“Man spart 220 Millionen, die bereits für La Maddalena vorgesehen waren”, betonte Berlusconi, um den Umzug nach L’Aquila zu begründen. Sardische prekäre Arbeiter halten unter Hinweis auf die Ausgaben für den Ausbau der G8-Anlagen, die nun zum Hort für spätere Edel-Tagungen und Luxusferien im Archipel nördöstlich von Olbia dienen soll, dass 320 Millionen “aus dem Fenster geschmissen wurden” (2). Insgesamt sollte die Austragung des G8 auf La Maddalena 400 Millionen Euro kosten. Unklar ist, was mit den angeblich übrigen 180 Millionen passiert: Dienen sie der Fertigstellung der weit Fortgeschrittenen Maßnahmen auf Sardinien, oder werden sie tatsächlich, wie von der Berlusconi-Regierung versprochen, den Katastrophenopfern zugute kommen?
Erst vergangene Woche waren die Sicherheitsplanungen auf La Maddalena – zumindest in einer “ersten Stufe” – als abgeschlossen erklärt worden (3).
Veranstaltungen der und Protestaktionen sollten möglichst weit vom Tagungsgelände entfernt abgehalten werden, das Schengener Abkommen über den Verzicht von Personenkontrollen im Grenzverkehr außer Kraft gesetzt werden. An den Flug- und Fährhäfen, in mehreren europäischen Häfen mit Verbindung zu Sardinien sowie an den Grenzen nach Italien wurden Kontrollen und längere Wartezeiten angekündigt. Das Tagungsgelände auf La Maddalena und dem Kreuzfahrtschiff MSC Fantasia sollte von drei Sicherheitsgürteln umgeben sein, in denen der Verkehr eingeschränkt beziehungsweise gesperrt werden sollte, Fährüberfahrten nach La Maddalena hätten vorangemeldet werden müssen. Das Meer rund um das La Maddalena-Archipel sollte großräumig gesperrt, Flüge von etwa 50.000 Passagieren nach Olbia umgeleitet werden. In Olbia hatten Rotes Kreuz, Krankenhäuser, Polizei und Feuerwehr ein Manöver absolviert.
Volksküche “Carlo Giuliani”
Neben einer angeblichen Kostenersparnis soll der Gipfel verlegt werden, um etwaige Proteste weitestgehend zu verunmöglichen:
“Ich
glaube nicht, dass Globalisierungsgegner sich trauen werden, in dieser
vom Erdebeben heimgesuchten Gegend gewalttätige Demonstrationen zu
organisieren”.
Berlusconi (4)
Linke Gruppen und AktivistInnen
sind allerdings von der ersten Stunde an präsent in den Abruzzen und
haben zur Unterstützung der vom Beben Betroffenen aufgerufen. Sie
engagieren sich in Camps, die in Selbsthilfe funktionieren, bei dem
Betrieb von Großküchen, bei der Bereitstellung weiterer Infrastruktur
sowie mit Lieferungen von Hilfsgütern und gesunder Nahrung.
Bereits am Tag des Erdbens entstand die Initiative “Epicentro Solidale” (Solidarisches Epizentrum) (5).
Der
Regionalrat der Rifondazione Comunista attackierte Berlusconis
Äußerung, linke DemonstrantInnen würden nicht ins Katastrophengebiet
kommen:
“Ich möchte den Ministerpräsidenten informieren, dass die no
global zusamen mit dem Zivilschutz eingetroffen sind – und vielerorts
sogar lange vor ihr”.
PRC-Regionalrat (6)
Hunderte Freiwillige von Rifondazione Comunista, der sozialen Zentren, der Umweltgruppen, des katholischen Volontariats, der social forums haben Lebensmittel, Decken, Medikamente an die vom Beben getroffene Bevölkerung verteilt und Hilfeleistungen aller Art erbracht. Die Küche im Zeltlager in San Biagio wurde schon am ersten Tag nach Carlo Giuliani benannt.
Auf
der italienischen Plattform Indymedia erheben die HelferInnen schwere
Vorwürfe gegen das staatliche Hilfswesen in den Camps und im
Allgemeinen und prangern einen “Erpressungsdruck der nationalen
Einheit” an (7).
