Vertrag statt Placebo

Erstveröffentlicht: 
01.06.2012

Mieterverein reicht Sozialcharta beim GBW-Verkauf nicht aus
Der Freistaat will die Wohnungsgesellschaft GBW mit ihren 33000 Wohnungen, die mehrheitlich der Landesbank gehört, verkaufen. Um das Prozedere dabei tobt ein heftiger politischer Kampf. Beate Marschall, Geschäftsführerin des Mietervereins, erklärt, warum sie mehr will als die von Finanzminister Markus Söder versprochene 'Sozialcharta', die sie für ein 'Placebo' hält.

 

'Sozialcharta' - das klingt doch gut, und trotzdem mäkeln Sie.

Eine Sozialcharta ist nicht per se schlecht. Sie soll Mieterschutz über die gesetzlichen Regelungen hinaus gewähren, zum Beispiel beim Kündigungsschutz. Wir begrüßen sie grundsätzlich, aber sie reicht nicht aus.

Warum nicht?

In der Praxis ist eine Sozialcharta ein stumpfes Schwert. Sie bindet nur Verkäufer und Käufer, in diesem Fall also den Freistaat und den Investor. Ein Mieter kann, wenn es irgendwann einmal hart auf hart kommt, nicht mit dieser Charta vor Gericht ziehen und darauf pochen, dass doch dies und das zu seinen Gunsten festgelegt ist.

Tatsächlich?

In Dresden hatte die Stadt beim Verkauf ihrer Wohnungen an die Gagfah auch so eine Charta vereinbart. Als ein Mieter später, nach einer Mietererhöhung, mit dieser Charta vor Gericht argumentierte, ließen ihn die Richter abblitzen. Söders Sozialcharta kann man also vergessen.

Wenn man sie vergessen kann, warum begrüßen Sie diese Sozialcharta dann überhaupt?

Sie ist ein bisschen besser als nichts, und weil sie Teil der Ausschreibung ist, weiß der Investor, worauf er sich einlässt. Sie ist letztlich aber nur ein Placebo für die Mieter, wenn sie nicht begleitet wird durch Ergänzungen zu den einzelnen Mietverträgen.

Was bedeutet das?

Das heißt, dass der Vermieter, also die GBW, und die Mieter ein Papier unterzeichnen, in dem sie gewisse Mieterrechte festschreiben. Das muss aber noch vor dem Verkauf geschehen. Der Zusatz wird dann Teil des Mietvertrags, damit kann der Bewohner später auch vor Gericht argumentieren.

Auch wenn seine Wohnung vom Investor weiterverkauft wird?

Auch dann. Kauf bricht nicht Miete, lautet die Regel. Der Mietvertrag inklusive Zusatz gilt also immer, die Sozialcharta dagegen kann beim ersten Weiterverkauf schon verloren gehen.

Welche Klauseln fordern Sie konkret in diesem Zusatzvertrag für GBW-Mieter?

Wir wollen ein lebenslanges Wohnrecht für die Mieter, zumindest für die, die 60 Jahre und älter sind. Wir wollen ein Umwandlungsverbot von 15 Jahren, so lange darf aus der Miet- keine Eigentumswohnung gemacht werden. Außerdem fordern wir eine Reduzierung der sogenannten Kappungsgrenze: Dass die Miete also nicht um 20, sondern nur um 15 Prozent alle drei Jahre angehoben werden darf. Und wir wollen, dass Kosten für Modernisierungen nicht nochmals zusätzlich draufgeschlagen werden können, sondern mit der normalen, begrenzten Mietererhöhung verrechnet werden.

Was meinen Sie, warum sich die Staatsregierung ihre Forderung nicht zu eigen macht?

Solche Zusatzverträge reduzieren den Verkehrswert der Häuser, da brauchen wir nicht drum rumreden. Es geht ums Geld.

Von welcher Wertminderung sprechen wir?

Das kann man ganz schwer beziffern. Aber ich gehe von bis zu 30 Prozent aus. Der Freistaat will aber, das glaube ich, den maximalen Gewinn.