Premierminister Kevin Rudd verschärft kurz vor den Wahlen die bereits harte Linie gegen die ungeliebten Bootsmigranten. Im Tausch gegen Entwicklungshilfe lagert er das Asylwesen faktisch nach Papua-Neuguinea aus.
Heidi Gmür, Sydney
Australien schiebt ab sofort alle Asylsuchenden, die das Land per Boot erreichen, nach Papua-Neuguinea ab. Bereits seit letztem Jahr wurde ein kleines Kontingent für die Dauer des Asylverfahrens in den nördlichen Nachbarstaat verfrachtet. In einem neuen Abkommen hat sich Papua-Neuguinea nun verpflichtet, eine unbeschränkte Anzahl Migranten zu übernehmen und all jene Asylsuchenden, die als Flüchtlinge anerkannt werden, danach auch zu beheimaten. Das gaben am Freitag der australische Premierminister Kevin Rudd und Peter O'Neill, Premierminister von Papua-Neuguinea, bekannt.
Rudds SpitzkehreRudd stellte den Entscheid primär als Massnahme im Kampf gegen die Schlepper dar, deren Geschäftsmodell es zu untergraben gelte. Er räumte dabei ein, dass es eine «sehr harte» Linie sei. Die Regierung sei aber verpflichtet, eine robuste Grenzkontrolle und geordnete Migration sicherzustellen. Noch vor drei Jahren, unmittelbar vor seiner parteiinternen Absetzung als Premierminister durch Julia Gillard, hatte Rudd öffentlich erklärt, dass die Laborpartei unter seiner Führung in Asylfragen «nicht nach rechts kippen werde».
Nachdem er vor drei Wochen ins Amt zurückgekehrt war, wurde jedoch bald klar, dass er die Schraube im Asylwesen weiter anzuziehen gedenkt. Auch der Aussenminister Bob Carr hat die Rhetorik verschärft, indem er die Bootsmigranten mehr oder weniger pauschal als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnete. Belegen konnte er diese Behauptung nicht. Fakt ist, dass die Behörden und Gerichte in den letzten beiden Jahren rund 90 Prozent der Bootsmigranten als echte Flüchtlinge anerkannt haben. Die Anerkennungsrate bei Asylsuchenden, die regulär einreisen und deren Gesuche Australien weiterhin auf dem ordentlichen Weg behandelt, ist weit geringer.
Es ist kein Zufall, dass Rudd gerade jetzt, kurz vor den Wahlen, Härte markiert. Bootsmigranten sind in der Bevölkerung nicht gern gesehen. Man wirft ihnen vor, dass sie nicht in der – imaginären – «Schlange» warten, bis sie von Australien die offizielle Erlaubnis zur Einreise erhalten. Seit einem Jahr ist nun die Zahl der Asylsuchenden, die sich auf die gefährliche Reise mit untauglichen Booten begeben, sprunghaft angestiegen. Allerdings werden in Australien nach wie vor weniger Asylgesuche gestellt als in der Schweiz.
Der konservativen Opposition blieb nichts anderes übrig, als das neue Abkommen mit Papua-Neuguinea zu begrüssen. Sie plädiert seit langem für eine weitere Verschärfung der Asylpolitik und hat versprochen, die «Boote zu stoppen», sollte sie die Wahlen gewinnen. Rudd betonte derweil, dass Australien auch mit der neuen Politik seinen internationalen Verpflichtungen gemäss der Flüchtlingskonvention nachkomme.
«Tag der Schande»Die Grünen sprachen hingegen von einem «Tag der Schande». Auch Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Rechtsexperten kritisierten den Schritt scharf. Rudd delegiere die internationalen Verpflichtungen Australiens an Papua-Neuguinea, um eine innenpolitische Pattsituation zu lösen, sagte Kerry Murphy, Experte für Migrationsrecht an der Australian National University. Es sei bedenklich, wenn ein reicher Staat ein armes Land bezahlen könne, damit dieses seine internationalen Verpflichtungen übernehme. Tatsächlich hat Rudd angekündigt, dass Australien die Entwicklungshilfe an Papua-Neuguinea im Gegenzug ausbauen werde.
Infrage gestellt wird auch, ob Papua-Neuguinea überhaupt in der Lage ist, sich um die Asylsuchenden und Flüchtlinge zu kümmern. Laut Rudd handelt es sich um ein Land «mit aufstrebender Wirtschaft, einer robusten Demokratie, das die Flüchtlingskonvention unterzeichnet hat». Nun ist Papua-Neuguinea zwar reich an Ressourcen, seine Bevölkerung aber nach wie vor sehr arm, die Arbeitslosigkeit in den Städten hoch, das Gesundheits- und Bildungswesen unterentwickelt. Im Index der Uno für menschliche Entwicklung liegt das Land derzeit auf Rang 156 von 186 Staaten. Und das australische Aussendepartement mahnt auf seiner Website, bei Reisen nach Papua-Neuguinea angesichts der hohen Kriminalitätsrate ein «hohes Mass an Vorsicht» walten zu lassen.
Rudd hat unlängst auch das Gespräch mit dem Transitland Indonesien gesucht. Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono hat daraufhin angekündigt, im August eine Konferenz mit Herkunfts-, Transit- und Zielländern durchzuführen, um neue, regionale Lösungsansätze in der Flüchtlingspolitik zu suchen. Am Freitag wurde zudem bekannt, dass Indonesien die Visabestimmungen für iranische Staatsangehörige verschärft – offenbar auf Anregung Rudds. Die australische Regierung vermutet insbesondere unter Bootsmigranten aus Iran, der zweitgrössten Gruppe nach den Afghanen, viele Wirtschaftsflüchtlinge.