Christian B. agierte mutmaßlich jahrelang unter dem Pseudonym „Volksfunk“ in verschiedenen sozialen Netzwerken. Am Dienstag durchsuchte die Polizei seine Wohnung in Homburg (Saarland). Seine mutmaßliche Anleitungen zum Bombenbau und Terroraufrufe stehen immer noch online.
Nicht viele Nutzer schaffen es zwischen den wirren Verschwörungstheorien in Reichsbürger-Foren noch herauszustechen. Der Hitler-Fan Christian B. wurde aber selbst in solchen Foren wegen seinen möglichen strafbaren Aussagen und Videos gesperrt. Der Blogger Reichling wurde 2011 im Forum Volksbetrug.net auf „Josef“ aufmerksam, ein mutmaßliches Pseudonym von Christian B. Reichling klärte zu diesem Zeitpunkt bereits über die Falschaussagen und wirren Gesetzesauslegungen der selbsternannten Reichsbürger auf, aber Christian B. alias „Josef“, „gegenBRD“, „VideosPeters“, „Peter Menz“ und „Volksfunk“ übertraf mit seinen Ausführungen viele andere Forennutzer. Noch im selben Jahr sollen Anzeigen wegen Holocaustleugnung und Mordaufrufen gegen „Volksfunk“ gestellt worden sein.
Anti-Antifa
Die Adressen von Personen, die bereits 2011 Anzeige gegen vermeintliche Onlinefreunde von Christian B. bei Ermittlungsbehörden stellten, tauchten daraufhin in Onlineforen von Eso-Nazis und Reichsbürgern auf, zum Beispiel dem Neuschwabenland-Forum (NSL) um Axel Stoll, weshalb einige Informationen nicht mehr direkt an die Polizei gingen, sondern den Landesverfassungsschutzämtern und dem Bundesverfassungsschutz in der Hoffnung zugespielt wurden, dass diese die Polizei informierten und diese dann ermittelt. Das LKA Saarland konnte sich diese Woche laut Presseberichten nicht daran erinnern, Informationen zu Christian B. bzw. „Volksfunk“ vom Verfassungsschutz bekommen zu haben und der Landesverfassungsschutz Saar scheint sich auf Presseanfragen hin nicht daran zu erinnern, überhaupt Hinweise bekommen zu haben.
Enttarnt Volksfunk!
Ob diese Infos und Hinweise unter den Aktenbergen in den Verfassungsschutzbehörden verschwanden oder gleich durch den Schredder gingen, wollen Landtags- und Bundestagsabgeordnete von Grünen, Linken, Piraten und SPD in den entsprechenden Ausschüssen erfragen. Ebenso, warum das LKA Saarland erst am 30. April 2013 die Wohnung von Christian B. durchsuchte, obwohl dieses bereits eine Woche zuvor am 22. April dessen Klarname und Adresse erhielt. Saarländische Landtags- und Bundestagsabgeordnete wurden durch Presseanfragen bereits vor der Polizeirazzia auf den Fall aufmerksam.
Publikative.org berichtete eine Woche, nachdem das LKA Saarland informiert wurde und einen Tag vor der Polizeirazzia bei Christian B. über die Hintergründe: Als „Fans von NPD“ auf Facebook und „NPD Angriffs TV“ machte „Volksfunk“ Werbung für die NPD, die wie überspitzte Satire auf die NPD-Ideologie wirkte. Beobachtern der Neonazi-Szene fiel „Volksfunk“ durch seine Äußerungen sehr schnell auf, die NPD schien weniger begeistert. So baten nicht nur Parteifunktionäre den Unterstützer mehr oder weniger höflich darum, seine Aktivitäten einzustellen, sondern drohten auch einige NPD-Sympathisanten mit einem „persönlichen Gespräch“, sollte er die Szene weiterhin lächerlich machen. Sichtlich getroffen erklärte Christian B. daraufhin unter seinem Pseudonym, seine politischen Aktivitäten einzustellen. Zwischenzeitlich verkündete er jedoch auch, bei der NPD eintreten zu wollen. Dass er davon nichts mehr online verbreitet, könnte daran liegen, dass er seinen Mitgliedsantrag mit Realnamen und Adresse einsandte – und seine „Kameraden“ wohl immer noch schlecht auf ihn zu sprechen sind. Wobei ein Ortsvorsitzender der NPD Kleve ein Partei-Video mit einer Rede von „Volksfunk“ in seinem YouTube-Kanal veröffentlichte und diesen auch in seinen Kreisen bei Google+ hatte.
Terroraufrufe und Bombenbauanleitung
Antifaschisten wussten jetzt also wo die Adresse und der Klarname von „Volksfunk“ – der einige Adressen samt Fotos von vermeintlichen „Nazijägern“ veröffentlichte und diese mit Morddrohungen verbreitete – zu finden sind. Wer suchet, der findet: „Volksfunk“ war enttarnt. Das LKA Saarland erhielt kurz darauf die Adresse ohne zu suchen und war damit scheinbar überfordert. Immer mehr Menschen die sich durch „Volksfunk“ bedroht fühlten stellten Anzeige bei ihrer örtlichen Polizei, bei Internetwachen oder per Mail an Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften. Dass Volksfunk enttarnt war und im Saarland zu finden sei, sprach sich online schnell herum. Dennoch wurde immer noch eine Woche lang von „Volksfunk“ Videos mit Bombenbauanleitungen und scheinbaren Terrordrohungen neben den Adressen angeblicher Antifaschisten auf dem internationalen Neonaziportal TruTube veröffentlicht. Dort rief er mutmaßlich auch zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung von Horst Mahler auf, der eine langjährige Haftstrafe u.a. wegen Holocaustleugnung absitzt.
Screenshot von YouTube, 2011. Quelle: Reichling’s Blog
Dementsprechend ging mit der Nachricht der Razzia in Homburg am Dienstag eine Erleichterung durchs Netz: Wo vorher noch ein zivilgesellschaftlichen Fahndungsaufruf stand, ist nun die Erfolgsmeldung zu lesen. Die Polizei stellte bei Christian B. mehrere Butterfly-Messer, Computer, ein Deko-Gewehr, leere Handgranaten-Hülsen sowie eine brennfähige Substanz sicher. Inwieweit dies auf eine Sprengstoffherstellung hindeutet, gaben die Ermittler noch nicht bekannt. Sein Programm zur Berechnung der Bombenwirkung auf Menschen kann am heutigen Freitagmorgen immer noch gedownloadet werden und seine mutmaßliche Bombenbauanleitung auch noch ohne weiteres über eine einfache Google-Suche gefunden werden, drei Tage nach der Razzia und fast zwei Wochen nachdem das zuständige LKA informiert wurde. Christian B. wurde nach erkennungsdienstliche Behandlung am Dienstag wieder auf freien Fuß gesetzt.