[Kol] Gegen die Kriminalisierung der Proteste

Proteste in Catatumbo

In den kolumbianischen Medien wurde in den letzten Tagen viel über die Proteste der Landbevölkerung in Catatumbo/Kolumbien berichtet. Dabei ging es jedoch nicht um ihre Forderungen nach einer Entmilitarisierung, bessere Lebensbedingungen, Mitbestimmung und der Schaffung eines Schutzgebietes für die Landbevölkerung, sondern hauptsächlich um die Kriminalisierung der Proteste und die angeblichen Beziehungen eines der Wortführer zur Guerilla FARC-EP.

 

Die Delegitimierung und Kriminalisierung von sozialen Protesten, aber auch Drohungen und Angriffe gegen Linke und Aktivisten, sind alltäglich in der kolumbianischen Politik. Ein wichtiges Argument dabei ist die oftmals vorgebrachte Behauptung, dass die Proteste oder in ihr tätige Personen Beziehungen zur FARC-EP hätten. Häufig erweisen sich diese Anschuldigungen als unhaltbar heraus. Doch selbst wenn es Kontakte zwischen den politischen Wortführern und der Guerilla gäbe, die wir auch nicht verneinen wollen, so spricht dass nur dafür, dass politische und soziale Organisationen einen Austausch pflegen, der in einer politischen und sozialen Auseinandersetzung nur allzu natürlich ist. Warum soll auch nicht Kontakt zur FARC-EP bestehen, die sich seit Jahrzehnten unter anderem für die politischen Rechte der Landbevölkerung einsetzen und in ihr auch ihren Ursprung haben? Deswegen aber Proteste ganzer Regionen ihren politischen Charakter abzusprechen, zeugt von Überheblichkeit und Missachtung.

 

In einer Erklärung der FARC-EP heißt es Anfang der Woche an den Innenminister: „Um die Repression zu rechtfertigen, sollten Sie nicht die Bauern und ihre Sprecher als Infiltrierte oder Angehörige der FARC  beschuldigen. Man muss sie nicht stigmatisieren, sondern man muss nur auf die Leute sehen was sie sind: Bauern, bescheidene Menschen, die vor langer Zeit, lange vor dem Beginn des Prozesses von Havanna, mit gerechter Agenda und eigener Stimme friedlich ihre verletzten Rechte einforderten.“ Und tatsächlich ist es so, dass sich die Bevölkerung von Catatumbo nicht mit oder aufgrund einer Initiative von der FARC-EP erhebt, sondern dies autonom und unabhängig von der Präsenz der Guerilla geschieht. Und tatsächlich ist es aber auch so, dass sich die Guerilla aber aufgrund der Lebensbedingungen solidarisch mit den Protestierenden zeigt und der ein oder andere durchaus ein Mitglied oder Sympathisant der Guerilla oder ihrer nahestehenden Organisationen sein wird.

 

Doch auch durch Drohungen und Angriffe gegen Wortführer, Linke und andere Aktivisten sollen soziale Proteste beendet und ihre Teilnehmenden eingeschüchtert werden. Kolumbien ist für politisch Engagierte ein gefährliches Land. Für Politiker, Guerilleros, Gewerkschafter, Anführer der Organisationen von Bauern oder Minderheiten, Studenten oder Basisaktivisten, also all jene, die sich kritisch mit der Regierung auseinandersetzen und zu ihr in Opposition stehen, gehören Drohungen und Angriffe zum Alltag. Zum typischen Bild für eine Bedrohungssituation gehört es, wenn zwei Personen auf einem Motorrad neben einem Aktivisten auftauchen, ihn mit Namen ansprechen, eine Waffe auf ihn richten  und Morddrohungen sowie Einschüchterungen aussprechen. Häufig bekommen die bedrohten Aktivisten zudem mittels Schlägen eine Lektion erteilt, die beim nächsten Mal für den Fall einer weiteren politischen Betätigung den Tod bedeuten könnte.

 

Dies ist eine von vielen Szenarien, die täglich in Kolumbien, sowohl auf dem Land, als auch in der Stadt passieren. Die Bedrohungen gibt es nicht nur dort, wo sich Gebiete mit Reichtum von natürlichen Ressourcen befinden, sondern betreffen jede Ecke des Landes. Es ist egal, ob es sich dabei um Bauern handelt, die ihr geraubtes Land wieder haben möchten, um Mitglieder linker Parteien, Künstler, die die kolumbianische Politik kritisieren oder Familienmitglieder von Guerilleros, die seit Jahren in den Bergen kämpfen. Wer für den Frieden ist, der gilt automatisch als Sympathisant der Guerilla. Während in Havanna Friedensgespräche zwischen der FARC-EP und der Regierung stattfinden, der Staat große Geldsummen für den Schutz von ihren wichtigen Personen oder strategisch wichtigen Gebieten ausgibt, werden die einfachen Menschen und Aktivisten mit dem Leben bedroht. Immer wieder, aktuell aus Catatumbo, Cesar oder Caquetá, tauchen Berichte oder Videos von Übergriffen der staatlichen Sicherheitskräfte auf Menschen und Aktivisten auf.

 

Einige Nichtregierungsorganisationen haben Zahlen veröffentlicht, wonach bereits in den ersten drei Monaten des Jahres 2013 fünfzehn Aktivisten aus bekannten linken Organisationen ermordet wurden, drei mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres zuvor. Gegen 20 weitere Aktivisten wurden Drohungen gerichtet. Nicht mitgerechnet sind die Opfer der Guerilla, der unabhängigen Aktivisten innerhalb der Gewerkschaften und jene, die sich aus Angst vor weiteren Bedrohungen nicht öffentlich äußern. Obwohl die Regierung Sicherheitsgarantien beteuerte, hören die Morde und Angriffe nicht auf. Besonders in den Gebieten der ländlichen Großprojekte und im Einflussbereich der transnationalen Konzerne zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcenwerden immer wieder Drohungen und Angriffe durch die extreme Rechte, paramilitärische Gruppen und den staatlichen Sicherheitsorganen bekannt.

 

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