Aufruf des Bündnis gegen Abschiebungen zu den Protestaktionen gegen Kriminalisierung von Migrant_innen und rassistische Hetze der Neofaschisten am 16.02.2012 in Mannheim
Keine Kriminalisierung von Migrant_innen - Der rassistischen Hetze entgegen treten!
Seit Monaten werden in Mannheim und in anderen Städten - z. B. in Duisburg – Ängste in der Mehrheitsbevölkerung geschürt. Angeblich würde der soziale Friede - den es im Kapitalismus nicht gibt - durch Einwander_innen aus Osteuropa, vor allem aus Rumänien und Bulgarien empfindlich gestört. Diese Vorwürfe sind verlogen und verzerren die tatsächliche Situation.
Wir leben schließlich in einem der reichsten Länder. Es sind insgesamt höchstens einige zehntausend aus dieser Region, die hier eine Perspektive zum Überleben und Leben sich erhoffen. Das müsste problemlos wirtschaftlich und sozial verkraftbar sein.
Im „Mannheimer Morgen“ vom 12.12.2012 ist zu lesen, dass im Jahre 2006 aus Rumänien und Bulgarien 1635 Menschen als „ Zuwanderer“ gemeldet gewesen seien – in welchem Zeitraum die Menschen hierher kamen wird nicht genannt. Die Zahl der Zuwanderer sei bis 2012 auf über 6000 angestiegen. Dies stellt die Stadt angeblich vor „große Herausforderungen“. Weil im vergangenen Jahr fast 200 Menschen monatlich in die 3 Stadtteile Mannheims Innenstadt, Jungbusch und Neckarstadt mit einer Einwohnerzahl von 55.000 Menschen eingewandert sind, ist für den Mannheimer Morgen schon ein angeblich „brisantes Thema“ entstanden. Weiter heißt es, die öffentliche Ordnung sei durch die Zuwanderung bedroht.
Ein SPD-Stadtrat erklärte kämpferisch: „Wir dürfen uns die Neckarstadt nicht kaputtmachen lassen“. Es wurden Plakate mit der Aufschrift „Ordnung und Sicherheit“ im Stadtteil Neckarstadt-West verbreitet und mehr Polizei von der Landesregierung angefordert.
Eine ganz ähnliche Entwicklung fand in Duisburg statt. Auch hier sind durch die Zuwanderung von mehr als 5000 Menschen, die als „osteuropäische Armutsflüchtlinge“ bezeichnet werden, angeblich „große soziale Probleme“ entstanden. Die „Zahl der Straftaten solcher Armutsflüchtlinge“ steige dort.
Die Nachweise hierzu fehlen völlig. Zu fragen ist: Ist Armut die Ursache von Kriminalität und was ist mit dem Reichtum? Das medial geschürte Gerücht begünstigte das rassistische Klima: „Im bürgerlichen Duisburg-Bergheim sorgt das „Roma-Hochhaus“, das von Menschen aus Rumänien bewohnt wird, für Unruhe. Anwohner wehren sich mit einer Unterschriftenaktion“ (WAZ, 11.09.2012).
Im Kapitalismus werden Menschen nach ihrer Verwertbarkeit eingestuft und entsprechend behandelt. Notfalls werden die Armen zu Sündenböcken gemacht. Es wird so getan, als wären sie für das gesamte Elend und die Widersprüche in der Gesellschaft verantwortlich. Dass die Neo-Faschisten jetzt auf diesen Zug aufspringen und Morgenluft wittern, passt zu ihrem chauvinistischen und rassistischen „rein-deutschen“ Weltbild. Ihnen keinen Fußbreit lassen, heißt die Parole.
Doch ihnen muss auch der Nährboden entzogen werden! Die grundlegenden gesellschaftlichen Strukturen, in denen sie gedeihen und groß werden, müssen radikal abgeschafft werden.
Gerade in Krisenzeiten, die wir schon seit Jahren haben, werden die Risse im System größer und die Mittel der Krisenbewältigung werden immer unmenschlicher, geht es doch hauptsächlich um die maximale Verwertung des Kapitals. Es wird auf die verstärkt eingedroschen, die schon in ruhigeren Zeiten an den Rand der Gesellschaft gedrängt waren. Das erklärt die gewaltige Zunahme des Antiziganismus in ehemaligen staatssozialistischen, jetzt kapitalistischen Ländern wie Rumänien und Bulgarien, aber auch in den reichen Ländern wie in Deutschland. Dieses hatte durch seine Beteiligung am Natokrieg gegen Jugoslawien wesentlich die Fluchtursachen von Menschen aus diesem Land mitgeschaffen.
