Kirchardt - Mit einem großen Aufgebot hat die Polizei am Samstagmittag in Kirchardt auf eine Versammlung von rund 30 Rechtsextremen reagiert. Die "Freien Nationalisten Kraichgau" trafen sich um 11 Uhr im dortigen abgelegenen Industriegebiet - in der Nähe des Hauses, wo vor zwei Wochen eine 59-jährige Frau überfallen wurde (wir berichteten).
Die Rechtsextremen, die der NPD und den Jungen Nationaldemokraten
zuzuordnen sind, versammelten sich unter dem Motto "Deutsche Opfer,
fremde Täter".
In einer ersten Pressemitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft zum
Raubüberfall auf die Frau in Kirchardt vor zwei Wochen hatte es
geheißen: "Beide Täter hatten schwarze Masken mit Sehschlitzen über die
Köpfe gezogen und waren dunkel gekleidet. Die Überfallene schätzt, dass
es sich um junge Südländer im Alter von höchstens 25 Jahren handelte.
Sie sprachen Deutsch mit ausländischem Akzent."
Vermutlich ist im Begriff "Südländer" der Hintergrund für die Aktion in der Kirchardter Daimlerstraße zu sehen. Bislang sind allerdings von der Polizei noch keine mutmaßlichen Täter ermittelt worden, die für den Raubüberfall verantwortlich gemacht werden können.
Kein Marsch
Die Polizei war mit deutlich mehr als 100 Beamten vertreten, um
mögliche Ausschreitungen zu verhindern. Das Polizeiaufgebot erregte
großes Aufsehen in der Bevölkerung.
Die Rechtsextremen hatten die Überlegung, nach der Versammlung in den
Ort zu laufen - dies hätte die Polizei allerdings unterbunden.
Ausschließlich die Versammlung in der Daimlerstraße war bei der
Gemeinde Kirchardt und dem zuständigen Bad Rappenauer Ordnungsamt vorher
von NPD und Jungen Nationaldemokraten angezeigt worden.
Nach etwa einer Stunde zogen die Rechtsextremen ab, deren Banner und
Lautsprecherreden kaum Beachtung fanden - nur wenige Zuschauer
beobachteten das Geschehen verwundert und aus einiger Distanz.
"Ich dachte mir, das muss ich mir anschauen", sagte eine Anwohnerin in der Industriestraße. Ein
anderer ärgerte sich darüber, dass wegen ein paar wenigen
Rechtsextremen derart viele Polizisten ihren Samstag mit einem solchen
Einsatz verbringen müssen. "Dafür zahlen wir also unsere Steuern?",
fragte er.
Unter Aramäern, die in Kirchardt stark vertreten sind, fand die Versammlung ebenfalls kaum Beachtung. "Ich finde das alles traurig, ganz ehrlich", kommentierte ein Aramäer am Rande. Er halte es für zynisch, dass sich ausgerechnet NPDler über "fremde Täter" aufregen möchten - gerade vor dem Hintergrund der NSU-Mordserie. aho