Kurz vor dem Neonazigroßaufmarsch am morgigen Samstag hat in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt das »Katz- und Mausspiel« begonnen. Die Hinweise verdichten sich, daß die Polizei die alljährliche Provokation, mit der die Rechten geschichtsverfälschend der Bombardierung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg »gedenken«, kurzfristig räumlich verlegen will. Und zwar in städtische Randgebiete östlich der Elbe, also nach Cracau, Herrenkrug oder Brückfeld. Grund könnte die erfolgversprechende bundesweite Mobilisierung des Bündnisses »Magdeburg Nazifrei« zu Massenblockaden sein.
Zwar orientieren die Neofaschisten derzeit noch zum Magdeburger Hauptbahnhof, von wo der Aufmarsch um 12 Uhr starten sollte. Das Bündnis glaubt allerdings nicht mehr daran. Seine Vorahnungen speisen sich einerseits aus der »Geheimniskrämerei der Polizei«, zum anderen aus Andeutungen, die der verantwortliche Kommunalbeigeordnete Holger Platz (SPD) kürzlich gemacht haben soll. Platz habe angemerkt, der Aufmarsch werde in einem Stadtteil stattfinden, »in dem die Nazis noch nie marschiert sind«, sagte am Donnerstag ein Sprecher von »Magdeburg Nazifrei« gegenüber jW. Mehr habe Platz aber nicht verraten. Für jW war der Beigeordnete am Donnerstag nicht zu erreichen.
Auch bei der Polizei hält man sich bedeckt. »Über die tatsächliche Aufmarschroute darf ich wegen der öffentlichen Sicherheit nichts bekanntgeben«, sagte Beatrix Mertens, Sprecherin der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord, am Donnerstag auf jW-Nachfrage. Sie verriet jedoch, »daß wir mehr als 15 Hundertschaften aus zehn Bundesländern einsetzen werden, um die Lager voneinander zu trennen«. In einer Pressemitteilung vom Mittwoch kündigt die Polizei »mögliche Behinderungen beim öffentlichen Nahverkehr« sowie »Straßensperren und Personenkontrollen« an. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sagte am Donnerstag der Mitteldeutschen Zeitung, er werde Wasserwerfer bereitstellen und eine Reiterstaffel einsetzen. Er warnte zudem vor »700 gewaltbereiten Linksextremisten«.
Das Bündnis »Magdeburg Nazifrei« rechnet »mit der aus Dresden bekannten Polizeitaktik, die Elbe als natürliche Barriere zwischen Neonazis und Antifaschisten zu nutzen«. Der Sprecher sagte, vermutlich würden »die Brücken gesperrt, um Blockierer daran zu hindern, von ihrem Recht auf zivilen Ungehorsam Gebrauch zu machen«. Dennoch: Falls der Aufmarsch nicht in der Innenstadt stattfinde, wäre für »Magdeburg Nazifrei« schon »ein erstes Zwischenziel erreicht«. Das Bündnis hat bereits darauf reagiert und den Treffpunkt am Samstag um neun Uhr auf den Jerichower Platz in der Nähe des Nautica-Schwimmbades – angepeilt war zunächst der Hauptbahnhof – verlegt. Zugreisende gelangen dort vom Bahnhof Neustadt aus hin, und zwar über den Universitätsplatz Richtung Elbbrücke bis Herrenkrugstraße, dann links bis zur Kreuzung Jerichower Straße. Kurzfristige Änderungen sind aber möglich und werden auf der Internetseite des Bündnisses (siehe unten) zusammen mit einer Karte veröffentlicht.
»Magdeburg Nazifrei« empfiehlt die Anreise per Bus und hat dafür eine Busbörse eingerichtet. Darüber hinaus soll es Infotelefonnummern geben, über die auch Sanitäter erreichbar sein sollen. Auch die Lage der einzelnen Blockadepunkte würde rechtzeitig veröffentlicht.