Schüler-Burschenschaften: Die jungen Gestrigen

Erstveröffentlicht: 
07.04.2013

Sie treten zu Säbelduellen an, sie preisen Ehre und Vaterland, sie sind die Hoffnung der überalterten Burschenschaften: In Schülerverbindungen lernen schon Minderjährige die archaischen Rituale und völkische Ideologie der Szene kennen. Politiker warnen vor einer Radikalisierung der Jugend.

 

Von Oliver Trenkamp

 

"Mach was aus Deiner Jugend!", steht auf dem Faltblatt. Das Foto über dem Schriftzug zeigt gut zwei Dutzend Männer und Jungs, einige mit freiem Oberkörper, die stramm stehen unter schwarz-rot-goldenen Fahnen. Der Allgemeine Pennälerring (APR) wirbt so um neue Mitglieder, laut Selbstdarstellung ein "Zusammenschluss von nationalfreiheitlichen Schülerverbindungen". Auf der Facebook-Seite ist auch von "wehrhaften Pennalkorporationen" zu lesen.

 

Was Schüler nach APR-Meinung aus ihrer Jugend machen sollen, wird schnell deutlich, wenn man sich das Weltbild und die Rituale der Mitgliedsverbindungen anschaut. Da ist etwa die Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg und die Gymnasiale Burschenschaft Germania Kiel, die am Samstag zur "Hatz" einluden - einer Veranstaltung, bei der die "pennale Mensur" stattfindet: Schüler treten mit stumpfen Säbeln und nackten Oberkörpern gegeneinander an. Ein "stern"-Reporter hat vor Jahren ein solches Duell beobachtet: "Und so dreschen die Kombatanten aufeinander ein, schlagen Hiebe, die 'Prim', 'Terz' oder 'Quart' heißen, bis die Oberkörper übersät sind von roten Striemen und blutenden Platzwunden."

 

Alarmierender noch als diese Rituale ist die völkische und teilweise rechtsextreme Ideologie, die in der Szene wabert. Der Hamburger Verfassungsschutz stufte die Chattia Friedberg als rechtsextrem ein und stellte sie unter Beobachtung, die Fachinformationsstelle Rechtsextremismus in München warnt: Schülerverbindungen seien "erfolgreiche Vorfeldorganisationen" auch für völkische Burschenschaften.

 

"Radikalisierung beim burschenschaftlichen Nachwuchs"


Bildungspolitiker im Bundestag zeigen sich schockiert über die jungen Gestrigen - und warnen vor einer Radikalisierung der Jugend. "Ich bin sehr besorgt über diese Entwicklung", sagt Swen Schulz, hochschulpolitischer Sprecher der SPD. "Schüler sind häufig leichter verführbar - und das wissen auch Extremisten." Seine Kollegin Nicole Gohlke, Die Linke, warnt: "Die Radikalisierung beim burschenschaftlichen Nachwuchs und den Schüler-Burschenschaften muss alarmieren." Sie fordert von der Bundesregierung eine klarere Haltung zum Thema Burschenschaften und Rechtsextremismus.

 

Erst vor wenigen Monaten hatte die Regierung eine Linken-Anfrage beschwichtigend beantwortet: Es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Dachverband der "Deutschen Burschenschaft Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind". Dabei hatten sich in eben jenem Dachverband gerade die völkischen Ideologen durchgesetzt. "Die Dominanz der Rechtsextremen" sei mehr als offenkundig, sagt die Abgeordnete, "die Bundesregierung ignoriert diese Tatsache dennoch beharrlich."

 

Der APR hat zwar nach eigenen Angaben nur 300 Mitglieder, doch deutschlandweit wird die Zahl der Schülerverbindungen auf 150 geschätzt. Viele sind weit weniger stabil als die studentischen Verbindungen, manche lösen sich nach der Schulzeit auf. Dennoch ruhen auf ihnen die Hoffnungen der traditionellen Burschenschaften - denn die sind überaltert und müssen um Nachwuchs bangen, wie interne Papiere offenbarten. So gewährten die Burschenschaften den Schülern oft Zugang zu ihren Häusern und unterstützten sie organisatorisch, heißt es bei der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus.

 

Rekrutiert werden "männliche Jugendliche, welche die Hochschulreife anstreben", wie es im APR-Faltblatt heißt, einmal im Jahr treffen sie sich mit Gleichgesinnten beim "Pennälertag". Auch im Netz und bei Facebook werben die Schüler-Burschenschaften, die Einladung zur Hatz in Hamburg etwa war öffentlich. Laut Verfassungsschutz müssen die Gymnasiasten mindestens 16 Jahre alt sein, die bei der Chattia Friedberg mitmachen wollen.

 

Wenn es läuft wie vorgesehen, mündet die Mitgliedschaft bei einer Schülerverbindung in der Mitgliedschaft bei einer Burschenschaft. Das zeigt aktuell auch der Fall eines Sozialstaatssekretärs in Berlin, über den die Hauptstadtzeitungen berichten. Der Mann sagt sich demnach trotz vehementer Kritik nicht los von seiner Schülerverbindung und seiner Burschenschaft, deren Haus in der Szene auch "braune Wolfsschanze aus Zehlendorf" genannt wird, wie zuletzt die "Berliner Zeitung" schrieb.