Der Sachverständige Dr. Haag, der sich im April bereits zur Vernehmungsfähigkeit des Zeugen Hermann F. geäußert hatte, wurde an diesem Prozesstag weiter befragt, zuerst von der Vorsitzenden Stock. Der Psychiater war von der Verteidigung abgelehnt worden, weil schon sein schriftliches Gutachten gezeigt hatte, dass er völlig ungeeignet ist, die komplexen Fragestellungen zu beurteilen. Bei der heutigen Befragung wurde dies überdeutlich. Fragen des Gerichts, ob eine anderes Gutachtenergebnis zu erwarten wäre, wenn er Hermann F. persönlich untersuchen würde (Hermann F. hatte sich geweigert, von diesem Arzt untersucht zu werden), beantwortete er ganz im Sinn der Richter damit, dass sich an dem Ergebnis nichts ändern würde. Es verwunderte dann auch nicht, dass er die Gefahr eines epileptischen Anfalls im Gegensatz zu der behandelnden Ärztin kategorisch ausschloss.
Breiten Raum in der richterlichen Befragung nahm eine mögliche posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) des Zeugen F. ein. Selbst wenn er unter einer PTBS leidet, sei er in den ersten Monaten nach der Explosion der Bombe, bei der F. 1978 sein Augenlicht und beide Beine verlor, in seiner Willensfähigkeit nicht eingeschränkt gewesen und die wochenlangen Vernehmungen durch Polizeibeamte unmittelbar nach seiner Operation deshalb nicht zu beanstanden, behauptete Haag. Seiner Vernehmung als Zeuge vor Gericht stehe deshalb nichts im Wege.
Hermann hätte zwar durch die Explosion ein schweres Trauma erlitten, zu
einer posttraumatischen Belastungsstörung sei es aber nicht gekommen. In
einem Befund von 1983 seien keine entsprechenden Symptome wie
Schlafstörungen, Ängste und Panikattacken dokumentiert, dann habe es die
folglich auch nicht gegeben. Sagte der Sachverständige, der im Jahr
mehr als 70 psychiatrische Gutachten am Fließband erstellt.
Bei der anschließenden Befragung durch die Verteidigung wurde noch einmal deutlich, dass Haag ein Sachverständiger ist, der die Vernehmungsfähigkeit des Zeugen F. offensichtlich durch nichts erschüttert sehen will. So hielt er es auch nicht für nötig, die Gutachten von vier Sachverständigen, die seit dem Unfall 1978 erstellt worden waren, zur Kenntnis zu nehmen, weil dies sein Ergebnis nicht beeinflussen könnte.
Die Verteidigung wies noch einmal darauf hin, dass es an der Zeit sei, endlich einen Traumatologen hinzuzuziehen. Nach kurzer Beratung fragte die Vorsitzende Stock den Gutachter, ob er weitere Unterlagen für sein Gutachten brauche. Haag verneinte natürlich und versicherte, dass ältere Gutachten und Atteste kein anderes Ergebnis bringen würden.
Die weitere Befragung des Sachverständigen wurde auf einen Termin wahrscheinlich im Juli vertagt. Der Prozess gegen Sonja wird am Freitag, 7. Juni, fortgesetzt.
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