Am 10. April wurden Autos und ein Transporter mit
Hilfsgütern von den Carabinieri angehalten. Den Transport hatten
Studierende aus Neapel organisiert, Material und BegleiterInnen waren
auf dem Weg zu einem selbstverwalteten Camp. Der Konvoi wurde
angehalten und zur Provinzialkommandantur verbracht. Laut Carabinieri
seien die selbstverwalteten Hilfsaktionen ein “Deckmantel für ein
ausgedehntes Plünderungsmanöver”. Erst als die Nachricht in
italienischen Medien kursierte, wurde der Konvoi wieder freigegeben.
Inzwischen gibt es den Appell “Die Berge aneignen, die G8 begraben!” (8), der die “Globale Multitude” dazu aufruft in den Abruzzen die Chance zu ergreifen, “nachhaltige, zukunftsfähige Communities zu bauen”. 10 Jahre nach Seattle fordert die Gruppe “Diggers 2.0.” zur “Solidarität aus dem Schutt des Neoliberalismus” auf:
“Wir brauchen Krisenlösungen von unten, eine Gegenmacht der sozialen Bewegungen, die sich mit der Schaufel in der Hand zum Aufbau einer post-kapitalistischen Welt aufmacht. Appell an die globale Multitude sich vom 7. Bis 11. Juli nach Abruzzo zu begeben, um beim Wiederaufbau Abruzzos zu helfen”.
Militarisierter Katastrophenschutz in den Abruzzen
Der anlässlich des Notstands einberufene außerordentliche Ministerrat hat Franco Gabrielli zum Präfekten von L’Aquila ernannt. Gabrielli begann seine Laufbahn bei der politischen Polizei “Digos” in Imperia und wechselte später in die Zentrale nach Rom. Unter seiner Verantwortung hatte die Polizei Ende 2002 eine koordinierte Aktion gegen die Nachfolgeorganisation der “Roten Brigaden” geführt, nach der zwei Festgenommene für den Tod von Massimo D’Antona und Marco Biagi verantwortlich gemacht wurden. Nach der Operation wurde er zum Chef des international operierenden Geheimdiensts “Servizio Centrale Antiterrorismo”. Vor wenigen Jahren verfasste er gemeinsam mit dem heutigen Polizeichef Antonio Manganelli ein Handbuch für die Ermittlungspraxis.
“L’Aquila ist militarisiert”, es mutet an, wie “praktische Miltärbesatzungsübungen”, stellen kritische Betroffene fest (9). “Das Erdbeben legt die Realität offen, als das, was sie wirklich ist: geteilt zwischen reich und arm”. Bevölkerung und HelferInnen werden offenbar von Polizeikräften im Dienste des staatlichen Notstandapparates schikaniert: “Sie laufen uns hinterher, sie verbieten uns, sie befehlen uns, sie schimpfen uns aus, wenn wir uns unsere Häuser zurück nehmen wollen”.
Kritische Berichte dokumentieren, dass unter den Trümmern zahlreiche Migranten begraben sind, die in den offiziellen Statistiken (10) nicht auftauchen. Eine rumänische Pflegekraft, die mit Freunden im Begriff war, ihre Habseligkeiten aus dem Haus zu bergen, in dem sie wohnte, wurde zusammen mit ihren Begleitern festgenommen und wegen Plünderung im Eilverfahren vor Gericht gestellt. Zeitungen berichteten ausgiebig darüber und heizten damit die anti-rumänische Stimmung an, als die Frau jedoch freigesprochen wurde verlor die Presse schlagartig das Interesse.
Impregilo
Die Stärke des Erdbebens war als solche nicht ursächlich für das volle Ausmaß der Schäden – dieses wird einhellig auf spekulationsbedingte, grob fahrlässige Bauweisen und die Missachtung von Vorschriften zurückgeführt. Im Mittelpunkt der Kritik steht der italienische Konzern Impregilo (11), der viele der eingestürzten Bauten errichtet hatte. Laut Untersuchungen wurden die Häuser teils mit Beton gefertigt, der mit Meersand gemischt wurde. Stahlbewehrung korrodierte infolgedessen sehr viel schneller, die Häuser waren nicht mehr stabil.
Impregilo gehörte früher zur Fiat-Gruppe gehörte und ist heute Teil eines Konsortiums von Benetton, Gavio und Ligresti. Nach der Wahl Berlusconis schnellte die Impregilo-Aktie sprunghaft in die Höhe. Der Konzern will das milliardenschwere Prestigeprojekt der Messinabrücke zwischen Sizilien und dem Festland, eines der Wahlkampfversprechen Berlusconis, realisieren. Berlusconis Karriere ist selbst mit der für ihre Korruption berüchtigten Bauindustrie verbunden, er soll Mittel der Geheimloge Propaganda 2 erhalten haben (12).
