(B) gemeinsame prozesserklärung zur besetzung der schlesischen str. 25

Berlin schlesischen straße 25 Besetzung

am freitag den 19.07.13 fand einer der letzten prozesse zur besetzung der schlesischen straße 25 statt. der richter wollte das verfahren ohne auflagen einstellen, die staatsanwaltschaft bestand auf das volle strafmaß. am ende blieb das urteil von 400 euro, die der richter auf 1 jahr bewährung ansetzte. als gemeinsame erklärung von leuten, die einen strafbefehl wegen der besetzung am 30. mai 2011 bekommen haben, wurde folgendes verlesen:

 

zunächst sei auf den merkwürdigen, weil unterschiedlichen juristischen umgang mit den besetzer_innen hingewiesen. die strafbefehle lagen, ohne ersichtlichen grund und bei identischem tatvorwurf, zwischen 40 und 80 tagessätzen. es gab einige einstellungen, die sich nicht mit dem zu jungem alter der betreffenden oder ähnlichem erklären lassen.

einem der angeklagten wird über seine anwältin eine einstellung von einer richterin angeboten, die dieser ablehnt, worauf die richterin betonte, sie werde den prozess wegen hausfriedensbruch auf zehn prozesstage anberaumen, und dann werde er schon sehen, wenn er die kosten dafür tragen müsse... und mit dem urteil aus einem anderen verfahren, um eine weitere besetzung, wurde ein vorwand gefunden, sein verfahren „vorläufig einzustellen“.

von den ursprünglich 18 strafbefehlen lässt die justiz nun zwei verfahren durchführen: zum einen ein verfahren nach jugendstrafrecht, das am 01. august in der wilsnacker straße 4, raum d 705 um 11:30 uhr weiterverhandelt wird. einen ersten verhandlungstermin gab es bereits im april, ein zweiter termin musste anberaumt werden, da überhaupt nicht geklärt werden konnte, wer zur zeit der besetzung hauseigentümer_in war; wer also berechtigt war, den strafantrag zu stellen; die gsw oder ein mensch namens bahr, der das haus von der gsw gekauft hatte.

das zweite verfahren ist dieses.

 

Am 30. mai 2011 wurde der vorletzte mietspiegel veröffentlicht und im angesicht der ungebremst steigenden mietpreise und der daraus resultierenden zunehmenden verdrängung von leuten die sich die mieten nicht mehr leisten können, gab es an jenem tag verschiedene proteste, kundgebungen und eine besetzung. gleich zweimal wurde an besagtem tag die pressekonferenz der damaligen senatorin für stadtentwicklung zum mietspiegel gestört. während einer kundgebung vor der gsw, wurde von der besetzung schlesische straße 25 berichtet und parallel setzten sich eine menge leute in das büro von bezirksbürgermeister schulz, um ihn aufzufordern, das haus schlesische straße 25 der gsw zu entziehen.

die geschichte ist wahrscheinlich bekannt: die schlesische 25 ist eines von 23 häusern in kreuzberg, die der senat 1993 der - zu dieser zeit noch in öffentlicher hand befindlichen - wohnungsbaugesellschaft gsw überlassen hat. wie mittlerweile herauskam, waren es nicht nur 23 häuser – insgesamt waren es 631 häuser von denen allein die gsw 154 häuser übertragen bekam. doch zum zeitpunkt der besetzung war immer von 23 häusern die rede.

im sogenannten einbringungsvertrag wurden damals für diese quasi-schenkung auflagen vereinbart, zu denen unter anderem folgende bedingungen der schenkung gehörten: instandsetzung der häuser binnen zehn jahren; bezahlbare mieten auch für mieter_innen mit niedrigem einkommen; keine umwandlung der wohnungen in eigentumswohnungen; kein verkauf der wohnungen ohne zustimmung der mieter_innen; belegungsrecht des bezirkes.

keine der vereinbarungen des einbringungsvertrages wurden eingehalten. fast in allen 23 verschleuderten häuser sieht es ziemlich ähnlich aus: schimmel und leerstand in der manteuffel 7; lebensgefährlicher schimmel in der bevern straße 2, dazu illegaler verkauf der mietwohnungen als eigentumswohnungen; horrende und nach einbringungsvertrag untersagte mietsteigerungen in den häusern in der markgrafenstraße; geplante aber illegale modernisierung in der wilhelmstraße 7; geplanter und ebenfalls illegaler abriß der enckestraße 4a; ungenutzter und verrottengelassener wohnraum in der wienerstraße 13; illegale umwandlung in ferienwohnungen in der friedrichstraße 17; in einigen häusern wurden leerstehende wohnungen von obdachlosen belegt, die aber immer mittels polizeigewalt brutal geräumt wurden.

mittlerweile wurden häuser weiterverkauft und die gsw konnte alle gewinne wider allen vertraglichen vereinbarungen einstreichen. die häuser kostenlos bekommen, verrotten gelassen und noch die wertsteigerung durch den immobilienboom mitgenommen.

