Studentenverbindungen verabschieden sich in Raten vom alten System

Erstveröffentlicht: 
03.06.2012

Die Stimmung auf dem Burschentag 2012 war vor allem angespannt. 'Das war keine fröhliche Veranstaltung', sagt einer der Burschen. Andere sprechen sogar von einem Gefühl des Scheiterns und der Trauer.

 

Eisenach (dapd-lth). Aus den Berichten von Teilnehmern wird klar: Der sich abzeichnende Zerfall der Deutschen Burschenschaft war das zentrale Thema des Treffens von Studentenverbindungen aus dem deutschsprachigen Raum am Wochenende im thüringischen Eisenach.

Dass es ein Weiter-so geben wird, ist nach übereinstimmenden Einschätzungen unwahrscheinlich. Die Deutsche Burschenschaft (DB) ist nach eigenen Angaben mit derzeit etwa 115 Mitgliedsvereinigungen der größte Zusammenschluss von Burschenschaften in Deutschland und Österreich.

Zwar wollte DB-Sprecher Christoph Basedow aus Rostock am Sonntag nicht davon sprechen, dass das Treffen ein Signal der endgültigen Spaltung gesetzt habe. 'Wir haben uns stark mit inhaltlichen Verwerfungen befasst und die Diskussionen darüber nicht zum Abschluss bringen können.' Trotzdem räumte er ein, er glaube nicht, dass der Verband in seiner aktuellen Gestalt weiter bestehen werde. Seine Worte wiegen schwer, entspricht das Sprecheramt innerhalb der DB doch dem eines Verbandsvorsitzenden.

Personalentscheidung lässt alte Debatten wieder aufflammen

Skeptisch zeigte sich auch Michael Schmidt, der während des Burschentages eine Schlüsselrolle spielte. Der ehemalige Pressereferent der DB sagte, die Gegensätze zwischen liberalen und konservativen Verbindungen seien inzwischen wohl zu groß, als dass die DB, so wie sie jetzt sei, weiter bestehen könne. 'Dass sich etwas so massiv ändert, dass man sich eine gemeinsame Zukunft vorstellen kann, halte ich für unwahrscheinlich', sagte er. Schmidt war während des Treffens von seinem Amt als Pressereferent zurückgetreten. Damit zog er nach eigener Darstellung die Konsequenzen aus der Wiederwahl von Norbert Weidner zum sogenannten Schriftleiter der DB-Zeitung 'Burschenschaftliche Blätter'.

Weidner war in den vergangenen Wochen in die Kritik geraten, weil er den NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als Landesverräter bezeichnet haben soll. So wie die Forderung nach einem Abstammungsnachweis - Kritiker sprachen von einem 'Arier-Nachweis' - den Burschentag 2011 überschattet hatte, entfachte die Person Weidners in diesem Jahr einen Streit, der sich im Kern um eine zentrale Frage dreht, die langem unbeantwortet ist: Wie gehen Burschenschafter mit rechten Strömungen um?

Während sich liberale Burschenschafter innerhalb wie außerhalb der DB bemühen, dem Eindruck entgegenzutreten, die wertkonservativen Studentenverbindungen tolerierten oder unterstützten rechtes Gedankengut, werfen Kritiker dem Burschenschaftswesen insgesamt genau das vor. Dass Burschenschafter - wie sie selbst sagen - aus Traditionsgründen bei besonderen Anlässen alle drei Strophen des Deutschlandliedes singen, ist für die Gegner der Verbindungen ein Beweis für deren nationalistische und extremistische Ausrichtung.

Gegendemo verläuft friedlich

Die Kritiker zeigten sich deshalb auch unbeeindruckt von den DB-internen Auseinandersetzungen. Der Sprecher des 'Bündnisses gegen den Burschentag in Eisenach', Phillip Schmidt, bezeichnete Ankündigungen von liberalen Burschenschaftern, womöglich mit der DB zu brechen, als Lippenbekenntnis und Imagekampagne. 'Außerdem halten wir eine Trennung nach liberalen und rechtsextremen Burschenschaftern für unangebracht', sagte er. Man solle besser zwischen Ideologen und Pragmatikern trennen.

Das Bündnis hatte wie angekündigt am Samstag in der Eisenacher Innenstadt gegen das Treffen protestiert. Die Demonstration verlief friedlich. Nach Angaben der Polizei nahmen 200 Menschen daran teil. Die Veranstalter sprachen von 400 Teilnehmern.

In den nächsten Monaten, so haben es die Verbindungen beschlossen, soll nun ein außerordentlicher Burschentag endgültig über die Zukunft des Verbandes entscheiden. In einer Mitteilung vom Sonntag ist von einem 'Burschentag als Zukunftskongress' im Winter die Rede. Zugleich ruft Basedow die 'Burschenschafter der DB zu Einheit und konstruktiver Mitarbeit' auf. Berichte über ein vorzeitiges Ende des diesjährigen Burschentages oder eine frühere Abreise einiger Mitglieder wollte Basedow nicht bestätigen.

Die Zeit bis dahin wird für die Burschen unruhig bleiben. So kündigte beispielsweise der zurückgetretene Michael Schmidt an, sich nun bei der Initiative 'Burschenschaftliche Zukunft' zu engagieren, einem Zusammenschluss von 24 liberalen Burschenschaften. Mittelfristig würden sicher mehrere dieser Verbindungen aus der DB austreten, sagte er. Wer also überhaupt zu einem außerordentlichen Burschentag anreisen wird, ist inzwischen ebenso ungewiss wie die Zukunft des Burschenwesens insgesamt.

dapd