Impregilo hat in der Vergangenheit mit zahlreichen Skandalen auf sich aufmerksam und trägt die Verantwortung für die Verpolizeilichung des “Müllskandals” von Neapel. Die Firma hatte eine Müllverbrennungsanlage trotz Vertragsabschluß 1998 nicht fertiggebaut. Ein Gericht hatte daraufhin Anklage gegen 27 Manager und Politiker erhoben.
Impregilo baut im Susa-Tal nördlich von Turin am Tunnel des Hochgeschwindigkeitszuges TAV (13). Das Projekt provoziert seit 20 Jahren heftigen und militanten Widerstand der Bevölkerung, da die Arbeiten natürliches Uran und Asbest freisetzen. Unterstützt von AktivistInnen sozialer Zentren hatten sie 2006 die Baustelle besetzt. Nachdem die Polizei geräumt hatte und ihrerseits die Baustelle besetzt hielt, wurde ihr von DemonstrantInnen mit Blockaden der Nachschub abgeschnitten. Nach 20 Stunden gab die Polizei auf. Im März kündigte Berlusconi den baldigen Weiterbau an (14).
Auch internationale Klima-AktivistInnen kritisieren Impregilo. Die Firma hält die größte Tranche eines geplanten Aluminium-Kraftwerks in Island, baut weltweit an zahlreichen umstrittenen Staudamm-Projekten (15) und will in Italien Kernkraftwerke bauen (16).
Proteste gegen G8 gestärkt
Seit Bekanntgabe der Gipfelverlegung nach L’ Aquila und Rom haben Verabredungen zum Protest auch auf den internationalen Mailinglisten Konjunktur. Auch in Berlin soll es eine Demonstration (17) “Wir sind eure Krise” geben.
Erste Proteste gegen die G8 haben in Italien bereits stattgefunden. Vom 18. bis 20. April trafen sich die Landwirtschaftsminister der G8 in Castelbrando. Mitglieder der Gruppe “Gesundheit und Umwelt” hatten schon zuvor den Schriftzug “NO OGM” (keine genmanipulierten Organismen) auf einem Feld verewigt, der aus der Luft unübersehbar war. Um allerdings “Instrumentalisierungen und Polemiken zu vermeiden” kündigten sie “auf Anraten des Polizeipräsidenten Damiano” an, den Schriftzug vor dem G8-Treffen selbst zu entfernen
Zu Beginn des G8-Treffens fand in Treviso eine öffentliche Vollversammlung gegen den Landwirtschafts-G8 statt (18). 3.000 Polizisten waren im Einsatz, Flugverbotszonen, Kontrollen und Zugangsbeschränkungen wurden eingerichtet. Es gab Protestinitiativen und Aktionen von AnarchistInnen, Disobbedienti, und AktivistInnen aus sozialen Zentren sowie der italienischen Föderation der LandwirtInnen. Demonstriert wurde gegen Umweltzerstörung, industrielle Landwirtschaft, Nano- und Gentechnik. In Rom streikten ArbeiterInnen in der Landwirtschaft für 8 Stunden. AktivistInnen von Ya Basta hatten in Treviso die Benetton-Verkaufsstelle mit Stacheldraht umzogen, um gegen die von Benetton betriebene Ausbeutung der ArbeiterInnen Patagoniens zu protestieren.
Zuvor hatten Polizei und Presse massiv gegen etwaige Aktionen eines “black bloc” Stimmung verbreitet, weil zu einer Vollversammlung aufgerufen wurde, um “radikal den Stand der Dinge zu ändern, um einen breit gestreuten Protest in Gang zu setzen, bei dem die Lust an der direkten Aktion und der Koordination entdeckt wird” (19). Medien riefen den “black bloc-Alarm” aus (20).
Einen Tag vor dem Treffen der Landwirtschaftsminister wurde in Ca’ Tron in Roncade ein Labor für Experimente mit gentechnisch veränderten Organismen “von unten sanktioniert” (21).
