Keine Erpressung, sondern Verzweiflung – Solidaritätserklärung des Netzwerks Asyl Migration Flucht Dresden mit den Hungerstreikenden Flüchtlingen in München
Zum Hungerstreik von Geflüchteten am Münchner Rindermarkt und zur Räumung des Streikcamps am letzten Sonntag erklärt das NAMF Dresden:
Ein trockener Hungerstreik, wie ihn die fast 50 Flüchtlinge und einige UnterstützerInnen in München mehrere Tage aufrecht erhalten haben, ist keine Erpressung, sondern ein Akt der Verzweiflung. Es ist für die Menschen offenbar die einzig denkbare Möglichkeit, sich und den Betroffenen Gehör zu verschaffen. Denn sie werden nicht gehört. Als mehrere Dutzend Asylsuchende und Geduldete im letzten Jahr durch halb Deutschland liefen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen, wurden sie erst von PolitikerInnen wahrgenommen, als sie sich am Brandenburger Tor, einem Touristenmagneten und Ort der Öffentlichkeit aufhielten und so auf die Bildfläche traten. Sie wurden von der Polizei schikaniert, aber schließlich doch zu einem Gespräch eingeladen. Im Bundestag war man dann allerdings erbost darüber, dass die Betroffenen Forderungen hatten.
Und diese Forderungen waren und sind die gleichen, ob in Berlin, München, Würzburg, Dresden oder Bremen: Anerkennung als Asylberechtigte, geregelte Aufenthalte, Abschaffung der Residenzpflicht, Abschaffung des Lagersystems, Arbeit und faire Entlohnung, Stopp aller Abschiebungen. Dahinter aber steht auch der tiefe Wunsch, endlich gehört zu werden und endlich nicht mehr als Menschen zweiter Klasse behandelt zu werden. Die guten Ausländer, das sind die, die als Fachkräfte so dringend gebraucht werden. Die Schlechten, das sind die, die als „Asylbetrüger“ oder „Wirtschaftsflüchtlinge“ Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen oder aber den Sozialstaat ausnutzen – je nachdem, wie es passt. Viel Verurteilung, wenig Empathie, noch weniger Gesprächsbereitschaft.
In München wurde mit dem Rindermarkt ein Ort und mit dem Hungerstreik eine Protestform gewählt, die Öffentlichkeit erzeugten und ein weiteres Mal Gesprächsbereitschaft und Auseinandersetzung mit der Situation der Menschen einforderten. Dass dies in Bayern passiert, ist dabei nicht überraschend. Im Freistaat gibt es 118 Sammellager, Asylsuchende dürfen sich nicht ohne Erlaubnis aus ihrem Landkreis entfernen und das Essen kommt mancherorts aus Kartons.
Der soziale und politische Protest der Menschen betrifft aber alle in Deutschland lebenden Asylsuchenden, auch in Sachsen. Es sind gegen die Würde des Menschen verstoßende Gesetze und Verordnungen auf allen Ebenen, die in Deutschland das Recht auf Asyl entleeren; es sind rassistische Politik und fehlender Protest der Bevölkerung dagegen; und es sind Medien und die Öffentlichkeit, die das Handeln der Behörden und die Zustände unkritische begleiten und damit der faktischen Aberkennung von Menschenrechten den Weg bereiten.
Die Landesregierung in Bayern hat nun angekündigt, in Zukunft besser mit Asylsuchenden umzugehen. Wir glauben nicht an leere Worte. Wir solidarisieren uns mit allen Asylsuchenden in Deutschland und mit deren UnterstützerInnen und fordern gemeinsam mit ihnen endlich eine sozialrechtliche Gleichstellung sowie Bleiberecht für Flüchtlinge mit gleichen Rechten. Wir fordern die Behörden auf, endlich die unmenschliche Abschiebepraxis zu unterlassen und kritisieren die übermäßige Polizeigewalt, die immer wieder angewandt wird, um politischen Protest zum Schweigen zu bringen.
Flucht ist kein Verbrechen! Kein Mensch ist illegal!