Die Stadtbau hat sich mit dem letzten Mieter eines Hauses in der Johann-Sebastian-Bach-Straße geeinigt. Der Mann zieht aus, das Haus kann abgerissen werden – zum Preis großer Zugeständnisse
Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Freiburger Stadtbau (FSB) hat für
den 66-Jährigen, der in dem letzten verbliebenen Gebäude einer
Häuserzeile mit insgesamt 97 Wohnungen ausharrte, eine Ersatzwohnung in
der Nähe gefunden und ihm ein Mietrecht auf Lebenszeit zugesichert.
Zudem richtet sie die neue Wohnung her und übernimmt die Umzugskosten.
Eine Räumungsklage der FSB hatte das Amtsgericht im November abgewiesen.
In der Johann-Sebastian-Bach-Straße im Musikerviertel baut die Stadtbau
auf der einen Seite 14 Reihenhäuser und auf der anderen 27
Mietwohnungen. Bis 2011 befanden sich dort in zwei Häuserzeilen 97
"Kleinrentnerwohnungen" aus den frühen 1950er Jahren – kleine Wohnungen
für ältere Menschen mit niedrigem Einkommen oder niedriger Rente. Bis
2009 war die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Generalvermieterin, danach trat die
FSB als Eigentümerin selbst als Vermieterin auf – und entschied sich
zum Abriss, da ihr eine Sanierung nicht rentabel erschien. In der Folge
zogen alle Mieter aus – bis auf den 66-jährigen Rentner Hermann Josef P.
Er wohnt seit langem für 140 Euro warm allein in Haus Nummer 32 in
einer Ein-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss. Das acht Wohnungen umfassende
Gebäude ist das einzige der Häuserzeile, das noch nicht abgerissen ist.
Eine Räumungsklage der FSB hatte das Amtsgericht abgewiesen. Die
Begründung: Eine Sanierung der alten Wohnungen wäre keineswegs so
unrentabel gewesen, dass eine Neubebauung wirtschaftlich zwingend war.
Dies hatte die FSB stets behauptet. Nach der abgewiesenen Räumungsklage
wollte FSB-Geschäftsführer Ralf Klausmann ursprünglich in Berufung
gehen, nun entschied sich die Stadtbau doch dagegen. Obwohl Klausmann
noch im November sagte, dass man nicht unter Zeitdruck stehe, war die
Zeitkomponente nun doch ausschlaggebend für die Einigung. Denn der Bau
der neuen Wohnungen kann nicht beginnen, bevor Hermann Josef P.
ausgezogen ist.
P. wollte unbedingt in Herdern bleiben, weil er dort die längste Zeit
seines Lebens wohnt. Die Stadtbau stellt ihm nun eine Wohnung aus ihrem
Bestand ganz in der Nähe in der Richard-Wagner-Straße zur Verfügung, und
zwar zu einem für ihn akzeptablen Mietpreis. Sein Anwalt Christian
Kuhn-Régnier ist zufrieden: "Das ist eine super Lösung." Das vereinbarte
Paket sei ordentlich, es zeige, wie sehr die Stadtbau unter Zeitdruck
stehe – so zahlt sie nicht nur die Sanierung, eine Einbauküche und den
Umzug, sondern auch eine kleine Entschädigung. Zudem hat sich P. für den
Fall, dass die Stadtbau das Haus in der Richard-Wagner-Straße verkauft
oder abreißen lässt, zusichern lassen, dass ihm eine andere Unterkunft
in Herdern zum selben Mietpreis zusteht, denn sein 2002 mit der AWO
geschlossener Mietvertrag enthielt den Passus: "Das Wohnungsunternehmen
wird von sich aus das Mietverhältnis grundsätzlich nicht auflösen."
Die Einigung muss das Gericht noch formal besiegeln. P.s Umzug ist in
einigen Wochen geplant. "Wir freuen uns, eine gute Lösung für alle
Beteiligten gefunden zu haben", sagt FSB-Sprecherin Annette Engelke. Und
Kuhn-Régnier lässt ausrichten, dass sein Mandant "super froh" sei. "Das
war für ihn eine harte Zeit."