Nachdem sich AktivistInnen Zugang zum Gelände verschafften, warfen sie Steine auf Gewächshäuser und Videoüberwachungskameras und sprühten “No OGM” auf die Wände: “Mit dieser Aktion wollen wir die Heuchelei derer, die gentechnisch veränderte Organismen als Versuche mit positiven Auswirkungen auf die Lösung von Umwelt- Wirtschafts- und Sozialproblemen betrachten, entlarven. Es ist unser Willkommensgruß an die Delegationen derer, die glauben, die Welt auf der Haut von Milliarden von Menschen beherrschen zu können”. Unterzeichnet ist das Schreiben mit “Soziale Zentren des Nordostens”. Die Polizei meldete kurz darauf einen Fahndungserfolg und verhaftete 4 Personen in einem Auto, die angeblich gerade auf der Flucht vom Tatort gewesen seien (22).
Wenige Tage später durchsuchte die Polizei sechs “Wohnungen von ex-disobbedienti” aus Treviso und das soziale Zentrum Ubik-Lab in Ponzano Veneto (Treviso). Angeblich wurden bei der Aktion in Ca’ Tron 10 Personen identifiziert. Als belastendes Material wurden Computer, Datenträger, Farbtöpfe und Karten von Ca’ Tron, in denen die Strecken um das Zentrum eingezeichnet waren, Schuhe und Broschüren beschlagnahmt. Die Polizei behauptet, die AktivistInnen hätten einen weiteren “Anschlag” während des G8-Treffens in der Roten Zone geplant. Sprecher der betroffenen Sozialen Zentren kommentieren die Vorwürfe und Razzien als “lächerlich und surreal” (23). Gegen fünf Personen wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wegen Landfriedensbruch, Sachbeschädigung in besonders schwerem Fall, Beschädigung des Stromverteilers für die Klimatisierung der Gewächshäuser, der Fenster des Labors und von vier Kameras der Videoüberwachungsanlage (24).
In Syrakus/ Sizilien entwickelte sich vergangene Woche eine Demonstration von bis zu 3.000 Menschen gegen das das Treffen der – wie schon im norditalienischen Castelbrando in einem historischen Schloss versammelten – Umweltminister der G8-Staaten zu einem von allen Beteiligten als sehr positiv eingeschätzten Höhepunkt einer zweimonatigen Mobilisierung (25), deren wichtigstes Ergebnis der Beschluss gewesen ist, das Bündnis (26), das sich gegen den G8-Umweltgipfel formiert hatte, in eine “ständige Koordination” umzuwandeln, die die “Bewegungen (27) der Vielfalt, die gegen die Spekulationen und Zerstörungen antreten”, welche auf Sizilien und sogar grenzübergreifend von todbringender Stärke sind (28), “ab sofort unterstützen wird, angefangen bei dem Kampf gegen den Bau der Biogasanlage im Petrochemie-Komplex von Priolo-Augusta”.
Dezidiert von den Teilnehmern mitgetragen und sehr präsent (29) waren bei den Protesten auch zahlreiche selbsorganisierte Migranten, die auf Transparenten klare Forderungen an die italienische Regierung, die Präfekturen und Polizeipräsidien stellten.
Im Vorfeld der Demonstration war ein dreitägiger Gegengipfel abgehalten worden, an dem sich zusammen mit AktivistInnen aus einem breiten politischen Spektrum – darunter die Basisgewerkschaft Cobas, Rifondazione Comunista und mehrere Soziale Zentren – zahlreiche Initiativen beteiligten, die auf Sizilien gegen bereits bestehende wie geplante Bau- (30), Industrie- (31) und Nato-Mammutprojekte (32) antreten. Sie kritisieren und bekämpfen diese, weil sie für unvorstellbar schwere Schädigungen der Umwelt und der Lebensbedingungen (33) der ohnehin in sehr schlechten Verhältnissen lebenden Menschen (34) sorgen und ausschließlich der Befriedigung von Interessenlagen im nationalen wie globalen politischen und unternehmerischen Kontext dienen. Darüber hinaus war die engagierte Beteiligung von AktivistInnen aus weiteren Regionen im Süden Italiens zu verzeichnen.
