Rechtspopulist_innen federführend bei Protestaktion

Erstveröffentlicht: 
21.07.2012

28. Juli 2012: Rechtspopulist_innen federführend bei Protestaktion - ergänzt -

 

Im Rahmen eines bundesweiten Aktionstags gegen INDECT, das von der EU bis 2014 finanzierte Forschungsprogramm zur Entwicklung eines automatisierten (Video-) Überwachungsprogramms, soll es von 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr auf dem Odeonsplatz auch eine Kundgebung in München geben.

 

Die Münchner Aktion, die von mehreren nichtrechten Parteien und Bürgerrechtsinitiativen unterstützt wird, wurde zunächst - der eigenen Ankündigung nach - federführend jedoch von der rechtspopulistischen Splitterpartei "Partei der Vernunft" (PdV) ausgerichtet: U. a. war für die zur Aktion eingerichtet Homepage der bayerische PdV-Landesgeschäftsführer Dominic T. presserechtlich verantwortlich, die Aktion selbst sollte über das PdV-Konto organisiert bzw. finanziert werden.

 

Nach der Berichterstattung auf aida-archiv.de wurde die eigene Homepage flugs abgeändert: Als Veranstalter tritt jetzt "Anonymous Bayern" auf, jeglicher Hinweis auf die "Partei der Vernunft" wurde genauso gelöscht wie das PdV-Parteilogo und der Hinweis auf das PdV-Bayern-Konto. Auch die Kontaktmail-Adresse auf der Bündnis-Seite wurde ausgetauscht.

 

Es gibt viele Belege, die eine Einschätzung der neoliberalen (“langfristig angelegte Überführung der gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung in ein privates System", "keine staatliche Lohnfestsetzung/Mindestlohn, Aufhebung Kündigungsschutz") Kleinstpartei "Partei der Vernunft" (PdV) als "rechtspopulistisch" rechtfertigen.

 

von Robert Andreasch

 

1. Rassistische Positionen:


Angesichts der Debatte um Tilo Sarrazin gab die "Partei der Vernunft" eine Pressemitteilung voller rechtspopulistischer Formulierungen heraus. Kostprobe: "Ungeachtet der populistischen Wortwahl [bei Sarrazin, Anmerkung Robert Andreasch] ist doch tatsächlich gerade der weitgehend regellose Sozialstaatszuzug die Hauptursache vieler Integrationsprobleme. Einen pauschalen Zuzug kann auf Dauer keine Wirtschaftsmacht verkraften."

 

Auf der Internetpräsenz der PdV findet sich aktuell ein übelst rassistischer Artikel, der Text wurde aus dem ultrarechten "Eigentümlich frei"-magazin übernommenen: "Deutschland kaputt: Über die dramatischen Folgen einer katastrophalen Einwanderungs- und Sozialpolitik". Nachdem darin zuerst ein erfundenes Szenario konstruiert wird ("Wenn Sie für die nicht zahlen wollen, sind Sie ausländerfeindlich! Wir werden Sie wegen Rassismus belangen. Ein anderer stößt nach: Wir sind die jüngste und am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe. Wenn Sie auch nur ein Wort gegen unsere Versorgung aus Ihren Steuern sagen, kommen Sie wegen Volksverhetzung vor Gericht.") heißt es dann u. a. "Nur wer für die Aufnehmenden etwas leisten kann und ihnen nicht gleich in die Taschen greifen muss, darf hoffen, von ihnen auch angenommen zu werden. Wer sich aber einbringen kann, darf in jeder Farbe schillern. Wer jedoch schon daheim zu den schlechten Schülern gehörte, darf auch mit empörtem Verweis auf Haut- und Haarfarbe nicht herein."

 

Im ersten PdV-Parteiprogramm (2009) standen die Forderungen nach der Abschaffung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (Antidiskriminierungsgesetz) und nach restriktiveren Einbürgerungsregelungen: "Einwanderer, die zehn Jahre in Deutschland gearbeitet haben können die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben und erst dann Teil des Sozialsystems werden." Aktuell bewirbt die "Partei der Vernunft" zu diesem Punkt die Ergebnisse einer Meinungsumfrage unter ihren Mitgliedern zu dieser Forderung: 67 % stimmen dieser Position zu.

