Mehrere antifaschistische Gruppen aus Nordrhein-Westfalen rufen am 29. September 2012 zur Demo „Für das Leben – ohne Rassimus, Antisemitismus und „KAL“!“ in Erkelenz auf.
Als die Morde der Nazi-Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) bekannt wurden, war die Erkenntnis, dass Neonazis über Jahre hinweg nahezu militärisch durchorganisierte Mordanschläge auf Migrant_innen verüben konnten, ein Schock für viele Menschen in unserer Gesellschaft. Für viele war es unvorstellbar, dass bald 70 Jahre nach dem Ende der Nazidiktatur eine Gruppe von Menschen aus rassistischen Gründen ganz gezielt andere Menschen tötete- und dies über einen Zeitraum von mehreren Jahren, ohne von der Polizei gefasst zu werden.
Neben den vielen Ungereimtheiten, die nun im Nachhinein bei den ermittelnden Behörden und ganz besonders beim Verfassungsschutz offenbar werden, müssen sich Politik und Gesellschaft fragen, wie es zu den ungeheuerlichen Taten kommen konnte.
Leider sind die bisher gegebenen Antworten mehr als unbefriedigend. Die Taten werden als Randerscheinung in einer demokratisch verfassten Gesellschaft angesehen, deren Ursprung in den kranken Köpfen einiger weniger Unverbesserlicher zu suchen sei. Wieder einmal wird der organisierte Neonazismus, aus dem der NSU hervorging, als ein randständiges Problem insbesondere der ostdeutschen Länder dargestellt. Völlig ausgeblendet wird hierbei, dass junge Neonazis erstens mittlerweile in allen Teilen Deutschlands eine Gefahr für Leib und Leben vieler Menschen darstellen, und zweitens, dass ihre Ideologie nicht aus einer pädagogisch begründbaren „Fehlentwicklung“ erklärbar ist, sondern aus den in der Mitte der Gesellschaft verbreiteten rassistischen und antisemitischen Ressentiments selbst.
Die uns noch gut in Erinnerung gebliebenen Anschläge von Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Mölln und Solingen, begleitet teilweise von einer pogromartigen Stimmung durch applaudierende „Normalbürger_innen“, haben gezeigt, dass Rassismus und durch ihn motivierte Gewalt in Teilen der deutschen Gesellschaft durchaus auf Unterstützung, zumindest jedoch auf stillschweigende Zustimmung oder Billigung hoffen können. Auch die Tatsache, dass Studien zufolge ein beachtlicher Teil der Deutschen antisemitischen Ressentiments zustimmt, sollte nachdenklich stimmen und zur Auseinandersetzung nicht nur mit organisierten Neonazis, sondern mit dem Alltagsrassismus und -antisemitismus in unserer Gesellschaft motivieren.
Auch im Kreis Heinsberg sind neonazistische Strukturen seit einigen
Jahren äusserst aktiv. So leben im Kreis mehrere aktive Mitglieder der
„Kameradschaft Aachener Land“ (KAL), unter anderem der Anmelder der im
April durchgeführten „Mahnwachen“ der KAL, Gerwin J. aus
Erkelenz-Gerderath. Die KAL würdigte die Taten des NSU auf ihre Weise:
kurz nach Bekanntwerden der Taten bildete sie auf ihrer Homepage die
Comicfigur Paulchen Panther mit dem Schriftzug „Zwickau rulez“ ab.
Paulchen Panther wurde im Bekennervideo des NSU, dessen Mitglieder aus
Zwickau stammen, dargestellt und führte quasi „moderierend durchs
Progamm“. Die Botschaft der KAL, die auf ihrer Homepage auch schon
einmal Adolf Hitler zu seinem Geburtstag gratulierte, ist deutlich: die
Taten des NSU werden begrüsst und gefeiert. Die Tatsache, dass ein
ehemaliges Mitglied der KAL, Falko W. aus Aachen, wegen des Besitzes von
Sprengstoff vorbestraft ist, lässt diesen Vorgang durchaus nicht nur
als eine Geschmacklosigkeit erscheinen, sondern ist in höchstem Maße
alarmierend.
Hier sei ebenfalls erwähnt, dass der mehrfach vorbestrafte
„Kameradschaftsführer“ Rene L. in Kelz (östlich von Düren) zurzeit eine
Scheune zu einer Art „Braunes Haus“ umbaut, welches nach Fertigstellung
ein Ort für rechtsradikale Veranstaltungen wie Konzerte oder Schulungen
werden soll.
Von den im Kreis Heinsberg lebenden KAL-Mitgliedern gingen schon
mehrfach Übergriffe auf Personen aus, die nicht ins neonazistische
Weltbild passen. Zuletzt im Umfeld des „Public Viewing“ in der
Heinsberger Innenstadt zum Länderspiel Deutschland-Griechenland. Viele
Übergriffe und Attacken ereigneten sich in Wassenberg, wo unter anderem
eine Rockkneipe überfallen und mit Gaspistolen auf Menschen geschossen
wurde.
Der Kreis Heinsberg hat zudem einige hochrangige
Neonazi-Persönlichkeiten hervorgebracht, wie den aus Wegberg stammenden
stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD, Udo Pastörs, oder den
bundesweit bekannten, militanten Neonazi-Kader Christian Malcoci, der
einige Zeit in Wassenberg-Effeld lebte und dessen Söhne ebenfalls als
feste Größen in der regionalen Neonazi-Szene auftreten.
Es ist an der Zeit, den neonazistischen Umtrieben im Kreis Heinsberg endlich offensiv etwas entgegenzusetzen. Es genügt nicht, immer nur zu reagieren, wenn die Nazis wieder einmal eine ihrer Aktionen durchführen. Es genügt nicht, in geschlossenen Räumen und bei Veranstaltungen verbal Position gegen Rassismus und Antisemitismus zu beziehen. Nötig ist ein deutliches Zeichen, um den Nazis zu zeigen, dass ihre Ideologie und ihre Aktivitäten hier und überall unerwünscht sind. Dafür müssen alle, die den Nazis etwas entgegensetzen wollen, gemeinsam auf die Straße gehen- nicht zum Selbstzweck, sondern um einen Anfang zu machen, dem vielfältige Aktionen folgen müssen.
Und dazu rufen wir hiermit auf:
Für das Leben- ohne Rassismus, Antisemitismus und „KAL“!
am 29.09.2012 – 12 Uhr – Bhf. Erkelenz
Wenn ihr den Aufruf unterstützen wollt, dann kontaktiert uns.
http://29september2012.blogsport.de/