Mordserie. Der CDU-Mann im Untersuchungsausschuss sieht noch Fragen offen. Sein Stuttgarter Parteikollege reagiert verärgert.
Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg sieht sich wegen der Pannen im Fall der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle von der Politik zu Unrecht in Mithaftung genommen. Obwohl es im Südwesten anders als etwa in Thüringen keine gravierenden Fehler gegeben habe, stehe man ebenfalls unter massivem Reformdruck, hieß es aus der Stuttgarter Behörde. 'Es ist ein massiver Frust bei den Mitarbeitern da. Der Vorwurf, auf dem rechten Auge blind zu sein, ist niederträchtig und bitter', sagte ein Verfassungsschützer, der namentlich nicht genannt werden will, der Nachrichtenagentur dpa.
Aus Sicht des CDU-Obmanns des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Clemens Binninger, müssen die Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg einige Fragen klären. So habe die Polizei nach dem Mord an der Polizistin Michele Kiesewetter in Heilbronn zwei Jahre verloren, weil sie in der sogenannten Wattestäbchen-Affäre ein Phantom suchte. Der Zwickauer Zelle werden die Morde an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft vorgeworfen.
Eine Panne leistete sich die Polizei laut Binninger auch nach der Ringfahndung im Anschluss an den Mord an Kieswetter. 'Obwohl ein Zeuge am Abend vor der Tat ein Wohnmobil an der Theresienwiese gesehen hatte, wurden die Kennzeichen von sechs bei der Ringfahndung festgestellten Wohnmobilen nicht überprüft', sagte Binninger. Der CDU-Politiker sprach sich dafür aus, in die anstehenden Reformen nicht nur den Verfassungsschutz, sondern auch Justiz und Polizei mit einzubeziehen.
Der Innenexperte der Landtags-CDU, Thomas Blenke, reagierte verärgert und empfahl Binninger, sich mit Ratschlägen zurückzuhalten. 'Ich halte es für nicht angebracht, die damals ermittelnden Polizisten so zu kritisieren und aus der Ferne Ratschläge zu geben.' Als früherer Polizist müsse Binninger eigentlich wissen, dass Spuren ausermittelt werden müssen. 'Der Vorwurf, es sei Zeit verplempert worden, geht an den Tatsachen vorbei.'
Blenke, sagte, er kenne zwar die neuesten Erkenntnisse des NSU-Ausschusses nicht, aber: 'Da weist nicht übermäßig viel nach Baden-Württemberg.' Dennoch müssten die Ereignisse behutsam aufgearbeitet werden. Er sprach sich erneut für eine stärkere parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes aus. 'Die Ratschläge von Herrn Binninger nehmen wir zur Kenntnis.'
Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lautensack, warnte 'jetzt nicht die ganz große Axt an der Sicherheitsarchitektur anzulegen'. Er ist sich sicher: 'Weder die Polizei noch der Verfassungsschutz sind auf dem rechten Auge blind. Es ist im Zusammenhang mit dem Mord an Michele Kiesewetter geradezu aberwitzig zu unterstellen, die Ermittler hätten nicht alles versucht, den heimtückischen Anschlag auf die beiden Kollegen aufzuklären.' Laut Lautensack gibt es Möglichkeiten zur Optimierung der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Sicherheitsbehörden bei Bund und Ländern.
Nach Binningers Überzeugung muss der NSU-Untersuchungsausschuss noch klären, wie stark der Bezug des Mördertrios nach Baden-Württemberg war. Der Ausschuss will daher eigene Nachforschungen zur Ku-Klux-Klan-Affäre in Baden-Württemberg anstellen. Binninger sagte, es gebe Hinweise auf Verbindungen zwischen dem rassistischen Geheimbund Ku-Klux-Klan und der rechtsextremen Terrorzelle NSU. So fand man im Adressbuch von Uwe Mundlos den Namen eines Mannes, der auch dem Ku-Klux-Klan Sektion Schwäbisch-Hall angehört hatte. Zeitweise hatten auch zwei Polizeibeamte aus Baden-Württemberg dieser Sektion angehört.