Über solch einen erfolgreichen Ausbruch kann mensch nicht viel sagen, als die Hände für die beiden zu klatschen und hoffen, dass sie weiter in Freiheit bleiben. Die lange Geschichte von Vassilis geben wir hier zum Teil wieder, sowie ein paar Sätze zur Gesamtsituation in Griechenland.
Etwas zur Vorgeschichte…
Seit
dem Zerfall des Ottomanischen Imperiums im Jahr 1821 hat Griechenland
hat eine populäre und große Tradition von sozialen und proletarischen
Räubereien als Antwort auf Ausbeutung und Armut. Diese Leute holen das
Geld zurück aus den Händen der Reichen, Obrigkeiten, Ausbeuter, und
gewöhnlich verstecken sie sich in den Dörfern. Auch durch die Hilfe der
Menschen von dort, welche jegliche Kooperation mit der Polizei ablehnen
und Schutz vor den Obrigkeiten bieten. Die Rebellen hatten immer gute
Verbindungen zu den Menschen und haben immer für die Gemeinschaft in
Form von finanzielle Unterstützung für Bildung, medizinische Behandlung
und Schutz vor der Polizei gesorgt.
Innerhalb einer solche Realität, die beiden Brüder Vasilis und Nikos,
und viele andere auch, welche in einer armen Familie aufwuchsen,
konnten nocht länger die Ausbeutung und Unterdrückung von sich selber
und an den Menschen in der Gesellschaft um sie herum ertragen. Deshalb
haben sie ihre Leben in den letzten 30 Jahren als soziale Rebellen
gelebt. Sie haben zahlreiche Banküberfälle, Autodiebstähle und Fluchten
aus dem Knast hinter sich, haben allerdings nie schicke Klamotten
getragen, teure Autos gefahren oder in Luxushäusern gelebt. Tatsächlich
haben sie einmal das Geld zurück auf den Boden der Bank geworfen, weil
es zu wenig für die Sache, für die sie es brauchten, war.
Alles wurde immer dorthin gesendet, wo es gebrauchen wurde und mit den
Leuten, die ihnen Schutz geboten und niemals ein Wort gegenüber der
Polizei über sie ausgesprochen haben, verteilt. Innerhalb dieser ganzen
Jahren haben sie immer im Untergrund gelebt. Von Zeit zu Zeit wurden
sie von der Polizei gefunden, was dann zu einer Flucht in einem
gestohlenem Auto oder unglücklicherweise zu einer Zeit im Knast führte.
Allerdings sind sie immer wieder geflüchtet mit Hilfe des anderen.
Durch den 80igern führten sie eine Vielzahl von Banküberfällen durch,
bis zu dem Zeitpunkt an dem Nikos 1988 im Knast landete. Aber nach nur
ein paar Tagen wurde er von seinem Bruder wieder befreit, indem dieser
ein Seil über die Knastmauer geworfen hatte.
Zwei Jahren später im Februar 1990 wurde Nikos erneut verhaftet. Einen
Monat später wurde auch Vasilis zusammen mit ein Kumpel verhaftet, als
er versuchte seinen Bruder zu befreien. Dies war das einzigste Mal, wo
beide gleichzeitig im Knast saßen.
Im Dezember 1990 schaffte es Nikos aus dem Korydallos Knast in Athen zu
flüchten, während ein großer Knastaufstand stattfand. Die Polizei
suchte die nächsten 16 Jahre nach ihn, bis er 2006 nach einem
Verkehrsunfall endgültig verhaftet wird. Seitdem war er nicht mehr
draußen.
1991 schaffte es Vasilis aus dem Halkida Knast zu flüchten. Er raubte
1992 eine Bank aus und im Jahr 1995 vollzogen beide zusammen einen
Banküberfall in Athen. Im Dezember 1995 werden beiden beschuldigt den
Präsidenter der „Halvas”-Fabrik, Haitoglou, entführt zu haben.
Angeblich haben sie ihn nach vier Tage und der Zahlung von 750.000 Euro
Lösegeld laufen lassen. Der Innenminister erließ einen Haftbefehl,
welcher im Fernsehen, Radio und auf Plakate veröffentlicht wird, inkl.
ihren Bildern und einer Belohnung in der Höhe von genau 750.000 Euro.
1996 wurde Vasilis von der Polizei in Korfu ausfindig gemacht, aber mit
Hilfe eines Autos schafft er es von ihnen zu flüchten. Zwei Jahre
später findet eine ähnliche Situation im Yanitsa statt und nochmal im
Mai 1999. Nikos gelingt ein spektakulärer Ausbruch mittels eines
Hubschraubers im Jahr 2003. Mit Hilfe eines Fahrrades raubt Nikos 2006
eine Bank in Veria aus. Seine Flucht wird garantiert, weil die gesamte
Polizei mit dem Schutz des Präsidenten, welcher gerade einen Besuch in
den Straßen Verias abhält, beschäftigt ist. Im September 2006 wird er
bei einen Autounfall erneut verhaftet, nach vielen Jahren in einem
Leben flüchtend und sich versteckend.
