Der Oberste Gerichtshof in Spanien hebt das Verbot der baskischen Tageszeitung und Radio Egin auf, spricht neun Menschen frei und senkt die Haftstrafen durchweg
Statt die Verbote gegen die baskische Tageszeitung und Radio Egin zu bestätigen, erklärte der spanische Oberste Gerichtshof das Vorgehen des Ermittlungsrichters Baltasar Garzón für illegal. Der Ermittlungsrichter, der sich weltweit als Verteidiger demokratischer Rechte aufführt, wie auch mit Anklage gegen den chilenischen Diktator Pinochet, ließ gleichzeitig 1998 die baskische Tageszeitung und Radio Egin (Machen) von der Polizei stürmen und schließen. Der Zeitung, dem Radio, dem Verlag, der Druckerei und den vielen Beschäftigten nützt es aber nichts mehr, dass nun der Oberste Gerichtshof in Madrid das Verbot des Nationalen Gerichtshofs kassierte. Das Sondergericht hatte nach Garzóns These im Dezember 2007 geurteilt, sie stünden im Dienst der Untergrundorganisation ETA. Der Beweis wurde nicht erbracht, urteilte der Oberste Gerichtshof nun. Hohe Haftstrafen wurden genauso aufgehoben, wie die "Einziehung und Auflösung des Vermögens", das längst wertlos ist.
Immer wieder wurde auf Telepolis darauf hingewiesen, dass die spanische Justiz keine Beweise für die Vorwürfe vorlegt, dass baskische Kommunikationsmedien im Dienst der ETA stehen. Aufgezeigt wurde auch, dass der schwere Eingriff in die Meinungsfreiheit von vielen Unregelmäßigkeiten gespickt sind, die wie im Fall der Egunkaria-Schließung bis hin zur Folter deren Journalisten reicht (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/14/14275/1.html). Statt schnell Beweise vorzulegen, verlängerte Garzón im Fall Egin die "geheimen Ermittlungen" ständig. Die antidemokratische Spezialität des Antiterrorgesetzes hebelt die Verteidigerrechte genauso aus, wie die Kommunikationssperre nach der Verhaftung, die zudem die Folter ermöglicht. Doch statt schnell zu Gericht zu sitzen, begann der Prozess erst sieben Jahre nach dem "vorläufigen Verbot".
Garzón hatte den Fall Egin in den Topf eines Massenprozesses mit 56 Angeklagte und etlichen Organisationen geworfen. Er trieb die These der spanischen Regierung voran, alle Organisationen der linken Unabhängigkeitsbewegung würden von der ETA geführt, die der Nationale Gerichtshof festklopfen wollte. Doch das ist gescheitert. Freigesprochen wurden auch die Mitglieder der Stiftung "Joxemi Zumalabe", die im Dienst der ETA zum zivilen Ungehorsam angestiftet haben sollen. Zwei Komplexe wurden schon aus der These gebrochen, dass die ETA über die "Koordination für eine Sozialistische Alternative" (KAS) die baskische Linke steuere, womit unzählige Verbote gerechtfertigt werden. Wie schwer sich Spanien damit tut, zeigt der Bericht auf der Titelseite von El País. Statt zu beklagen, dass Kommunikationsmedien mit fragwürdigen Argumenten in Spanien geschlossen werden, diffamierte gestern die größte Tageszeitung Egin auf der Titelseite als "Pro-ETA".
Von den 56 Angeklagten haben nun noch 37 Haftstrafen erhalten. Einige Gefangene kommen sofort frei, weil die reduzierten Strafen schon abgesessen sind. Drastisch fiel der Fall des Ex-Bürgermeisters von Bergara aus, denn José Luis Elkoro war zu 24 Jahren Haft verurteilt worden. Vom angeblichen ETA-Führer wurde er nun zum "Unterstützer" herabgestuft und erhielt acht Jahre Haft.
Der Oberste Gerichtshof hat aber die absurde These von Garzón noch nicht völlig zerschlagen. Weil KAS 1998 längst aufgelöst war, musste Garzón die Organisation EKIN (Aktion) zu deren Nachfolger stilisieren. Im fast 1100 Seiten umfassenden neuen Urteil heißt es weiterhin, "KAS und EKIN ergänzten die bewaffneten Aktivitäten" der ETA. Zwar wurde auch die Strafe von EKIN-Führungspersonen gesenkt, wie im Fall von Xabier Alegría aber von 18 nur auf fast 13 Jahre, womit er nun statt Elkoro die Höchststrafe erhielt.
Nun darf abgewartet werden, was das spanische Verfassungsgericht mit diesem Urteil macht und ob dort die angebliche Unterstützung der ETA von den Verurteilten ebenfalls gekippt wird. Das wird in Spanien sehr schwammig und breit angelegt. Letzte Woche überraschte das höchste Gericht und hob erstmals ein Verbot einer Wählerliste wieder auf. Die Regierung behauptete und bekam das von einem Sondergericht bestätigt, auch die spanische "Internationalistische Initiative - Solidarität der Völker" stehe im Dienst der ETA. Sie kann nun zu den Europaparlamentwahlen antreten. Würde das Verfassungsgericht diese Urteile des Obersten Gerichtshof aber bestätigen, bleibt noch der Gang zum Straßburger Menschenrechtsgerichtshof, der schon über Verbote im Baskenland verhandelt. Das Urteil gegen die Partei Batasuna (Einheit) steht unmittelbar bevor. Folgte der Gerichtshof den Urteilen gegen die Türkei, müsste das Verbot fallen. Die Türkei musste stets beweisen, dass die Partei Teil einer bewaffneten Organisation ist. Batasuna wurde aber nur verboten, weil sie die Anschläge der ETA nicht so verurteilt, wie es das neue Gesetz fordert. Dass dieser Beweis auch in dem Verfahren 18/98 nicht gelungen ist, da einzelne noch wegen Unterstützung verurteilt wurden, wird das auch bei Batasuna kaum gelingen.