„Das ist Rassismus pur“

Erstveröffentlicht: 
28.11.2012

Deutsche Burschenschaften

 

Die Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth spricht im Interview über den Streit der Burschenschaften und die Rolle führender Politiker in der Debatte um eine intensivere Beobachtung.

 

Von Felix Helbig

 

Beim Sondertreffen der Deutschen Burschenschaft in Stuttgart scheint der Flügelstreit entschieden worden zu sein. Während die einen aus der Gesellschaft herauswirken wollten, wie es hieß, stünde die Mehrheit im Kampf mit der Gesellschaft. Alexandra Kurth erklärt den Hintergrund der Auseinandersetzung.

 

Frau Kurth, was ist das für ein Kampf, den die Burschen führen?

 

Es ist ein Kampf gegen die westliche Demokratie. Das zeigt sich etwa im Antrag der Marburger Burschenschaft Rheinfranken zur Festlegung von Aufnahmekriterien, in dem das geltende Staatsangehörigkeitsrecht abgelehnt wird und der deutsche Pass nicht als hinreichendes Kriterium gilt, um Deutscher zu sein.

 

Ist denn die Debatte um ein Abstammungsprinzip an sich schon rassistisch?

 

Ja, es ist Rassismus pur. Deutsche Staatsangehörige sollen aufgrund ihrer Herkunft nicht als Deutsche gelten, stattdessen aber österreichische Staatsangehörige mit der „richtigen Abstammung“.

 

Aber das Abstammungsprinzip galt bis vor zehn Jahren auch in der Bundesrepublik, bis unter Rot-Grün das Staatsbürgerschaftsrecht geändert wurde.


Das ist richtig. Dieses Prinzip ist im 19. Jahrhundert in Abgrenzung zur französischen Willensnation entstanden. Das hat Rot-Grün geändert. Aber große Teile der Deutschen Burschenschaft akzeptieren das nicht, wobei man nicht vergessen darf, dass es auch nach dem alten Staatsangehörigkeitsrecht die Möglichkeit gab, Deutscher zu werden.

 

Die Bundesregierung scheint das nicht zu beunruhigen, für sie gibt es keine „hinreichenden Anhaltspunkte“ für Bestrebungen, die sich gegen die Verfassung richten. Werden die Burschen unterschätzt?

 

Dahinter steht meines Erachtens politisches Kalkül. Man möchte das Ausmaß des Rechtsextremismus im Verband nicht wahrhaben, weil sich ansonsten manche in der Union die Frage stellen müssten, inwieweit die eigene Mitgliedschaft in einer Burschenschaft mit den Grundsätzen der Union im Konflikt steht.

 

Wie relevant ist denn ein Dachverband, der nicht einmal mehr 100 Bünde vertritt?

 

Er ist relevant, weil Burschenschaften in den Universitätsstädten über eine Infrastruktur verfügen. Sie veranstalten Vorträge, führen politische Diskussionen und sind gut vernetzt in der demokratischen wie antidemokratischen politischen Rechten.

 

Funktionieren Burschenschaften noch als elitäre Netzwerke, die den Aufstieg befördern?

 

Glücklicherweise nicht mehr reibungslos. Da hat sich viel geändert. Die Zahl der Studenten ist gestiegen und damit die Konkurrenz. Doch nach wie vor betreiben eine Reihe von Burschenschaften erfolgreiches Networking.

 

Treten Burschenschaften überhaupt noch offensiv auf in Universitätsstädten wie Gießen oder Tübingen?

 

Das ist unterschiedlich. Manche verteilen Flyer, andere haben Schaukästen, werben in Schülerzeitungen mit Schnuppertagen oder sprechen Studenten persönlich an. Und was immer wichtiger wird bei wachsender Wohnungsnot: Sie werben mit günstigen Zimmern in ihren Verbindungshäusern. Rechte Burschenschaften werben um entsprechend politisierte Gymnasiasten in einschlägigen Publikationen.

 

Die liberaleren Bünde wollen das im Verband nun nicht mehr mittragen. Wie glaubhaft ist das? Und kann man diese Bünde überhaupt liberal nennen?

 

Im Sinne eines politischen Liberalismus sicher nicht. Die tatsächlich liberalen Burschenschaften sind schon in den 1990er-Jahren ausgetreten. Der Rest hält am volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff fest. Und der ist genau das Problem: Liberale Burschen definieren ihr Vaterland in den Grenzen der Bundesrepublik.

 

Das Gespräch führte Felix Helbig.