen wollen.


Die Radler Gruppe besuchte vier dieser Demokratie-Plattformen in den Städten Akhisar, Balikesir, Mudanya und Taksim, wo sie über ihre Reise berichteten und sich über das Geschehen in den verschiedenen Orten informierten.

Neben den Demokratie Plattformen, traf die Gruppe aber auch zufällig auf Menschen die sie unterstützen. Wie zum Beispiel die sehr herzliche Begegnung mit dem Olivenbauern Halil, der die Gruppe zufällig traf, als sie eine Pause einlegten, und dann zu sich nach Hause einlud. an „Die Offenheit, die er und seine Frau uns entgegenbrachten war sehr beeindruckend. Ich finde, dass das charakteristisch für die Gezi-Bewegung ist; dieses Zusammentreffen von Menschen aus sehr verschiedenen Lebenssituationen und der unkomplizierte Umgang miteinander.“, so Osman. Hd 

 

 


In Istanbul wurde Karşı-Bisiklet dann von weiteren Fahrrad-Aktivist_innen aus Ankara und Istanbul willkommen geheißen. Zusammen mit weiteren 35 Radler_innen fuhren sie dann auf dem Taksim-Platz ein paar Runden, wo sie Parolen wie "Dies ist erst der Anfang, wir werden weiterkämpfen", "überall ist Taksim, überall ist Widerstand" riefen.

Danach ging es weiter zu dem nahegelegenen Gezi-Park, wo die Radfahrer_innen gemeinsam mit anderen Gezi-Park Aktivist_innen der Menschen gedachten, die seit dem Beginn der Aufstände in der Türkei ihr Leben verloren haben.


Am Abend kam es erneut zur Polizei-Gewalt. Polizist_innen versuchten eine Demonstration der TMOBB, der Gewerkschaft der türkischen Architekt_innen und Ingenieur_innen, die sich gegen die geplanten Bauvorhaben Erdogans richtete, mit dem Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas davon abzuhalten sich Richtung Taksim-Platz zu bewegen.

Was die Zukunft mit sich bringen wird, scheint sehr ungewiss zu sein. Eins steht aber für die Gruppe fest  Bu daha başlangıç mücadeleye devam“ auf Deutsch „Dies ist erst der Anfang, wir werden weiterkämpfen“ und das Ende ist noch lange nicht in Sicht.