Burschenschafter im Scheidungskrieg

Erstveröffentlicht: 
22.11.2012

Rechtsextreme gegen National-Liberale

 

Duell in Stuttgart: Auf dem Sonder-Burschentag steuert der Streit zwischen rechtsextremen und national-liberalen Burschenschaftern auf seinen Höhepunkt zu. Der Dachverband steht unmittelbar vor der Spaltung - und droht dadurch vollends zum völkischen Kampfbund zu werden.

 

Von Florian Diekmann und Oliver Trenkamp

 

Stramme Akademiker in schneidigen Uniformen, geschmückt mit den Farben ihres Bundes, die Fechtwaffe am Hosenbund, in Hingabe zur Heimat vereinigt im nächtlichen Fackelzug zum Burschenschaftsdenkmal in Eisenach, um dort das Lied der Deutschen zu singen, und zwar alle drei Strophen. So laufen Burschentage ab. Für gewöhnlich.

 

Doch von dieser Burschenherrlichkeit wird wenig zu spüren sein, wenn sich ab diesem Donnerstag rund 400 Abgesandte in Stuttgart zum außerordentlichen Burschentag versammeln. Wenn sich kein Wunder ereignet, wird dort die größte Spaltung besiegelt, die der Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) je erlebt hat: Bis zu 30 Bünde könnten austreten, weil sie sich mit Rassismus und Rechtsextremismus nicht mehr abfinden wollen. Bemerkenswert für einen Verband, der mittelbar 10.000 Burschenschafter beheimatet, darunter Spitzenpolitiker, bekannte Journalisten und einflussreiche Honoratioren.

 

Eigentlich gehören heftige Konflikte zum Selbstverständnis der Deutschen Burschenschaft, ihre Geschichte (siehe Kasten unten) zeugt davon: Ob es um Antisemitismus geht, um die Sehnsucht nach einem großdeutschen Reich oder um die Aufnahme von Zivildienstleistenden - stets konnten sich die Verfechter radikaler Lösungen durchsetzen. Einst konnten sie sich damit als Speerspitze sozialer Entwicklungen sehen. Doch in der pluralistischen, demokratischen Nachkriegsgesellschaft hinken sie ihrer Zeit meist hinterher, wenn sie nicht gerade in die entgegengesetzte Richtung marschieren, in die Vergangenheit.

 

Rechtsextreme gegen Liberal-Nationale: Wie der Bruderzwist eskalierte


Lange war davon nicht allzu viel mitzubekommen, in den verschwiegenen Männerbünden findet vieles hinter verschlossenen Türen statt. Doch in den vergangenen zwei Jahren ist der Machtkampf zwischen rechtsextremen und liberal-nationalen Burschenschaften in aller Öffentlichkeit eskaliert - und offenbarte, wie radikal das Gedankengut ist, das in weiten Teilen des Verbands vorherrscht, auch bei führenden Funktionären.

  • Da war der Streit um den "Ariernachweis": Die Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn wollte am Burschentag 2011 einen Bund wegen eines Mitglieds ausschließen lassen, dessen Eltern aus Hongkong stammen. Die Raczeks stützten sich auf ein Rechtsgutachten des Dachverbands, das nach Meinung selbst konservativer Staatsrechtler stark an die Nürnberger Rassegesetze des NS-Regimes erinnerte. Es kam zum Eklat, unter massivem öffentlichem Druck wurden die rassistischen Anträge zurückgezogen. Es war der letzte Erfolg des liberalen Lagers.
  • Es folgte der Streit um die Verunglimpfung des Theologen und Nazi-Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer: Der Burschenschafter Norbert Weidner, als "Schriftleiter" verantwortlich für die Verbandszeitung und damit maßgeblich für die politische Verortung des Verbands, hatte Bonhoeffer als Landesverräter bezeichnet und dessen Verurteilung "gerechtfertigt", "rein juristisch" natürlich. Bonhoeffer war während der NS-Diktatur hingerichtet worden. Das Amtsgericht Bonn erließ einen Strafbefehl wegen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Weidner - der sich bis Mitte der neunziger Jahre als militanter Rechtsextremist profiliert hatte - wehrt sich dagegen, im Januar soll es nun zum Prozess kommen.
  • Dann kam der Eklat beim Burschentag 2012: Nach der Bonhoeffer-Affäre suchten die Liberaleren den offenen Machtkampf. Weidner sollte per Kampfabstimmung abgewählt und die Rechtsextremen in ihre Schranken gewiesen werden. Doch die Liberaleren scheiterten knapp und zogen die Konsequenzen: Alle ihre Vertreter warfen ihre Ämter in der Verbandsspitze hin, der Burschentag musste abgebrochen werden.

Spätestens seit dem Desaster beim Burschentag ist klar, dass sich der Bruch zwischen den beiden großen Machtblöcken in der DB wohl nicht mehr kitten lässt: Auf der einen Seite steht die Burschenschaftliche Gemeinschaft (BG), ein seit 1961 bestehender Zusammenschluss von 45 Bünden, die strikt auf völkischen und damit implizit rassistischen Vorstellungen beharren. Sie sind so stark, dass gegen sie nicht entschieden werden kann. Als Gegengewicht formierten sich in diesem Frühjahr die lange Zeit zersplitterten liberal-nationalen Bünde zur Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ), die derzeit 25 Bünde umfasst.

 

Die Anträge, über die nun bis zum Wochenende in Stuttgart verhandelt werden soll, sind seit einigen Tagen auf einer Website linker Aktivisten zu lesen. Sie verdeutlichen die verhärteten Fronten: IBZ-Bünde fordern den Ausschluss einflussreicher Burschenschaften des rechtsextremen Lagers, darunter die Bonner Raczeks und mit der Münchner Danubia einer der mitgliederstärksten Bünde der BG. Ebenso sollen künftig Bünde, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, aus dem Dachverband geworfen werden. Zudem beantragen die Liberaleren erneut die Abwahl Weidners.

 

Zwar beteuern die Vertreter beider Lager im Vorfeld den Willen zur Einheit und verweisen auf intensive Gespräche hinter den Kulissen. "Allen ist klar, dass sich etwas bewegen muss", sagt etwa Michael Schmidt, Sprecher der liberalen IBZ. Doch für die Rechtsextremen sind die liberalen Forderungen schlicht unannehmbar. Und weil ohne sie nichts geht im Dachverband, haben sich die National-Liberalen insgeheim schon von der Deutschen Burschenschaft verabschiedet.

 

Wer sich unter Burschenschaftern umhört, findet niemanden, der gern zu diesem Burschentag nach Stuttgart fährt. Wer freut sich schon auf seinen Scheidungstermin.