Die letzte Inhaftierung…
Am
20. August 2008 wurden vier Personen in Griechenland verhaftet mit dem
Vorwurf der Entführung, bei welcher auch hohes Lösegeld gezahlt wurde.
Die Verhafteten sind Polikarpos Georgiadis, Vasilis Paleokostas,
Vagelis Hrisohoides und eine vierte Person, von welcher sich die
anderen distanziert haben aufgrund seines Verhaltens. Am 21. wurden
vier weitere Personen verhaftet, weil sie eine untergeordnete Rolle bei
der Entführung gehabt haben sollen.
Die Person, welche entführt wurde, ist Georgos Mylonas, der Chef der
Union der Schwerindustriebesitzer (Arbeitgebergewerkschaft). Er sorgte
vor nicht all zu langer Zeit für Aufregung, indem er längere und
härtere Arbeitszeiten in den Fabriken befürwortet hatte. Er wurde nach
einer Zahlung von 10 Millionen Euro wieder freigelassen, welche von
seiner Ehefrau arrangiert wurden.
Die Medien und die Polizei behaupten das Geld hätte dem Ziel gedient
Nikos Palaiokostas, Vasilis’s Bruder, aus dem Knast zu befreien. Bilder
in der bürgerlichen Presse zeigen eine große Anzahl von Munition,
Kalashnikovs, einer Panzerfaust, Sprengstoff, kugelsicheren Westen und
Anzüge der Feuerwehr, welche bei der Verhaftung gefunden worden sind.
Über die Menge des gefundenen Geldes gibt es jeden Tag eine neue
Geschichte. Der Polizei sagt, dass ein Großteil der Scheine markiert
war und in über 150 verschiedenen Lokalitäten gefunden.
Der
Geschichte und die Traditionen von Vagelis, Vasilis und Polikarpos in
diesem Fall, genauso wie die von viele anderen Schlägen gegen die
Unterdrückung und Ausbeutung der Menschen, sind wichtig um den Kontext
dieser Entführung – und der soziale Rebellion innerhalb der
alltäglichen Realität – zu verstehen.
Polikarpos und Vagelis sind seit Jahren beliebte Genossen in der
anarchistischen Szene und waren sehr aktiv. Polikarpos wurde erstmals
am 16. April 2004 ins Gefängnis gesteckt, weil er versucht hatte
mittels eines Zeitzünders ein Fahrzeug einer Sicherheitsfirma gehörte
in Brand zu stecken. Daraufhin versuchte die Polizei ihn wegen
versuchter Brandstiftung und Besitz von Sprengstoff anzuklagen, aber
sie konnten nichts beweisen. Er saß ein Jahr in Untersuchungshaft,
wurde für schuldig erklärt, kam aber frei, weil das Urteil ein Jahr
Knast war und er dieses schon abgesessen hatte.
Während seines Knastaufenthalts lernte er Vasilis kennen. Die
bürgerlichen Medien beschuldigt ihn zu dieser Zeit außerdem ein
Bankräuber zu sein, dies passt es ihnen heutzutage gut, um zu
deklarieren, dass Vasilis „Polikarpos ausgewählte, um sich an der
Verschwörung zur Befreiung seines Bruders Nikos zu beteiligen”. Diese
zwei Brüder sind seit Jahrzehnte berühmte „Legenden” in Griechenland.
Die gegenwärtige Situation…
Polikarpos sitzt immer noch im Knast und beteiligt sich aktiv an der Diskussion mit den GenossInnen draußen, sowie an den Protesten, die drinnen stattfinden (zwei Beiträge von ihn werden in unserer demnächst erscheinenden Broschüre über die Hungerstreiks in den Knästen in Italien, Deutschland und Griechenland zu finden sein).
Der
Ausbruch hat für „Unruhe” innerhalb der Reihen der Knastleitung und der
griechischen Justiz gesorgt und etliche Köpfe wurden fallen lassen.
Knastausbrüche durch die Anwendung von (entführten oder gemieteten)
Hubschraubern sind keine neue Erfindung, es gab innerhalb der letzten
Jahren schon einige, z.B. in französischen Knästen. Der Weg zu solch
einer erfolgreichen Ausbruchsmethode wurde aber von der IRA (Irish
Republican Army) eröffnet. Am 31.10.1973 schaffte es ein Kommando der
IRA auf dem Hof des Mountjoy-Knastes in Dublin mit einen entführten
Hubschrauber zu landen und verschiedene IRA-Kämpfern zu befreien. Bevor
die Schließer realisieren könnten was passierte, war der Hubschrauber
schon wieder weg. So „einfach“ geht das.
In Zeiten der Finanzkrise und der des Kapitalismus können wir uns und den Gefangenen nur wünschen, dass Hubschrauber bald zu billigen Preisen auf Ebay oder sonst wo zu finden sein werden…
Hubschrauber für alle – Knäste für niemanden!
ABC Berlin