Die schon von ganzen Asylbewerber-Generationen artikulierte Kritik an der Lebensmittelversorgung findet kein Ende. Weil sich nichts ändert, haben Flüchtlinge nun in Form einer öffentlichen Demo vor dem Landratsamt auf ihre als misslich empfundene Lage aufmerksam gemacht.
Um die 30 im staatlichen Übergangswohnheim einquartierte Asylbewerber marschierten gestern vormittag von der Walther-Wolf-Straße vor das Tor des Heidenheimer Landratsamtes. Der Auftritt war ordnungsgemäß als Demo angemeldet, und so wurde die ganz ohne Plakate und Trillerpfeifen anrückende Schar denn vor Ort zunächst von zwei fotografierenden Polizisten empfangen. Viel öffentlich-rechtliche Für- und Vorsorge, doch Grund zum Einschreiten gab es nicht. Die Lage blieb ausgesprochen friedlich und entspannt, auch als sich ein Vertreter der Kreisbehörde spontan den Beschwerdeführern stellte, um persönlich Kenntnis von dem sehr sachlich vorgetragenen Anliegen zu nehmen.
Lebensmittel immer kurz vorm Ablaufdatum
Um was es ihnen geht, haben die aus mehreren Ländern stammenden Asylbewerber auch in einem englischsprachigen Brief festgehalten, den sie gestern vor Ort an Sozialdezernent Anton Dauser übergaben. In diesem darüber hinaus an Landrat Thomas Reinhardt und alle Mitglieder des Kreistags gerichteten Schreiben bemängeln sie in erster Linie die Qualität der Lebensmittel, die ihnen zweimal pro Woche von einer Gmünder Firma im Auftrag des Landkreises angeliefert werden. Im Gespräch machten sie geltend, dass immer wieder kurz vorm Ablauf des Haltbarkeitsdatums stehende Nahrungsmittel in den Essenspaketen seien, und zum Beweis hatten sie Brot und beim Transport zerbrochene Eier mitgebracht. Zudem reklamierten sie Mineralwasser, das nicht zuletzt die Mutter eines Kleinkindes untersucht haben will, weil sie verdächtige Partikel in den Flaschen entdeckt hätten. Und: Einseitig sei das für sie in Schwäbisch Gmünd zusammengestellte Essen, vieles entspreche nicht den kulturellen Bedürfnissen der aus gänzlich verschiedenen Herkunftsländern stammenden Menschen.
Am liebsten wären die gegenwärtig 180 in der Heidenheimer Sammelunterkunft lebenden Menschen für ihr Essen selbst verantwortlich. Dies gilt auch für die zweimal im Jahr ausgegebene Sommer- und Winterkleidung. Sie sei in einem schlechten Zustand und werde nicht immer in der benötigten Größe ausgegeben. „Was nicht passt, muss umgeschlagen oder mit einem Gürtel passend gemacht werden,“ schildert eine Beobachterin gegenüber der HZ und nennt auch ein Preisbeispiel. Demnach kostet eine Jeans bei dieser Kleiderverteilung knapp 18 Euro. Einzelpersonen erhalten neben den Sachleistungen im Monat ein Taschengeld von 137 Euro.
Bitten "demütig", die Probleme zu lösen
Mit ihrer schriftlich formulierten Eingabe wollen die Asylbewerber ausdrücklich keine Probleme machen, möchten aber gehört werden und bitten „demütig“, über die geschilderten Probleme nachzudenken und sie zu lösen. Außerdem fragen sie Landrat Reinhardt höflich nach seiner Bereitschaft, eine aus Vertretern unterschiedlicher Nationalitäten bestehende Delegation zu einem Gespräch zu empfangen.
Wie sich der Landrat entscheiden wird, ist noch nicht bekannt. Sein Sozialdezernent immerhin vermochte den Asylbewerbern an Ort und Stelle in einem Punkt rasche Abhilfe zu versprechen. So will er die Kritik an der Qualität der Lebensmittel sofort aufgreifen, unverzüglich Kontakt mit dem vom Landkreis beauftragten Lieferanten aufnehmen und für Kontrollen sorgen. Auch wolle man verstärkt auf die unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten achten, wobei Dauser in diesem Zusammenhang auf im Wohnheim ausliegende Bestelllisten verweist, mit denen die Auswahl der Nahrungsmittel mitbestimmt werden könne. Was einer der HZ geschilderten Beobachtung zufolge indes nicht immer zum gewünschten Erfolg führt: „Habe mit eigenen Augen gesehen, dass Obst angekreuzt war und eine Pflaume ausgegeben wurde.“
Sozialdezernent signalisiert teilweises Entgegenkommen
Dausers Angaben zufolge war man bereits in der Vergangenheit seitens der Wohnheimleitung durchaus bemüht, die Geschmacksrichtungen der einzelnen Bevölkerungsgruppen herauszufinden. „Einzig die Pakistani haben davon Gebrauch gemacht und eine Liste vorgelegt,“ so der Dezernent, der darüber hinaus versichert, dass alle der bei der Kleiderverteilung ausgegebenen Textilien fabrikneu sind und in allen benötigten Größen vorrätig sind.
Einem weiteren von den Asylbewerbern geschilderten Problem will und wird der Landkreis nicht abhelfen können. Es geht um die monatlich bei 50 bis 60 Euro liegende Eigenbeteiligung für die bei Asylbewerbern stark nachgefragten Sprachkurse. Die Kreisverwaltung schießt hier nach eigenen Angaben bereits 50 Prozent der Kosten in Form einer freiwilligen Leistung zu.
Zunächst aber weiter Festhalten am Sachleistungsprinzip
Und last but not least wird es bis auf weiteres auch bei der von Asylbewerbern unbeliebten Praxis der Sachleistung bleiben. „Wir werden hier in Heidenheim keinen Sonderweg gehen,“ sagte es Anton Dauser gestern den demonstrierenden Flüchtlingen unmissverständlich, stellt aber für den Fall eine Änderung in Aussicht, wenn sich bei der Landeslinie ein Schwenk in Richtung Bargeldauszahlung ergeben sollte. Konkret werden die Sozialdezernenten des Bereichs Württemberg-Hohenzollern diese Frage demnächst bei einer Konferenz besprechen. Den Asylbewerbern bot Dauser an, sie im Anschluss an dieses Treffen über den aktuellen Sachstand der Diskussion zu informieren.