 

2004 wurde die gsw an die investmentgesellschaft whitehall funds sowie tochtergesellschaften von cerberus capital management verkauft. im jahr der besetzung ging die gsw an die börse und maximierte ihre gewinne bis heute stetig. gewinne durch weiterverkäufe, mietpreissteigerungen und wohnraumeinkäufe wie kürzlich knapp 5000 wohnungen der gagfah.

 

je weniger mieter_innen noch in einem haus wohnen, desto höher der preis, der bei seinem verkauf erzielt werden kann. also gilt es die leute zum auszug zu bringen.

bereits 2008 verstand es die gsw geschickt durch modernisierungsankündigungen und angedrohte mieterhöhungen alle, bis auf zwei mietparteien, aus der schlesischen straße 25 hinauszuekeln. keine modernisierung fand aber statt, und von insgesamt 35 wohnungen stehen noch immer 33 leer und rotten vor sich hin. wenige tage vor der besetzung hatte die gsw das haus gewinnbringend verkauft. mit dem verkauf der gsw selbst, galt der einbringungsvertrag nicht mehr, und die gsw war damit auch nicht mehr verpflichtet, an den senat den durch verkauf erzielten gewinn abzuführen.

mittlerweile wurde das haus mehrfach weiterverkauft und gut scheint auch die neugegründete j & p schlesische straße 25 gmbh in das portfolio des aktuellen besitzers claudius pachowiak zu passen, der seine renditen wohl hauptsächlich in der tourismusbranche und mit immobiliengeschäften macht. schon länger geistert ja das gerücht herum; aus der schlesischen 25 solle ein hostel oder luxus- eigentumswohnungen werden.

hierfür sollen grundrißänderungen vorgenommen werden, die gesetzlich genehmigungspflichtig sind. wer hat dafür die genehmigungen erteilt? derselber herr schulz, noch bezirksbürgermeister von kreuzberg, der bereits 1993 die schenkungsverträge mit zu verantworten hatte. derselbe herr schulz, der noch im letzten jahr, weit nach baubeginn an der bevernstraße 2 und nachdem in einer besetzer_innenerklärung auf die fehlende genehmigung hingewiesen wurde, schnell eine solche für die bevern 2 erteilt hatte. derselbe herr schulz, der nun anfang juli, kurz vor seinem ruhestand, wieder einen auf verständnisvollen retter der mieter_innen macht und den mieter_innen der schenkungshäuser dreist empfiehlt gegen die baugenehmigungen gerichtlich vorzugehen - er war es, der all diese genehmigungen erteilt hatte. und, so fügte er noch in einem mieter_innengespräch hinzu, habe dies auch nur erfolgsaussichten bei genehmigungen die nach mai 2013 ausgestellt worden sind...

die gsw juckt das alles nicht, bei allem protest: an der börse geht das 'leben munter weiter' und mit steigenden gewinnen auch für die gsw. noch im januar 2013 äußert sich einer der geschäftsführer der gsw, jörg schwagenscheidt, besorgt; „berlin hat das dilemma, dass die mieten für investitionen in den neubau zu niedrig sind und sich damit nicht rentieren. auf der anderen seite, aber im vergleich mit anderen ballungsräumen einen überdurchschnittlich hohen anteil an transfer-einkommensbeziehern haben, die sich höhere mieten nicht leisten können.“ sein lösungsvorschlag: keine subventionen mehr in die bausubstanz, sondern mehr wohngeld für hartz4-bezieher_innen. klartext dessen, was da von seiten der immobilienwirtschaft gefordert wird: subventionierung von spekulanten und immobilienhaien mittels hartz4.

 

dazu ein paar zahlen aus dem jahr 2011; im jahr der besetzung der schlesischen 25 wurden 1337 hartz4- bezieher_innen aus ihren wohnungen zwangsgeräumt. das sozialamt schickte 2011 über 5000 räumungstitel raus. ein haus steht leer und die politik kümmert sich fleißig, zahlungsunfähige leute auf die straße zu setzen.