Roma, die hier seit Jahren leben, werden nun schon seit Monaten gewaltsam und in größerer Zahl wieder in ihr Herkunftsland abgeschoben - ohne Perspektive, oft ohne Aussicht eine Wohnung oder eine Arbeit zu finden. Dort angekommen, werden die Menschen vielfach erneut diskriminiert und auch verfolgt von den jetzigen Machthabern und der Mehrheitsbevölkerung, vor denen sie im Krieg geflohen waren.
Und dies alles trotz des Genozids durch den deutschen Faschismus an einer halben Million Roma vor 70 Jahren.
Die Verwerfungen gerade in den früheren staatssozialistischen Ländern haben hier lebende Angehörige von Minderheitengruppen in große Existenznot gebracht. Die Profiteure des beschleunigten Niedergangs von dort sitzen hier und sie haben nichts Besseres zu tun als „Kerneuropa“ abzuschotten. Das Motto ist: Profit machen und absahnen um jeden Preis, aber dann den in Not geratenen Menschen, die hier überleben wollen, die kalte Schulter zeigen und sie der Kriminalität beschuldigen.
In Mannheim wurde mit völlig überhöhten Wuchermieten bei den jetzt angefeindeten Einwanderern kräftig Kasse gemacht. Aber Mietspekulanten geraten nicht so schnell und erst recht nicht über längere Zeit ins Visier der Medien. Wenn dies doch geschieht, wird schnell zur Tagesordnung übergegangen.
Die Kriminalität im angeblichen „Problemstadtteil“ Jungbusch soll seit 2007 nach Angaben eines höheren Polizeibeamten gar nicht gestiegen sein. Ist die herbei geredete oder auch gefühlte Bedrohung durch die Migration vielleicht eher ein Phantom? Über die Ursachen für die Not der hierher migrierenden Menschen wird wenig berichtet. Auch die Tatsache, dass Menschen aus Osteuropa inzwischen als neue EU-Bürger-Innen zu uns reisen können, aber erst ab 2014 in Deutschland und in den anderen „alten“ EU-Ländern arbeiten dürfen, ist kaum bekannt.
Fakt ist: Ein vereintes Europa ist auch ohne Grenzen weiter ein geteiltes, so lange der Kapitalismus in ihm nicht abgeschafft ist. Gesellschaftlich geteilt ist eine kapitalistische Gesellschaft deswegen, weil der Mehrheit der Habenichtse, die nur ihre Arbeitskraft besitzen, die schmale Klasse der Produktionsmittelbesitzer gegenübersteht. In einer solchen Gesellschaft, die derzeit fast den gesamten Globus prägt, ist das Wechselspiel von Armut und Reichtum die Norm. Der Gegensatz ist ein struktureller, und mal mehr und mal weniger ausgeprägt.
Migration nimmt auffällig zu, wenn das Armutsgefälle wächst. Aus Deutschland sind im 19. Jh. und im Faschismus viele Menschen aus wirtschaftlichen Gründen und wegen politischer Verfolgung in die USA ausgewandert, auch aus Irland mussten Jahrhunderte lang Menschen in andere Länder, auch häufig in die USA auswandern, wenn sie auch nur eine kleine Chance zum Überleben nutzen wollten.
Es ist infam, Armutsflüchtlinge und vom Rassismus verfolgte Menschen zu diffamieren. Migration ist für die meisten Menschen, die ihr Herkunftsland verlassen, eine schwere Entscheidung - häufig in einer Situation der höchsten Gefahr.
Die Ursachen der Migration finden wir in der Gesellschaft, in der wir leben. Ebenso die Gründe für die Existenz von Rassismus und Faschismus. Die Neo-Faschisten entschieden bekämpfen und die Analyse, warum es sie gibt, vorantreiben und daraus die fälligen Konsequenzen ziehen, ist angesagt.
Hierbei sollte beachtet werden: Wer von Rassismus und Faschismus redet, sollte vom Kapitalismus nicht schweigen. Denn das ist der Schoß, der immer noch fruchtbar ist!
Kapitalismus führt zum Faschismus, Kapitalismus muß weg!
Bündnis gegen Abschiebungen (BgA) Mannheim
Info: buendnisgegenabschiebungenmannheim.com
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