Rechtliche Nachwehen des deutsch-französischen Gipfels: Ein Urteil wird in zirka zwei Wochen erwartet.
Der deutsch-französische Gipfel am 10. Dezember 2010 beschäftigt derzeit das Verwaltungsgericht, das Urteil wird demnächst erwartet: Am Morgen jenes Tages, als sich Frankreichs damaliger Präsident Nicolas Sarkozy, Bundeskanzlerin Angela Merkel und zahlreiche Minister in Freiburg trafen, wollte die linksalternative Gruppe Sambastas in der Innenstadt aus Protest trommeln. Zu laut fanden dies Polizei und Ordnungsamt – und beschlagnahmten die Instrumente. Erst Monate später bekamen die Demonstranten sie zurück.
Die Klage
Ob diese Beschlagnahme von 13 Instrumenten durch die Polizei rechtmäßig war, darüber muss das Verwaltungsgericht unter Vorsitz von Richter Christoph Sennekamp nun entscheiden. Dies ist nicht der einzige Punkt, gegen den vier Sambastas, vertreten von Anwältin Katja Barth, klagen: Sie wehren sich auch gegen von der Polizei ausgesprochene Platzverweise, die Umkesselung, Videoaufzeichnungen und dagegen, dass eine Demonstrantin vorübergehend in Gewahrsam genommen wurde, weil sie sich nur mit einem Führerschein ausweisen konnte. Die Klage richtet sich gegen Stadt und Land, da die Stadt nur für die Beschlagnahme verantwortlich war. Nur diese und die Platzverweise können vor dem Verwaltungsgericht verhandelt werden, für die anderen polizeilichen Maßnahmen ist das Oberlandesgericht zuständig.
Die Trommelaktion
Die Trommelgruppe – 18 zum Teil kostümierte Personen – war am 10. Dezember 2010 um kurz vor elf vom Martinstor aus auf dem Weg zum Bertoldsbrunnen – in einer Zone, wo Versammlungen ausdrücklich zugelassen waren. Am Bertoldsbrunnen sollte um elf ein "Carneval de Resistance" stattfinden. Schon auf Höhe des Schuhgeschäfts Salamander seien Polizisten auf sie zugekommen – zu einem Zeitpunkt, als sie lautlos Flyer verteilt hätten, sagte einer der Kläger. Es sei ihnen nicht darum gegangen, den Gipfel zu stören. Schon bevor man zu trommeln angefangen habe, hätten die Polizisten die Sambastas eingekesselt und recht ruppig in die Löwenstraße gedrängt. Vor der Kneipe Schlappen wurden die Demonstranten einzeln aus dem Kessel herausgenommen, ihre Personalien wurden aufgenommen und ihre Instrumente beschlagnahmt. Der stellvertretende Ordnungsamtschef Martin Schulz rechtfertigte die Maßnahme vor Gericht auch damit, dass im Vorfeld angekündigt worden sei – Stichwort "Knackt den Gipfel" –, das Politikertreffen zu stören.
Die Beschlagnahme
Die Wegnahme der Trommeln angeordnet hatte um kurz nach elf in einem Telefonat mit Harry Hochuli, dem Leiter des Polizeireviers Nord, der städtische Ordnungsamtschef Walter Rubsamen. Der Grund sei Gefahrenabwehr gewesen, sagte Hochuli; an den genauen Wortlaut des Telefonats konnte er sich vor Gericht nicht erinnern. Laut eines Urteils des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) hätte mit der Wegnahme der Instrumente eine schriftliche Begründung ausgestellt werden müssen – zumindest bei einer städtischen Anordnung. Dies geschah aber erst Tage später. Dieses Versäumnis könnte die Beschlagnahmung rechtswidrig machen, wie Richter Sennekamp andeutete. Schulz kritisierte das VGH-Urteil als unpraktikabel und praxisfern.
Der Lärm
Das mindestens 30 Meter entfernte Trommeln sei, sagte Hochuli, bei seinem Eintreffen so laut gewesen, dass er zum Telefonieren in ein Kleidergeschäft habe gehen müssen: "Es war ein Höllenlärm." Auch von früheren Begegnungen mit den Sambastas wisse er, dass eine Kommunikation nicht möglich sei, wenn getrommelt werde. Vor Rubsamens Anordnung hatte die Polizei bereits eine von drei Lärmmessungen gemacht. Das Ergebnis: 104,9 Dezibel. Ab 100 Dezibel kann Lärm – so die Rechtsprechung – gesundheitsschädlich sein. "Wenn’s laut wird, kann es gefährlich werden. Sie können nicht davon ausgehen, dass Sie ungehemmt trommeln können. Lautstärke kann zu Beschränkungen von Versammlungen führen", sagte Richter Sennekamp den beiden anwesenden Sambastas. Körperverletzung durch Musik sei Grund für die Beschlagnahme gewesen, sagte Hochuli. Ein Teil der Trommler trug Ohrstöpsel, für Hochuli auch ein Indiz: "Sie wissen um den Lärm und schützen sich." Einer der Kläger fand den Trommellärm verträglich. Hochuli selbst verspürte hinterher ein "dumpfes Gefühl auf dem Ohr". Er erstattete aber ebenso wenig Anzeige wie irgendein anderer am Einsatz beteiligter Polizist. Auch in der nachträglich verfassten schriftlichen Begründung der Anordnung wurde "Körperverletzung durch Musik" nicht als Grund aufgeführt – ein Versäumnis, wie Schulz einräumte: "Das muss man uns anlasten." Hochuli wies auch darauf hin, dass wegen der Sicherheitslage – Präzisionsschützen waren vor Ort – an diesem Tag eine einwandfreie Kommunikation der Polizisten unabdingbar gewesen sei.