Informelles Treffen der EU-Innen- und JustizministerInnen in Stockholm – 500 demonstrieren dagegen – Haus besetzt! - Aufruf der BesetzerInnen
Von Mittwoch bis Freitag (15.-17. Juni 2009) findet in Stockholm ein Treffen der EU- Innen- und Justiz-MinisterInnen statt, bei dem sie das sogenannte Stockholm-Programm beschließen wollen. Dabei handelt es sich um einen Fünfjahresplan, der die Richtlinien für Datenkontrolle, Grenzkontrollen, Polizeizusammenarbeit und Überwachung festgelegt werden soll. Diese sollen dann im November in Brüssel beschlossen werden. Ungefähr 500 Personen demonstrierten am Mittwoch in Stockholm gegen dieses informelle Treffen der EU-MinisterInnen. In der Nacht wurde in diesem Zusammenhang auch ein Haus besetzt. Hier eine Übersetzung des Aufrufes der BesetzerInnen.
In der Nacht zum 15. Juli wurde in Jakobsberg ein Haus, das sogenannte Kodakhuset, Nettovägen 2, besetzt. Einerseits um zu zeigen, dass es, während es leere Häuser gibt, Menschen auf der Straße oder in provisorischen Unterkünften ohne Sicherheit wohnen.
Aber auch um Freiraum zurückzubekommen, um die Räume für nicht-kommerzielle Treffpunkte zu nutzen, wo die, die von Beschlüssen betroffen sind, diese Beschlüsse auch fassen.
Es ist absurde Realität, dass man zulässt, dass Unternehmen und der Staat auf ungenutzten Grundstücken sitzen, während der Bedarf in der Gesellschaft so groß ist.
Hausbesetzungen werden von der EU als Bedrohung angesehen, da sich in den besetzten Häusern soziale Bewegungen bilden und entwickeln. Soziale Bewegungen, die die Gesellschaft in Frage stellen, die handeln und Alternativen schaffen. Das sind die Gedanken, die eine Drohung gegen die EU und den Nationalstaat Schweden darstellen. Das sind die Gedanken, die kriminalisiert werden.
Die Innen- und Justizminister setzten 1975 eine Gruppe, genannt TREVI (Terrorisme Radicalisme Extrémisme et Violence Internationale) ein, die den Auftrag hatte zwischen 1990 und '92 alle besetzten Häuser in Europa auszumerzen sollte. Das gelang nicht wirklich.
Heute, und noch bis Freitag, treffen sich die Justiz- und Innenminister in der „Stockholmsmässa“ [ein Unternehmen, das u.a. Konferenzen organisiert] in Älvsjö. Dort werden neue Beschlüsse darüber gefasst, was Terrorismus und was Sicherheit ist. In einem Europa, wo Überwachung und Kontrolle das A und O sind, darf es keinen Platz geben, um das in Frage zu stellen und erst recht keinen, wo es in der Praxis geschieht. Warum haben wir gerade dieses Haus hier besetzt?
Viele nutzen diesen Ort schon um ihrer Kreativität Ausdruck zu verleihen. Die Wände sind mit phantastischen Graffitis bedeckt, die sogar vom Photograph Jens Andersson verewigt wurden. Es gibt einen großen Bedarf nach einem Ort, der nicht kriminalisiert wird. Anstatt der Kultur mit Aggression zu begegnen, sollte ein Ort als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft geschaffen werden.
Es gibt viele Menschen, die Treffpunkte brauchen. Wir leben in einer Zeit, in der soziale Zentren niederbrennen, geschlossen werden und manche abgerissen werden um Platz für Autobahnen zu machen. Eine Zeit, in der Freizeitparks immer weniger werden und die Menschen nirgends mehr hingehen können. Dieser Ort hier ist groß genug für unsere Bedürfnisse. Beispiele für Dinge, die wir im Haus machen wollen:
Umsonstladen – im Gegensatz zum Prinzip der Konsumgesellschaft wollen wir einen Laden haben, in dem alles umsonst ist und zu dem alle etwas beitragen. Dinge, die man nicht mehr braucht, kann man in den Laden bringen und das, was man braucht, darf man mitnehmen. Volksküche und kostenloses Essen. Konzerte. Fahrradwerkstatt. Graffitiwände und Ateliers. Skateplatz. Workshops und Lesungen. Bibliothek. Freiraum um zu machen, was man will.
Wie soll das Haus funktionieren?
Als Einwohner in dieser Gesellschaft hier haben wir heute keine wirkliche Macht über unser Leben. Die Politiker fassen die bedeutenden Beschlüsse über unsere Köpfe hinweg; gleichzeitig behaupten sie, dass wir frei sind zu tun, was wir wollen. Sie behaupten, dass wir Einfluss haben, da wir jedes vierte Jahr wählen dürfen. Aber eine wie große Wahl hat jemand, der auf dem Existenzminimum lebt, der in drei verschiedenen Jobs arbeitet oder der keine Aufenthaltsgenehmigung und/oder Arbeitsgenehmigung hat und deshalb als jemand ohne Rechte angesehen wird? Heute hängen deine Macht und dein Einfluss von der Dicke deines Geldbeutels ab und deine Wahl reicht nicht weiter als dass du entscheiden kannst, was du konsumierst.
Die, die im Haus aktiv sind, fassen Beschlüsse. Eine Selbstverständlichkeit, genau wie es eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass wir, die in dieser Gesellschaft leben, die Beschlüsse über das fassen sollten, was uns angeht. Wir fordern deshalb:
Dass uns das Haus kostenlos überlassen wird und dass wir die Beschlüsse über die Aktivitäten im Haus fassen. Dass ein Haus, wenn es mindestens sechs Monate leerstehen wird oder leer gestanden hat, von jedem genutzt werden kann. Dass der Nationalstaat Schweden, der rassistisch und undemokratisch ist, aufgelöst wird, sodass alle, die hier leben wollen, das auch können und dass wir uns direktdemokratisch organisieren können (die, die von einem Beschluss betroffen sind, fassen den Beschluss).
Während der letzten Tage haben wir fette Barrikaden gebaut, gemalt, Volksküche gemacht und sind einfach hier rumgehangen. Kommt her und unterstützt uns!
Am Freitag wird es verschiedene Aktionen sowie Workshops und Musik geben. .
Reclaim the welfare!
Nummer zu unserem Pressekontakt, Sara Johansson: 0762 55 03 21
Kommando Fredrik Reinfeldt
[Fredrik Reinfeldt ist Schwedens Staatsminister und Parteichef der Moderaten]