Angst essen Seele auf!

Foto: Refugee Protest March - Still on the Move!

Wie bereits berichtet, gibt es im Internet und Zeitungen eine Menge rassistischer Artikel und Kommentare über das Refugee-Camp bzw. den Refugee-March in Wien. Dabei gibt es vor allem 4 verschiedene Argumentationsmuster, die dabei immer wieder variiert werden, die ich im folgenden kurz vorstellen und widerlegen möchte.

 

1., Die Flüchtlinge sollen froh sein, dass sie hier sind und keine Forderungen stellen.

Ein sehr bequemes Argument, kann mensch sich doch in seinenRassismus noch gutmenschlich fühlen-repressive Toleranz. Wer sich auch nur ein bisschen mit der Situation von Asylwerber_innen beschäftigt, wer z.B. zum Camp kommt und dort mit Leuten quatscht, weiß, welcher Humbug dieses Argument ist. Isoliert und zum Nichtstun verdonnert in überfüllten Lagern in Angst vor einer jederzeit möglichen Abschiebung zu leben, ist wahrlich kein Honiglecken!

2., Vielen Österreicher_innen geht es schlechter.

Beispielsweise werden hier Obdachlose und Mindestpensionist_innen genannt. Ein unfaires Argument, da hier versucht wird, verschiedene marginalisierte Gruppen gegeneinander auszuspielen. Flüchtlinge sind nicht daran schuld, dass in einer der reichsten Städte der Welt viele Obdachlose gibt!

3., Die Forderungen sind abstrus.

Hier wird immer wieder die Forderung nach Gratis-Internet und TV mit SAT-Anlagen genannt. Hier fehlt der Blick fürs Wesentliche. Ohne Kontext macht z.B. diese Forderung wenig Sinn. Dahinter steckt jedoch das verständliche Bedürfnis, mit Familie, Freund_innen und Bekannte aus der Heimat in Kontakt zu bleiben.

4., Die Flüchtlinge werden von NGO´s/Aktivist*innen instrumentalisiert.

Dieses Argument kommt vor allem von Leuten, die sich bislang beharrlich geweigert haben, Asylwerber_innen als Menschen zu sehen. Dass es im Rahmen der jetzigen Proteste zu einer Artikulation und Selbstorganisation von Refugees kommt, dass diese Proteste von ihnen selbst initiiert wurde, beweist, dass die obige Aussage schlichtweg falsch ist. Im Zusammenhang mit diesem Argument fällt immer wieder das Wort "Asylindustrie". Diese Asylindustrie gibt es wirklich, wenn auch etwas anders als gedacht: Fluglinien, die an Abschiebungen verdienen, Wirt_innen, die Bruchbuden zu Flüchtlingsquartieren umfunktionieren, Arbeitgeber_innen, die Illegalisierten einen Dumpinglohn bezahlen,...

 

Mir fiel beim Schreiben dieses Artikels der Spruch von Fassbinder ein: "Angst essen Seele auf!". Ich sehe einen Zusammenhang zwischen dem massiven Shitstorm gegen das Refugee-Camp und den Auswirkungen der momentanen kapitalistischen Krise. Zwar sind in Wien relativ wenige Menschen ökonomisch von der Krise betroffen, jedoch ging vielen die Zuversicht verloren, auch in 20 Jahren noch auf der Sonnenseite des Lebens sein werden.

Die eigenen Abstiegsängste werden dabei auf jene projiziert, die nun um ein besseres Leben kämpfen. Verdrängt wird dabei auch, dass wir und deswegen auf der Sonnenseite befinden, weil andere Menschen, speziell im globalen Süden, ausgebeutet werden. Außerdem verunmöglicht die Angst Empathie, eine Grundvoraussetzung für Solidarität.

 

Im "echten Leben" am Camp merkt mensch von diesem Shitstorm sehr wenig, eher im Gegenteil. Viele Menschen zeigen sich solidarisch, so wurden z.B. Unmengen an Kleidungsstücke gespendet. Gestern gab es eine Solilkundgebung von Studis, an der sich 250 Menschen beteiligen, an der heutigen Antira-Demo nahmen kurzfristig 700-800 Menschen teil, selbst zum Schluss waren es noch mehr als 300. Vereinzelt solidarisieren sich auch Promis und politische Gruppen.

Leider geht auch die Repression weiter. Gestern wurden Menschen, die in Traiskirchen gegen einen FPÖ-Besuch im Lager demonstrierten, gefilzt. Schwerwiegender ist aber die behördliche Repression. 20-30 Aylwerber_innen, die sich am Samstag am March beteiligten, wurden nun in andere Quartiere weitab von Wien verlegt. Auch die außertourlichen Anwesenheitskontrollen gibt es weiterhin.

 

Zum Schluss noch Links:

Blog / Twitter des Refugee-Camps

Das Parlament hört nicht zu! (Bericht von der heutigen Demo)

Bericht vom Montag

Radiosendung mit Live-Schaltung vom Camp

Bericht Refugee-March + O-Töne Camp

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