Aufruf der FAU-Hannover zum 1.Mai
Noch immer geistert die Krise durch Europa – im Norden noch Gespenst, im Süden bereits handfeste Enteignung. Während Griechenland schon beinahe wieder in Vergessenheit gerät, erreichen uns neue Nachrichten einer möglichen Zahlungsunfähigkeit Zyperns. Dass in Südeuropa Massenarmut für die Menschen zum bitteren Alltag geworden ist, flammt hierzulande nur am Rande auf. Stattdessen diskutieren Politik und Medien über Rettungspakete für Banken und rigide Sparmaßnahmen für die vermeintlich Sündigen.
Das Szenario ist immer das Gleiche : Wir sollen uns doch alle
zusammenreißen, sparen und noch ein bisschen härter arbeiten, dann ließe
sich die Krise gerade noch einmal abwenden. Die allgegenwärtige
Krisenstimmung löst Angst aus, und wer Angst hat, lässt sich leichter
beeinflussen und kontrollieren. Konkret bedeutet das: prekäre
Beschäftigung, geringe Löhne und Abbau von Sozialleistungen. Auch die
Standortlogik des DGB macht sich die Angst der Menschen um ihr Einkommen
zu Nutze. Da sollen Arbeitsplätze im Standort Deutschland gesichert und
lieber in anderen Ländern abgebaut werden, anstatt sich über Grenzen
hinweg zu solidarisieren und zusammen gegen die Ausbeutung zu kämpfen.
Selbst die schlechten Bedingungen in der Leiharbeit lassen sich noch
unterbieten. Die Enthüllungen bei amazon brachten Schockierendes ans
Tageslicht: Die Arbeitsbedingungen der SaisonarbeiterInnen dort sind so
miserabel, dass sie bereits als „nur Millimeter vom Arbeitslager“
entfernt bezeichnet wurden. Und die Menschen machen es mit. Durch die
Krisenpolitik sind sie zu eingeschüchtert, um sich zu wehren. Sie haben
Angst, selbst diese beschissene Möglichkeit zu verlieren, Geld zu
bekommen. Die Alternative von Armut, war schon immer Elend.
Doch diese Politik der Angst und Repression wollen wir nicht hinnehmen!
Wir lassen uns gegen die Menschen in den anderen Ländern Europas nicht
ausspielen! Und auch nicht gegen unsere KollegInnen hier vor Ort.
Wir brauchen keine Arbeit, wir brauchen nur den Lohn
Die Bundesregierung versucht uns schon einmal auf die Bundestagswahlen
einzustimmen, indem sie uns die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der
Wiedervereinigung verkaufen will. Was jedoch nicht in den Statistiken
auftaucht, ist das Sinken der Reallöhne und der immer höhere Anteil von
prekärer Beschäftigung. Allein etwa 8 Millionen ArbeitnehmerInnen sind
im Niedriglohnsektor beschäftigt.(1) In der Praxis müssen viele von uns
gleich zwei Minijobs annehmen, um über die Runden zu kommen, bis ins
hohe Alter schuften oder sich mit Stundenlöhnen von weit unter zehn Euro
netto begnügen. Obwohl die Arbeitsbedingungen derartig schlecht sind,
nehmen wir sie doch an, weil der Druck der Ämter wächst und
Sozialleistungen zusammengestrichen werden. Hinzu kommt, dass die
Reallöhne seit 1993 insgesamt gefallen sind. Aber nicht alle haben
weniger. Während die Lohnquote beständig abnimmt, steigt gleichzeitig
die Gewinnquote, also die Einnahmen aus Aktien, Zinsen, Mieten und
unternehmerischer Tätigkeit, immer mehr an.(2)
Wir haben kein Problem mit Sanierung - wir haben ein Problem mit der Miete
Als würde es nicht reichen, dass wir immer weniger Geld haben, müssen
wir auch prozentual immer mehr für elementare menschliche Bedürfnisse
wie das Wohnen ausgeben. In Hannover erhöhte sich 2012 die
Durchschnittsmiete für Neubauten um knapp einen Euro pro Quadratmeter,
auch die Mietpreise für Altbauwohnungen stiegen an.(3) Davon sind nicht
nur die innenstadtnahen, attraktiven Viertel betroffen, sondern nahezu
alle Stadtteile. Dennoch werden im Zuge der großflächigen Aufwertungen
und Sanierungen, wie sie zum Beispiel in der Nordstadt oder in
Linden-Nord stattfinden, einkommensschwache Menschen an die Stadtränder
verdrängt und marginalisiert. Die Möglichkeit, in einer sanierten,
energietechnisch modernen und zentral gelegenen Wohnung zu wohnen,
sollte nicht vom Mietpreis abhängen, sie ist das Recht aller Menschen.