 

das könnten alles gründe sein, warum an dem sommerlichen montag nachmittag im mai 2011 zu dem spontanen kiezfest mitsamt offenem haus soviele anwohner_innen und neugierige vorbeikamen.

das haus stand für alle offen und neben dem eingang stand ein tisch mit infomaterial und kuchen. einige leute hatten im erdgeschoss einen umsonstladen eingerichtet und viele menschen nutzten die gelegenheit einer hausbesichtigung. wie viele obdachlose hätten hier platz zum leben gefunden...

einer schimpfte, dass mit dem wohnraum nur noch reibach gemacht werde und das der senat da nichts mehr tun kann. das bürgerbegehren am spreeufer habe ja gezeigt, dass der senat kein interesse hat, bürger_inneninteressen zu berücksichtigen. mehr als genügend unterschriften gegen die spreeuferbebauung kamen zusammen und doch muss es aktuell auch weiter proteste gegen die spreebebauung geben, und die gibt es: anhaltend wird gegen die weiterbebauung der spreeufer mobilisiert. die 50m uferbreite und die höhe der neubauten werden stets ignoriert und munter zugebaut. bürgerentscheide haben keine kraft und das haben viele in der stadt kapiert.

was wir brauchen, das müssen wir uns nehmen! so kamen an diesem montag nachmittag im mai 2011 über 450 menschen zusammen, um sich die schlesiche straße 25 als wohnraum und soziales zentrum über kapitalinteressen hinweg anzueignen, wenn auch nur für wenige stunden.

die polizei setzte schließlich die profitinteressen der besitzer_innen mit gewalt durch. sie kam brav in reih und glied und schlug ohne ankündigung alles was sie traf zusammen, knüppelte alles weg, was ihr im weg war. zum anderen hatten einige menschen beobachtet, wie der einsatzleiter, ein gewisser herr richter, einen manager der gsw bearbeitete. hatte letzterer schon überlegt von möglichen anzeigen gegen besetzer_innen abzusehen, wurde er vom einsatzleiter in den mannschaftswagen geführt um dort ohne weitere öffentlichkeit zum nötigen strafantrag aufgefordert zu werden, sonst hätte der polizeieinsatz ja als unrechtmäßig abgebrochen werden müssen.

auch heute noch lässt einsatzleiter richter für die profitinteressen der besitzenden prügeln. leitete er doch auch die polizeiliche durchsetzung der zwangsräumung von familie gülbol in der lausitzer straße 8 am 14. februrar 2013.

die gewalt während eines solchen polizeieinsatzes hat system: den breiten protest mit viel solidarität und unterstützung aus der nachbarschaft versucht die polizei mit noch mehr gewalt beizukommen. pfefferspray, tritte, faustschläge gegen anwohner_innen und für die interessen der investor_innen. ein wenig nach dem motto: erst mal auf die fresse, bevor sich da auf der straße ein breiter widerstand kontinuierlich organisiert.

noch am abend nach der räumung der schlesischen 25 gab es eine kräftige demo durch den wrangelkiez und kleinere anschläge in der stadt bezeugten die wut über die durchsetzung der kapitalinteressen in der stadtpolitik.

kein halbes jahr später wurde die schlesische 25 erneut besetzt und am selben tag mit massivem polizeiaufgebot geräumt.

solange aber wohnraum eine ware ist, wird es aneignungen von wohnraum geben!

solange es zwangsräumungen gibt, muss es haus- und wohnungsbesetzungen geben!

 

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ihr schreibt: "zunächst sei auf den merkwürdigen, weil unterschiedlichen juristischen umgang mit den besetzer_innen hingewiesen."

 

so merwürdig ist das in der logik von politischer repression gar nicht. die ungleichbehandlung dient dazu, verunsicherung zu schaffen. den meisten menschen fällt es leichter, sich auf die zukunft einzustellen, wenn sie wissen, was sie erwartet. dieses wissen untergräbt die politische justiz, wenn sie für das gleiche delikt der einen person 120 tagessätze aufbrummt und bei der anderen das verfahren einstellt. auf die weise fangen auch wenige menschen an, vorsorglich schon mal geld auf die seite zu legen oder soli-veranstaltungen zu organisieren - was, wenn die ganze mühe hinterher wegen einer einstellung umsonst war?

nicht zuletzt kann der staat so auch das misstrauen in gruppen schüren, nach dem motto: "alle wurden verurteilt, nur XY nicht, arbeitet der/die etwa mit denen zusammen...?"

Die Begründung ist fragwürdig... Die Strafe richtet sich nach dem ermittelten Maße der der persönliche Schuld. Glücklicherweise gibt es in Deutschland keine Pauschalurteile, sondern sie werden dem Einzelfall angepasst. Die Höhe des Tagessatzes richtet sich dabei nach den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, die Anzahl der Tagessätze nach dem persönlichen Schuldvorwurf. Ergo: Bei unterschiedlichen Personen liegt ein unterschiedlicher Schuldvorwurf vor... 

 

Wer ein Haus besetzt sollte sich darüber im Klaren sein, dass er nunmal das ein oder andere Strafgesetz verletzt und dieses Verhalten von keinem Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund gedeckt ist. Ein politisches Urteil läge vor, solche Taten nicht abzuurteilen!