Chef der “Jungen Nationaldemokraten” war beim “Ku Klux Klan”

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Braunes Netzwerk: Mindestens sechs ostdeutsche Neonazis waren Mitglied im “European White Knights of the Ku Klux Klan”. Nach GAMMA-Informationen sind darunter Michael Schäfer aus Wernigerode, Bundesvorsitzender der NPD-Jugendorganisation, und der mögliche NSU-Unterstützer Thomas Richter aus Halle, der jetzt in Leipzig wohnt. 


Auch Polizeibeamte waren Mitglieder


Erst kürzlich war bekannt geworden, dass zwei Polizeibeamte aus Baden-Württemberg 2001 und 2002 den “European White Knights of Ku Klux Klan – Realm of Germany” (EWK KKK) angehört haben. Auffällig: Einer der Beamten war laut Untersuchungsbericht des baden-württembergischen Innenministeriums schwerpunktmäßig an Polizeieinsätzen mit “rechtem Hintergrund” beteiligt.

 

In der Presse sorgte ein weiteres Detail für Aufsehen. Beide Beamte verrichteten ihren Dienst 2005 bei der Bereitschaftspolizei Böblingen – zeitgleich mit Michèle Kiesewetter, die 2007 in Heilbronn erschossen wurde. Die Tat wird dem “Nationalsozialistischen Untergrund” (NSU) zugerechnet, das Motiv ist nicht geklärt.

Der deutsche Ableger des für ihren Rassismus in den USA berüchtigten Klans soll etwa 20 Mitglieder umfasst und bis mindestens 2003 existiert haben. Die beiden betreffenden Beamten wurden für ihr außerdienstliches Engagement lediglich “gerügt” und hatten keine Disziplinarmaßnahmen zu erleiden. Seinerzeit gab es außerdem drei weitere, gänzlich folgenlose KKK-Verdachtsfälle bei der Polizei.

 

Einschlägige Neonazi-Kader


Abgesehen von Polizeibeamten waren an “EWK KKK” einflussreiche Neonazis beteiligt. Das entkräftet den absurden Versuch, die einstige Mitgliedschaft damit zu entschuldigen, dass die eigentliche Orientierung der Gruppe nicht erkennbar gewesen sei.

Dagegen spricht am deutlichsten die Mitgliedschaft des hochrangigen NPD-Funktionärs Michael Schäfer, der heute die Partei-eigene Nachwuchstruppe “Junge Nationaldemokraten” (JN) leitet. Die JN erfüllt innerhalb der extremen Rechten eine Scharnierfunktion, indem sie gewaltbereite Kameradschafts-Gruppen und NPD verbindet.

 

Das widerspiegelt sich auch in Schäfers politischer Biografie: Im Zuge des bundesweiten “Blood & Honour”-Verbots wurde seine Privatwohnung in Wernigerode am 14. September 2000 durchsucht. Den Behörden war Schäfer als “mutmaßlicher Funktionär” der besonders aktiven “Sektion Sachsen-Anhalt” von “Blood & Honour” bekannt. Bei der Razzia wurde aus dem Besitz Schäfers ein Messer beschlagnahmt und anschließend ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz eingeleitet.

 

Brisant daran: Im angrenzenden Sachsen waren offenbar alle bislang bekannt gewordenen NSU-Unterstützer an das “Blood & Honour”-Netzwerk angebunden. Es blieb auch nach dem Verbot aktiv, Sachsen und Sachsen-Anhalt waren der Schwerpunkt für die illegalen Nachfolgestrukturen.

Sowohl beim KKK, als auch bei “Blood & Honour” war zudem ein guter Bekannter Schäfers aktiv: Thomas Richter aus Halle/Saale. Name und Kontaktdaten Richters waren auf einer Adressliste vermerkt, die Anfang 1998 gefunden und dem NSU-Mitglied Uwe Mundlos zugerechnet wird. Richter unterstützte ferner das Neonazi-Fanzine “Der Weiße Wolf”, das zeitweise von David Petereit, Landtsabgeordneter der NPD in Mecklenburg-Vorpommern, herausgegeben wurde und in dem bereits 2002 ein freundlicher “Gruß” an die Rechtsterroristen vermerkt war.

 

Es handelt sich um die erste bekannte Erwähnung des NSU in der Öffentlichkeit. Bei Petereit fand die Polizei mittlerweile einen “Unterstützerbrief” des NSU. Dem Schreiben hat nach Erkenntnissen von Ermittlern eine vierstellige Bargeldspende beigelegen, die vermutlich aus einem Überfall stammt.

Die TAZ hatte kürzlich auf Richters KKK-Mitgliedschaft hingewiesen, zuvor war ein Bericht zu dessen mutmaßlicher Bekanntschaft mit Uwe Mundlos bei GAMMA erschienen. Richters Website – angemeldet auf das gleiche Postfach, das auch Mundlos kannte – ist mittlerweile nicht mehr erreichar. Zur KKK-Mitgliedschaft Schäfers ist mittlerweile eine kleine Anfrage an die sachsen-anhaltische Landesregierung gestellt worden, die Antwort steht noch aus.