Motto der Gegenveranstaltung war: “Ein Angriff auf die Zukunft der Insel: der Umwelt-G8. Atomkraft, Müllverbrennung, Umweltverschmutzung, Müll, Militarstützpunkte. Wir werden eure Krise nicht mit unserem Land bezahlen!”. Der 22. April wurde “der Aufstellung von effektiven, zwingend von jedwedem Profitiniteresse unabhängigen Entwürfen zum Thema Umwelt” gewidmet, während am Folgetag ein runder Tisch – parallel zu einem Generalstreik der Basisgewerkschaften – “aktuelle Themen wie Arbeit, Prekarität und gewerkschaftliche Kämpfe” zum Thema hatte, wobei der über die Medien – die den Inhalten der G8-Gegner keine Beachtung schenkten – verstärkte Druck auf die bevorstehende Demonstration mehr und mehr die Stimmung prägte (35).
Eine
weitere Komponente des Erfolgs der Initiativen gegen den Umweltgipfel
lag offenbar in der politischen Geschlossenheit (36)der
demonstrierenden GipfelgegnerInnen angesichts der Repression seitens
der Sicherheitsbehörden und in den Signalen der Wertschätzung, die aus
der Bevölkerung kamen, die sich – regelrecht auf die Demonstration
wartend (37) – zahlreich am Straßenrand versammelt hatte.
Videoaufnahmen
zeigen Bilder, die vermitteln, wie von behördlicher Seite versucht
wurde, ein an den G8 2001 in Genua angelehntes Klima zu schaffen.
Die Polizei demonstrierte über Tage und Wochen auf vielfältige Weise einen absoluten Überwachungswillen und kündigte explizit ihre hohe Repressionsbereitschaft an:
“Seit Tagen lebte die Bevölkerung in einer Art induzierten Alptraums – Polizeipräsidium und Präfektur hatten nämlich alle Betroffenen gemahnt: Rechnet mit Allem, wir können euch auf dem Gebiet der Öffentlichen Ordnung keinerlei Sicherheit bieten: die Black bloc sind unter us” (38). Allein der Bürgermeister Siracusas versuchte, das induzierte Klima der Angst zu entschärfen, ganz im Gegensatz zu seinem Kollegen in Treviso, der die Gewerbetreibenden persönlich dazu aufgerufen hatte, ihre Läden zu schließen. Die meisten Gewerbetreiben schenkten jedoch nicht dem Bürgermeister, sondern Medien und den Sicherheitsbehörden Gehör (39).
Im Vorfeld des Treffens
war es u.a in Catania (40) und Messina zu scharfen Kontrollen und sogar
zur vollständigen Leerung (41) des Zuges Messina-Siracusa gekommen.
Fahrgäste wurden zur Weiterfahrt in einem anderen Zug gezwungen,
potenzielle Gegengipfel- und DemonstrationsteilnehmerInnen schikaniert
und in Teilen daran gehindert, rechtzeitig zur Demonstration Siracusa
zu erreichen.
Im Zuge von Straßenkontrollen war es zu Bus- und
Autodurchsuchungen (42), Festnahmen und Anzeigen (43) gekommen, etwa
wegen des Mitführens eines Stiels für eine Hacke, den der in der
Landwirtschaft arbeitetende Besitzer mitführte und einiger Steine, die
er wegen ihrer schönen Form gesammelt hatte.
Während der Demonstration und an der großen Sperre, mit der die Zufahrtsstraße zum Schloss, in dem die G8-Umweltminister tagten blockiert war, gaben die DemonstrantInnen, die sich im Vorfeld der Proteste differenziert über die Beschneidung der Rechte durch Repression und Überwachung auseinandergesetzt hatten, geschlossen und lautstark ihre Meinung kund (44). Auch wurde in Sprechchören der G8 in Genua thematisiert und an Carlo Giuliani erinnert (45).
Als die Demonstration, die mit einigen hundert TeilnehmerInnen begonnen hatte, startete, erntete sie sogleich den Beifall von BewohnerInnenam Straßenrand. Der Zuspruch aus der Bevölkerung dauerte auf der gesamten Strecke an. Eine große Gruppe der Ultras Siracusa begrüßte die DemonstrantInnen mit lauten Sprechchören zum Thema Repression (46). Auf dem Weg zum Abschlussort wuchs die Demonstration auf einige Tausend an.
Die Zustimmung der Bevölkerung hat offenbar die Gründung der “Permanenten Koordination gegen Spekulation und Umweltverschmutzung” auf Sizilien mit angestoßen und den Mut der TeilnehmerInnen, die unter scharfen Auflagen (47) die erste größere Demonstration gegen den G8 nach dem Gipfel von 2001 in Genua veranstalteten, belohnt. Wie zahlreiche Videoberichte zeigen, überschlugen sich am Abschlussort entsprechend freudige und empathische Danksagungen (48) an die Bevölkerung, an die TeilnehmerInnen und an die JuristInnen des “Foro democratico”, die ihren rechtlichen Beistand geboten hatten.
