Deutschlands führender Gewehrhersteller Heckler & Koch steckt tief in den Schulden. Doch von Insolvenz ist keine Rede. Bessere Geschäfte in den nächsten Jahren sollen den Schuldenberg abbauen. Von Gerhard Hegmann
Deutschlands führender Gewehrhersteller Heckler & Koch ist nach hohen Verlusten bilanziell überschuldet, hat also mehr Schulden als Vermögen. Trotzdem muss das Stammhaus in Oberndorf am Neckar und seine Muttergesellschaft wegen guter Geschäftsaussichten keine Insolvenz anmelden.
Nach Recherchen der "Welt" geht die Firma künftig wieder von deutlichen Gewinnen nach einem Absturz in rote Zahlen 2011 und 2012 aus. Zudem testierten Wirtschaftsprüfer eigens eine positive Fortführungsprognose.
Nach fast 20 Millionen Euro Verlust 2011 wird in diesem Jahr im Stammhaus wieder ein mittlerer zweistelliger Millionengewinn erwartet.
Überschuldung von 119 Millionen Euro
Hintergrund für die wachsenden Schulden bei der Firma mit 202,7 Millionen Euro Umsatz (2012) sind neben verzögerten Gewehrauslieferungen 2011 vor allem hohe Zinsbelastungen und Wertberichtigungen in Millionenhöhe auf komplexe Finanztransaktionen.
Wie die Firma auf Anfrage mitteilte, lag Ende 2012 bei der Obergesellschaft Heckler & Koch Beteiligungs-GmbH die bilanzielle Überschuldung bei 119 Millionen Euro. Beim Stammhaus betrug das negative Eigenkapital 7,2 Millionen Euro.
Doch bei Heckler & Koch will niemand von einer Schieflage sprechen. "Ein 'Rettungskonzept' ist nicht erforderlich", heißt es auf Anfrage. Die Firma sei in der Lage, aus eigener Ertragskraft ihre Verpflichtungen zu erfüllen, die Eigenkapitalbasis zu stärken und die Verschuldung zu reduzieren.
"Zweifel an der wirtschaftlichen und finanziellen Solidität verweisen wir ausdrücklich in den Bereich der Spekulation", teilt das Unternehmen mit. Die wirtschaftliche Situation wird als robust bezeichnet.
Großauftrag der Bundeswehr
Die Geschäftsführung hofft, durch bessere Geschäfte in den nächsten Jahren den Schuldenberg wieder abzubauen. Hilfreich könnte ein vor wenigen Tagen abgeschlossener Großauftrag der Bundeswehr über 140 Millionen Euro für rund 12.700 neue Maschinengewehre (MG5) sein.
Bereits in vergangenen Jahren sorgten die Finanztransaktionen des Heckler & Koch-Eigentümers Andreas Heeschen für Aufsehen. Die Firma gehört dem 52-Jährigen zusammen mit seinem Schwager Alfred Schefenacker und dem Briten Keith Halsey. Heeschen wurde 2010 von Hedgefonds verklagt.
Sie warfen ihm vor, er habe Millionenbeträge aus einem Firmendarlehen für Privatzwecke wie Yachten und Immobilien abgezweigt, aber die Klage wurde in New York nicht zugelassen. Heeschen wies die Vorwürfe entschieden zurück und jonglierte weiter mit der Finanzierung der Firma.
Zum Umbau gehört, dass Gelder aus einer Unternehmensanleihe über 295 Millionen Euro genutzt wurden, eine fällige Anleihe über 120 Millionen Euro abzulösen. Für 170 Millionen wurde zudem ein sogenanntes PIK-Darlehen aufgekauft.
Es wird jetzt intern für die Muttergesellschaft genutzt und wurde im April bis 2018 verlängert. PIK-Darlehen gelten als Extremform von Krediten, bei denen Zinsen und Tilgung teilweise gestundet werden, was die Schulden ständig erhöht.
Moody's bewertet Firma mit Ramschniveau
Die US-Ratingagentur Moody's bewertete im Januar den deutschen Gewehrlieferanten aufgrund seiner Finanzlage mit Caa2, was Ramschniveau entspricht. Die Erträge aus dem laufenden Geschäft dürften gerade so ausreichen, um jährlich 28 Millionen Zinsen allein auf die Unternehmensanleihe zu bezahlen, heißt es.
Dabei ist den Gesellschaftern und der Geschäftsführung klar, dass die Kapitalbasis gestärkt werden muss. Daher wird eine Kapitalzuführung grundsätzlich erwogen. Neben Kapitalmaßnahmen könnte auch ein Paket von 55 Prozent des Kapitals verkauft werden, das im Eigenbesitz ist, heißt es nach Recherchen der "Welt" in Erläuterungen zur Bilanz 2011 der Dachgesellschaft.
Bei einer eventuellen Käufersuche wären die Firmeneigentümer aber eingeschränkt. Bei Rüstungsfirmen hat die Bundesregierung ein Mitspracherecht beim Einstieg eines ausländischen Investors.
Exportnationen USA und England
Branchenkenner sprechen von einer spannenden Konstellation in den nächsten Jahren bei dem führenden deutschen Waffenhersteller, der zuletzt 80 Prozent seines Umsatzes außerhalb Deutschlands erzielte.
Wichtigste Exportnationen sind Großbritannien und die USA. Mit dem Verkauf der Waffen muss so viel verdient werden, dass die Firma die steigende Verschuldung abbauen kann.
Für Neuaufträge ist aber eine gute Reputation bei der Technik und den internen Strukturen wichtig. Daher kommen Heckler & Koch seit Monaten auftauchende Berichte über angebliche Defekte oder Ausfälle an Gewehren sowie die seit 2005 laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen illegaler Ausfuhren nach Mexico höchst ungelegen.
Die Oberndorfer Firma mit gut 600 Beschäftigten spricht von einer Kampagne, um das Unternehmen zu beschädigen und weist die Vorwürfe zurück. Insgesamt sieht die Firma trotz Schuldenlast eher optimistisch in die Zukunft. Im nächsten Jahr soll der Umsatz auf dem Niveau von 2013 liegen, mit einem ähnlich hohen Gewinn, heißt es in der Prognose.