 

Der “Klan” als Vorbild für deutsche Neonazis


Die Verbindung zum “Ku Klux Klan” ist für die Öffentlichkeit neu. In der Szene wird das US-Vorbild aber seit langem begeistert nachgeahmt. Im Sommer 1996 kam es im erzgebirgischen Johanngeorgenstadt zu einer Kreuzverbennung im KKK-Stil. Daran beteiligt war nach GAMMA-Informationen der NSU-Unterstützer Matthias Dienelt. Aus seiner braunen Clique kommen weitere Helfer der Rechtsterroristen, darunter André Eminger und Mandy Struck.

Unter Beteiligung Dienelts und Emingers wurde im Jahr 2000 die “Weiße Bruderschaft Erzgebirge” (WBE) gegründet. In der ersten Ausgabe ihrer Postille “The Aryan Law and Order” ist ein Text abgedruckt worden, in dem sich der anonyme Autor mit den Zielen des KKK identifiziert: “Die Reinheit der wundervollsten Rasse, die es je gegeben hat.”

 

Zur Popularität des KKK in Deutschland hat zweifellos beigetragen, dass die als kriminelle Vereinigung eingestufte Band “Landser” dem “Klan” ein Lied gewidmet hat. Zwei Mitglieder der Szeneband “Kraftschlag” galten als KKK-Aktivisten. Und an einem Konzert 1991 in Brandenburg, das als Gründungs-Event der deutschen KKK-Abteilung gilt, war die Neonazi-Band “Noie Werte” beteiligt. Der NSU nutzte zwei Lieder der Band für eine frühere Version ihres Bekennervideos.

 

Verfassungsschutz wusste durch V-Mann bescheid


Zumindest für die Verfassungsschutz-Ämter ist all das nicht neu. Der deutsche KKK-Ableger wurde Anfang der 1990er Jahre schließlich aufgebaut von Carsten Szczepanski, besser bekannt als V-Mann “Piato”. Im Jahr 1991 fungierte er als “Grand Dragon” – und damit führender Kopf – der so genannten “White Knights of the Ku Klux Klan” mit Sitz in Berlin. Szczepanski gab mit dem Fanzine “Feuerkreuz” eine deutschsprachige Klan-Zeitschrift heraus.

Zu den frühen Klan-Aktivitäten gehörte eine demonstrative “Kreuzverbrennung” in der Nähe von Königs Wusterhausen, in Anwesenheit eines US-amerikanischen KKK-Anführers. Szczepanski hatte dazu auch ein RTL-Fernsehteam eingeladen. Nachfolgend war eine Ermittlung wegen Gründens einer terroristischen Vereinigung eingeleitet, dann aber wieder eingestellt worden.

 

Szczepanski konnte weiterhin Karriere als führender Neonazi machen. Er war unter anderem bekannt mit britischen “Blood & Honour”-Größen und ihrem militanten Arm, der rechtsterroristischen Gruppierung “Combat 18″, in der ebenfalls KKK-Sympathisanten aktiv waren. Vor allem aber war Szczepanski ein guter Bekannter des Chemnitzer NSU-Unterstützers Jan Werner. Dieser war bis Herbst 1998 Anführer der sächsischen “Blood & Honour”-Sektion, zu einem Zeitpunkt, als die NSU-Zelle bereits in Chemnitz Unterschlupf gefunden hatte.

Behörden haben seinerzeit eine SMS abgefangen, die den Rückschluss zulässt, dass Werner und Szczepanski sich über die Möglichkeit der Beschaffung von Waffen austauschten. Mitte des Jahres 2000, nach seiner Enttarnung als V-Mann, soll Szczepanski in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden sein.

 

Eine mitteldeutsche KKK-Zelle?


Unklar ist, ob KKK-Strukturen seit Anfang der 1990er durchgängig bestanden haben. Die zuletzt aktive Gruppierung der “White Knights of the Ku Klux Klan”, samt Polizisten und dem heutigen JN-Vorsitzenden, soll sich 2003 aufgelöst haben. Obwohl die KKK-Aktivitäten das Bundesamt für Verfassungsschutz und mehrere Landesämter beschäftigt haben, fehlen Hinweise in den Jahresberichten völlig.

Von Aufklärung kann bislang keine Rede sein. Sie tut not, weil der deutsche “Klan” konspirativ organisiert war: nach einer Zellenstruktur, so, wie auch der NSU und das Helfernetzwerk der Rechtsterroristen. Bereits die Tatsache, dass die KKK-Mitglieder aus Sachsen und Sachsen-Anhalt derart nah beieinander wohnen, nährt die Vermutung, dass es sich hier, unter den weißen Mänteln des KKK, um eine tiefbraune “mitteldeutsche Zelle” handeln könnte.

 

 


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Weitere Hintergrundberichte finden Sie in unserem Rechtsterrorismus-Dossier.