Deshalb fordern wir sanierte Wohnungen für alle und sagen
Immobilienspekulation und Mietwucher den Kampf an!
Widerstand beginnt in Job, Wohnung und Alltag
Während die Mieten in der BRD „nur“ steigen, explodieren die
Lebenshaltungskosten in Ländern wie Spanien oder Griechenland geradezu.
Die sozialen Kämpfe und der Widerstand, den die Menschen dort gegen die
sich verschlechternden Lebensbedingungen führen, verdeutlicht, wie stark
wir sein können, wenn wir uns gemeinsam selbst organisieren. Beispiele
sind die spanische Generalstreiksbewegung vom 29. März und 14. November
2012, Aktionen gegen Zwangsräumungen, die Besetzung des Stahlwerks von
Thessaloniki oder die Gründung von Gesundheitskollektive in
Griechenland.
Doch wir wollen nicht nur solidarisch mit den emanzipatorischen
Bewegungen in Südeuropa sein. Wir müssen auch hier vor Ort etwas
bewegen, das über die sozialpartnerschaftlichen Forderungen des DGB nach
„guter Arbeit zu gutem Lohn“ hinausgeht. Unser Widerstand muss im
Kleinen und Alltäglichen beginnen: Indem wir uns mit unseren
NachbarInnen, die von Mieterhöhung betroffen sind, solidarisieren und
bei Zwangsräumungen Polizei und GerichtsvollzieherInnen erst gar nicht
ins Haus lassen. Indem wir uns im Job nicht gegen unsere KollegInnen
ausspielen lassen und stattdessen gemeinsam mit LeiharbeiterInnen,
Arbeitslosen, Auszubildenden und Studierenden für die Rechte aller
kämpfen.
Indem wir die Menschen, die momentan in Europa und weltweit vor
ökonomischen und politischen Krisen in die BRD fliehen, nicht als unsere
Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt betrachten, sondern sie in ihrem Kampf
um ein würdiges Leben unterstützen. Indem wir uns gegen die ungleichen
Einkommen von Männern und Frauen stellen und gleichen Lohn für alle,
ganz gleich welchen Geschlechts, fordern.
Holen wir uns zurück, was uns sowieso gehört
Dividende von Aktien und Rendite von Vermögen entsteht nicht aus dem
Nichts. Die Gewinne sind der Lohn, der uns nicht ausgezahlt wurde; das
Arbeitslosengeld, das uns gekürzt wurde; der kleine Laden, der Pleite
gegangen ist; die Miete, die wieder erhöht wurde; die Schule, die wieder
nicht renoviert wird.
Wenn wir uns unserer Angst vor den Konsequenzen und den Strafen stellen
und uns gegenseitig helfen, dann beginnt zwar nicht das Paradies – die
gerechte Gesellschaft in der alle nach ihren Interessen und Fähigkeiten
frei und gleichberechtigt sein können – aber wir können uns auf den Weg
machen, es zu finden.
Sagt Ja zum Nein!
Beteiligt euch am Sozialrevolutionären Block auf der 1.Mai-Demo des DGB
Auftakt 9:00 Uhr - Abmarsch 10:00 Uhr (pünktlich!)
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(1) Süddeutsche Zeitung: Von der Leyen schließt die Schere. Armutsbericht der Bundesregierung. 06.03.2013
(2) Oliver Nachtwey: Im Paternoster nach unten. In: Der Freitag, 25.07.2012
(3) Andreas Schinkel: Mieten in Hannover werden deutlich teurer. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 20.02.2013