 

2. Law and Order:


In einer Pressemitteilung vom 6. September 2010 schrieb die PdV: "Das heißt auch, dass im Falle eines Fehlverhaltens inländischer und ausländischer Bürger unseres Landes die gleichen Gesetze anzuwenden sind. Bestehende Strukturen (Polizei und Justiz) müssen dabei ihren Aufgaben uneingeschränkt nachgehen können. Deshalb fordert die Partei der Vernunft insbesondere auch eine verbesserte Ausstattung der Polizei bei der Verfolgung von Straftaten, da Justiz eine der wenigen tatsächlichen Staatsaufgaben umfasst."

 

Im ersten Parteiprogramm der PdV (2009) war die Forderung nach Sicherheitsverwahrung enthalten: "Sicherungsverwahrung bei Sexualstraftaten, insbesondere bei Delikten gegen Kinder; Drei unabhängige Gutachter müssen einer Freilassung zustimmen. Gutachter, die sich mehrfach irren, werden nicht mehr bestellt".

 

3. Antikommunismus und Gewerkschaftsfeindlichkeit:


Bei der PdV Bayern heißt es: "Die Partei der Vernunft steht für freies Marktgeld statt ungedecktem Zentralbankgeld, echten Umweltschutz statt Klimaschwindel, Freiheit statt Sozialismus."

 

Der PdV-Vorsitzende Oliver Janich schrieb im ef-Magazin: “Es ist höchste Zeit für eine echte Alternative zu den nicht mehr zu unterscheidenden sozialistischen Einheitsparteien Deutschlands”.

Am 8. Juni 2012 hat nach einem Artikel des Fachinformationsdienst "blick nach rechts" bei einer Kundgebung gegen den Euro-Rettungsschirm vor dem Berliner Reichstag ( wo neben u. a. PdV-Aktivisten auch 15 NPDler teilnahmen) ein PdV-Flugblattverteiler gefordert, “es gehe darum, die Macht der Kartelle und Gewerkschaften massiv einzuschränken, damit sich die Einstellung von Arbeitnehmern wieder lohne”.

 

4. Konservatives Familienmodell:

Im PdV-Parteiprogramm heißt es: "Es ist nicht Sache des Staates, die Eltern hinsichtlich ihres Erziehungsstils und der Erziehungsinhalte zu beeinflussen. Pflege und Erziehung der Kinder sind nach Artikel 6 Grundgesetz das natürliche Recht und die Pflicht der Eltern."

 

5. Instrumentalisierung des Widerstands gegen den NS:


Wie schon bei Michael Stürzenberger von der rechtspopulistischen Partei "Die Freiheit" wird auch durch die "PdV Bayern" der antifaschistische Widerstand gegen den NS instrumentalisiert für die eigenen populistischen Aktionen:

 

Am 28. Juni 2012 warfen N. P. und G. H. (Name bekannt), Aktivist_innen der PDV aus München, in Anlehnung an die Aktionen der "Weißen Rose", Flugblätter der "PdV Bayern" ("Mein Sophie Scholl Brief ... 'Stellt euch vor, wir marschieren in eine Diktatur und keiner merkt es!'") in den Lichthof der LMU München. Der PdV-Landesgeschäftsführer veröffentlichte am 3. Juli 2012 einen Bericht und Bilder über die Aktion auf der PdV-Bayern-Homepage. Im Flugblatt und im Bericht bezieht sich die PdV auf den extrem rechten Europaabgeordneten Nigel Farrage (UK Independence Party).

 

6. Zusammenarbeit mit rechten Gruppen und Publikationen:


Der PdV-Bundesvorsitzende Oliver Janich ist als Autor der ultrarechten Zeitschrift "eigentümlich frei" (ef-Magazin) aufgefallen. Er nahm am 6. Dezember 2010 im Ratskeller in Berlin-Schmargendorf an einer Veranstaltung zusammen mit dem nach ultrarechts gewendeten Jürgen Elsässer ("compact Magazin"), Dieter Stein (Herausgeber der neurechten Wochenzeitung "Junge Freiheit") und der rechten Rapperin Mia Herm alias "Dee Ex" teil. Die von Janus gegründete PdV arbeitet sehr eng mit der AUNS ("Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz") zusammen, die vom ultrarechten Schweizer Nationalratsabgeordneten Pirmin Schwander geleitet wird. Schwander ist Mitglied der rechtsopulistischen und rassistischen "Schweizer Volkspartei" (SVP) und trat bei verschwörungstheoretischen Veranstaltungen auf. Für einen Kongress am 6. November 2010 in Stuttgart hatte die PdV zudem mehrere Funktionäre der rechtspopulistischen "Schweizer Volkspartei" (SVP) als Referenten eingeladen, unter anderem Éric Bertinat.

