Rechter Populismus muss nicht immer rassistisch motiviert daherkommen. Auch der Ruf nach „Zucht und Ordnung“ dient der Formierung des Autoritären Charakters, wie ein aktuelles Beispiel aus Frankfurt zeigt.
An der Goethe-Universität Frankfurt geht die Angst um. Doch nicht die sich verschlimmernden Studienbedingungen erhitzen die Gemüter, nein gefürchtet werden hier vor allem Sticker und Graffiti.
Traditionell ist die Frankfurter Studierendenschaft als eher links eingestellt zu bezeichnen. Dies ist wohl darauf zurück zu führen, dass hier im Gegensatz zu anderen Universitäten Schlüsse aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus gezogen wurden. Der Campus Bockenheim wurde vom Architekten Ferdinand Kramer architektonisch demokratisiert. Kramer gelang es die universitäre Repräsentalarchitektur zu durchbrechen und einen Campus zu gestalten, in dem Studierende nicht mehr nur als der Universität unterworfene Bildungsobjekte, sondern als gleichberechtigte Subjekte ihren Platz finden sollten.
Ferner gelang es die Theoretiker der Frankfurter Schule zu einer Rückkehr an die Universität zu bewegen. Außerhalb Frankfurts ist die Wahrnehmung der Goethe-Universität noch immer maßgeblich durch den Einfluss dieser Theorieschule gekennzeichnet.
Allerdings in Frankfurt selbst scheinen die Beteiligten nun genug zu haben von all der Vergangenheitsbewältigung.
Der Campus Bockenheim wird derzeit aufgegeben. Die geräumten Gebäude werden mittels Stacheldraht, Securities und Kameras gegen eine unberechtigte Fremdnutzung abgeschirmt. Ebenfalls gleichzeitig zum Umzug hat die Unileitung das selbstverwaltete Institut für Vergleichende Irrelevanz (IVI) fallen gelassen. Das Gebäude wurde an einen privaten Investor verkauft. Dieser klagte, bekam Recht, und das IVI wurde geräumt. Die Masse der dabei aufgewendeten Polizeikräfte gemahnte an römische Heerschauen oder stalinistische Machtdemonstrationen, und stand in keinerlei Verhältnis zum Gegenstand. Die herbeigeredeten Ausschreitungen blieben weitgehend aus.
Insgesamt ist die Universität, so lässt sich abschließend sagen, recht glimpflich aus der Angelegenheit herausgekommen. Dennoch konnte Universitätspräsident Werner Müller-Esterl der Versuchung nicht widerstehen, einige zu Bruch gegangene Fensterscheiben zum Anlass zu nehmen den konservativen Backlash unter die Studierenden zu bringen. So schrieb eben jener Müller-Esterl, über dessen Verschwendungs- und Geltungssucht schon länger Gerüchte unter den Studierenden kursieren – so soll er sich beispielsweise einen Schreibtisch für über 30.000 Euro in sein Büro gestellt haben - es sei ein Sachschaden von 100.000 Euro entstanden. Und weiter:
„Der entstandene Schaden entspricht einem Gegenwert von 100 Tutorien und Übungsgruppen. In Zeiten knapper öffentlicher Kassen und steigender Studierendenzahlen heißt das: Wir müssen das Geld an anderer Stelle einsparen.“
Konservative Studierende, deren politischer Einfluss an der Universität eigentlich eher gering ist, ließen sich diese Steilvorlage selbstverständlich nicht entgehen. Schon länger wurde gegen stickerverklebende Linke polemisiert, welche von konservativer Seite selbstverständlich stets als „Linksextremisten“ bezeichnet werden.
Doch nun wird es vollends absurd: Bei Facebook gründete sich eine Gruppe unter dem Namen „Pro Westend - Gegen Vandalismus“. Und auch wenn die Verantwortlichen der Gruppe immer wieder beteuern keine politischen Absichten verfolgen zu wollen, so tritt ihr Populismus offen zu Tage. Allein der Name knüpft schon an rechtspopulistische Vereinigungen wie „Pro-NRW“ „Pro-Köln“ etc. an. Zwar distanziert sich die Gruppe von der so genannten „Pro-Bewegung“, und liefert eine mehr als fadenscheinige Begründung für die Namenswahl, doch auch inhaltlich geht es zur Sache. Unter dem Deckmantel von „Love“ und „Peace“ und „Harmony“ wird ein bedrohliches, äußeres „Die“ konstruiert, gegen welches ein moralisch höherwertiges und gemeinsames „Wir“ zur Wehr zu setzen habe. Mit diesem simplen Programm hat es die Gruppe mittlerweile auf über 1.500 sogenannte „Likes“ gebracht, und auch die Presse fällt prompt darauf herein. So machte sich die Frankfurter Rundschau in einem Artikel vom 26. April die Argumentation von Präsidium und Pro Westend zu eigen. Dass der von ihr in diesem Zusammenhang interviewte Arthur Eberle nicht nur irgend ein unpolitischer Saubermann, sondern auch RCDS- und stellvertretender JU-Vorsitzender ist, ist der FR wohl entgangen, oder war ihr egal.
Munter wird derweil über die Schaffung einer Art studentischer Bürgerwehr diskutiert, die weitere Aufkleber und Graffiti verhindern soll, und jüngster Geniestreich ist eine „Putzdemo“ die Ordnung auf dem Campus schaffen, und Aufkleber entfernen möge.
Unter dem Ruf nach Ordnung und Sauberkeit formiert sich nun also der autoritäre Charakter. Sticker und Graffiti werden zu den Studienalltag unerträglich machenden „Gewalttaten“ hochstilisiert, und eine äußere Bedrohung konstruiert, gegen die man sich als anständiger Studierender zur Wehr zu setzen habe. Dies alles hilft natürlich der Unileitung dabei, ihre konservative Vergangenheitspolitik zu Ende zu führen, sich der Kritischen Theorie zu entledigen, und die Studierenden wieder zu dem zu etwas zu machen, was sie nicht länger sein dürften: passive Bildungsobjekte, die den Widerspruch scheuen, und das gegebene stets affirmieren.
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