Seit einiger Zeit werden sogar in der "BILD" die Forderungen nach Aussetzung der "Rente mit 67" laut. So rührte Der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Pronold in dem Blatt am (22.06.2009) die Wahlkampftrommel:
"Ich gehe davon aus, dass die Rente mit 67 wegen steigenderArbeitlosenzahlen in der Wirtschaftskrise nicht in Kraft treten kann. Denn schon jetzt ist abzusehen, dass die im Gesetz vorgeschriebene Überprüfungergeben wird, dass Ältere auf dem Arbeitsmarkt immer schlechtere Chancen haben. Wir müssen diese Überprüfungsklausel ernst nehmen und gegebenenfalls reagieren."
Hintergrund: Die Fraktion der Linken im Bundestag hatte am 18.03.2009 einen Antrag zur Diskussion der "Rente mit 67" gestellt, der am kommenden Freitag behandelt wird. Nun werden die Säbel gewetzt, daß die Funken fliegen: Via F!XMBR findet sich folgendes Zitat des gerne bei der Arbeiter- & Angestelltenfeindlichen "Initiative Neue Marktwirtschaft" zitierten DemagogieDemografie-Forschers, Wirtschaftswissenschaftlers und - was sonst - Professors Axel Börsch-Supan, Ph.D:
Eine Rücknahme der Rente mit 67 wäre unverantwortlich, weil wir in der langen Zeit, bis sie eintritt - nicht etwa 2012, sondern erst 2029 - etwa drei Jahre älter werden. Sie bedeutet also zwei Jahre länger arbeiten und ein Jahr länger die Rente genießen.
Naja, bei dem vermutlichen Gehalt des Profs hätte ich auch kein Problem bis 67 zu "arbeiten" und während dieser Zeit eine mit Sicherheit ausgezeichnete Gesundheitsvorsorge zu genießen. Quelle des obigen Zitates übrigens sind ausgerechnet "Die Gesellschafter": Rente mit 65: »Verantwortungslose Vogel-Strauss-Politik«. F!XMBR schlussfolgert meiner Ansicht nach völlig richtig:
"Es sind jene Zahlenspielereien, welche die Realität Lügen straft. Es sind jene Zahlenspielereien die absurde Systeme wie HartzIV rechtfertigen, viel Arbeit für noch weniger Geld fordern, von der Lebenserwartung wohlwollend schwafeln und die zu zahlende Zeche außer Acht lassen. Es sind jene Zahenspielereien, welche Altersarmut kaschieren, den einzelnen reicher und gesünder machen als jener es Angesichts der Realität je glauben würde. Es sind eben jene Spielereien, die Wirtschaft pushen und den Sozialabbau stetig vorran treiben."
Man könnte jetzt ja noch einiges hinzufügen zu dieser zynischen und für Unternehmerverbände wie auch sozialdarwinistische Ideologen reichhaltig aufbereiteten Milchmädchenrechnung. Sie verdeckt ideologisch lediglich die Tatsache, daß unser momentanes gesellschaftliches System nicht in der Lage ist, die elementarsten Bedürfnisse der Mehrzahl seiner BewohnerInnen zu befriedigen, sondern im Gegenteil zu immer tieferen ökonomischen und politischen Krisen führt. Liegt am gesellschaftlichen Grundwiderspruch, zwischen Lohnarbeit und Kapital, zwischen gesellschaftlich erarbeitetem Reichtum und privater Aneignung: Laut Zahlen aus dem aktuellen Armutsbericht, den die Bundesregierung im Mai veröffentlicht hat und laut dem inzwischen jeder 4. als „Arm“ gilt - in den alten Bundesländern etwa 15% der Bevölkerung, in Sachsen-Anhalt 20% der Bevölkerung. Für Mecklenburg-Vorpommern wurde sogar ein Quotient von knapp 24 Prozent errechnet. Täglich fast 1.000.000 Menschen müssen sich an den sog. "Tafeln" ihr Essen besorgen. 2008 war "lediglich" jeder 8. als „Arm“ einzustufen.
Und die andere Seite?
Die Gewinne der Unternehmen sind laut Daten des Statistischen Bundesamtes vom 22.02.2007 im Jahr 2007 um 13,96% auf offiziell 585,49 Milliarden € gegenüber einem Zuwachs von 0,71% auf Seiten der Löhne und Gehälter angestiegen sind. 1995 – 2004 kam es so zu einem Reallohnverlust von 0.9 % in Deutschland, was übrigens im Gegensatz zur Entwicklung in den meisten anderen europäischen Ländern steht. (Quelle)
Die Altersversorgung verschlechtert sich in den nächsten 20 Jahren dramatisch. Die Beschäftigten, die heute Mitte 40 sind, werden mit einer deutlich niedrigeren Rente klar kommen müssen. Ab 2030 können sie voraussichtlich nur noch mit knapp 43 Prozent ihres durchschnittlichen Jahreseinkommens rechnen. Dagegen erhält ein Beschäftigter, der jetzt das Rentenalter erreicht, noch etwa die Hälfte seines Einkommens:
Allein die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre hat rund 1/3 der von den Gewerkschaften erkämpften Arbeitszeitverkürzung der letzten sechs Jahrzehnte zunichte gemacht. Die Folgen für die Zahl der Arbeitslosen deckt der Prof. nicht auf sondern dazu auch noch Plattheiten ohnegleichen bringt:
"Wir sind kein Volk von Dachdeckern. Wir verlangen nicht von diesen über 57jährigen, dass sie auf Dächern turnen, sondern dass sie ihre Erfahrung und ihre Menschenkenntnis in eine Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft einbringen."
Weil diese Erfahrungen so dringend gebraucht werden, haben wir ja auch keine Arbeitslosen, die mit knapp über 40 kaum mehr vermittelbar sind, haben wir keine Bau-, Automobil- oder sonstige ArbeiterInnen, die sich die Knochen in der ach so modernen Arbeitswelt kaputt geschunden haben usw. usf. Wozu auch einen belegbaren Gedanken daran verschwenden, es geht ja lediglich darum, ein weiteres Mal soziale Errungenschaften zu zerschlagen.
Alternativen?
Daraus folgt umgekehrt, daß die "Rente mit 67" weg muss, und zwar ohne Wenn & Aber: Weg mit der Rente mit 67, Rente mit 60 ohne Rentenkürzung! Diese nicht nur von linken Gewerkschaftern gestellte Forderung auf Kosten der Profite erfolgreich durchzusetzen erscheint nach der durch reformistische "Kampfkonzepte" der Gewerkschaftsführungen und ihrer Parteigänger verursachten Niederlage bei der Einführung der "Rente mit 67" ebenso vermessen wie heute überhaupt das Kümmern um ureigenste (Klassen)Interessen von Demagogen für zumindest "phantastisch", "weltfremd", "undurchführbar", "nicht finanzierbar" usw. erklärt wird.
Sind es nicht die in eine Reformierbarkeit des Kapitalismus gesteckten Hoffnungen, die sich täglich als "phantastisch", "weltfremd", "undurchführbar", "nicht finanzierbar" erweisen?