 

Am 5. Mai 2012 veranstaltete der bayerische PdV-Landesverband seinen Landesparteitag im Hacker-Pschorr-Bräuhaus in München, die Einladung übernahm der PdV-Landesgeschäftstührer. In der Einladung war Ralf Flierl (München) als Referent beim Landesparteitag angekündigt. Flierl, das veröffentlichte die staatliche iranische Nachrichtenagentur stolz mit Bildern, war zwei Wochen zuvor nach Teheran zu einem persönlichen Treffen mit dem iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad gereist, der, wenn er nicht gerade die Opposition ermorden lässt, sich z. B. der Holocaustleugnung widmet.

 

7. Nähe zu Verschwörungstheorien:


Parteimitteilungen der PdV erschienen auf der verschwörungstheoretischen Webseite "infokrieg.tv. Zum PdV-Wahlantritt in Nordrhein-Westfalen ließ sich der Spitzenkandidat, Die­ter Audehm, sogar von diesem Portal interviewen. Wie Videos belegen, nahm der PdV-Bundesvorsitzende Oliver Janich zusammen mit Jürgen Elsässer im Jahr 2011 an einer verschwörungstheoretischen Veranstaltung gegen das "Bilderberger Treffen" in St. Moritz teil.

Am 24. November 2011 lud die "Partei der Vernunft" München zu einer Veranstaltung über die Eurokrise den verschwörungstheoretischen HipHopper "Kilez More" ein. Dieser rappte bei der Veranstaltung seinen antisemitisch codierten "Seitenwechsel"-Song über die "Illuminaten", in dem es heißt:

 

"Ich bin ein Illuminat, sitz hinter den Kulissen
Und zieh die Fäden im Leben von den Blinden die nichts wissen...
...ich bin wieder mal Stolz auf den Krieg für mein Volk
Ich geb euch das Papiergeld was solls ich liebe mein Gold...
...Ich bin ein Illuminat egal was mit der Welt passiert und 
Auch weil ich das Geld regier pump ich die eine Weltregierung
Weil dann ich die Welt regier und ich mach was ich will"

 

8. PdV und "Klimalüge":


Wie andere rechtspopulistische Aktivist_innen, z. B. die Kreise um das “Politically incorrect”-Portal, schwadroniert auch die PdV über eine "Klimalüge" und die angebliche Ungefährlichkeit des weltweiten CO2-Ausstoßes: Im neuen Parteiprogramm der PdV heißt es seit Juni 2012: "Sämtliche mit der Klimahysterie begründeten Maßnahmen sind daher sofort einzustellen".

 

9. Die PdV und die "natürliche Ordnung":


Die wirtschaftlichen Positionen der PdV weisen, neben der Angst vor dem Euro und dem Wunsch nach der Einführung zusätzlicher Währungen und Regionalgelder, eine gewisse Nähe zu den "Freiwirtschaftstheorien" eines Silvio Gesell und Anderen auf. Oliver Janich im ef-Magazin: "Ganz einfach deshalb, weil in unserem ungedeckten Papiergeldsystem Geld aus dem Nichts geschöpft wird".

 

"Die Beschränkung staatlichen Handelns auf den Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum seiner Bürger führt zu höherem Wohlstand und größerem finanziellen Spielraum für alle. Diese natürliche Ordnung kann nur wiederhergestellt werden, wenn den Bürgern in einem ganzheitlichen Ansatz die Entscheidungsgewalt über alle Belange ihres Lebens zurückgegeben wird."


So heißt es im neuen PdV-Parteiprogramm. Der von der Pdv gepredigte "liberale" Marktradikalismus wird also als "natürliche Ordnung" gerechtfertigt. Auch das deutet auf eine reaktionäre Ausrichtung der PdV hin.