Ungeachtet dessen blieb der Schutzbedarf für die
Demonstration bis zum letzten Augenblick hoch. Italien sieht seit
einigen Monaten neuen, äußerst scharfen Demonstrationsnormierungen (49)
entgegen, die unter anderem auch OrganisatorInnen unter heftigen Druck
setzen.
Zum Umwelt-G8 auf Sizilen hatte der italienische
Umweltminister unter anderem auch Stefania Prestigiacomo (50)
eingeladen, die zusammen mit ihrer Familie mehrere umweltbelastende
Unternehmen betreibt. Sie zählt zu den so-genannten “Institutional
Playgirls” des Ministerpräsidenten, der schon als Medientycoon mit dem
Rezept “Titten, Ärsche und rosafarbene Träume” sein Glück machte.
Auch
auf Sardinien war Bewegung in die Protestvorbereitung gekommen. Die
“Mesa Sarda. A fora su G8” (“Sardischer Tisch. Raus mit dem G8”) will
für soziale Gerechtigkeit und nationale Souveränität kämpfen und
organisiert ein Treffen “aller Nationen ohne eigenen Staat”. Das
Treffen soll am 8. und 9. Juli stattfinden, für den 10. Juli war eine
Demonstration in Olbia bei La Maddalena geplant.
“Wir kommen um die
Feststellung nicht herum, dass die Entscheidung der italienischen
Regierung selbstverständlich populistischen Charakters ist und dass sie
darauf abzielt, ihre Hegemonie im Vorfeld der Europawahlen zu
konsolidieren, um der noch unbeugsamen Oppostion den Todesschlag zu
versetzen”:
“Wir von den antikolonialistischen sardischen
Unabhängigkeitsbewegungen (51) werden anprangern, wie man von einem
Betrug zu einem bösen Witz übergegangen ist, in dem unser Land und die
Hoffnungen der Sarden wie ein Einweg-Fußlappen benutzt wurden. Zuerst
hat uns der italienische Staat was über infrastrukturelle
Verbesserungen (die Sasssari-Olbia-Straße) vorgemacht und über die
Arbeitsmöglichkeiten, die massenhaft über ein durch Arbeitslosigkeit
geschundenes Land heruntergeregnet wären. Dann haben sie für die
Infrastrukturen vorgesehenen Mittel umgeleitet und der Präsidentin des
Arbeitgeberverbands Marcegaglia den gesamten Betrieb der Hotelanlagen,
des touristischen Hafens und der Anlagen auf dem Arsenale-Gelände auf
La Maddalena (finanziert von uns Sarden!) zugeschlagen”
Pressemitteilung von Mesa Sarda zur G8-Standortverlegung (52)
In einem Interview erklärte Mesa-Sarda Mitglied Bastiano Cumpostu: “Wir von Mesa Sarda A fora su G8 haben mit den no global Themen gemeinsam. Wir sind nicht damit einverstanden, dass man unser Land als Wohnzimmer für die G8-Staatschefs benutzt”.
“Die Gipfel-Teilnehmer werden von uns hören”, kündigte auch Francesco Caruso, ex-Parlamentarier mit Rifondazione Comunista und früherer Repräsentant der “Disobbedienti”, in einem Interview mit der sardischen Tageszeitung L’ Unione Sarda an. Der Ex-Parlamentarier der Rifondazione Comunista kritisiert die angestrebte Abwesenheit politischen Protests (53): “(Berlusconi) nutzt das Drama der Obdachlosen zu Propagandazwecken aus und will gleichzeitig das Demonstrationsrecht der Globalisierungsgegner beschneiden”.
"Die Tatsache, dass sich die Großen der Welt auf
einer Insel verstecken, ist ein Zeichen von Schwäche. Seit Jahren weist
die Globalisierungskritik auf Wirtschafts- und Umweltrisiken hin.
Jetzt, wo all unsere Vorhersagen eingetreten sind, verbarrikadieren
sich die Großen der Welt”.
Francesco Caruso (54)
Spannend dürften die angekündigten Proteste gegen das Treffen der Universitätsrektoren der G8-Staaten vom 17. bis 19. Mai in Turin (55) werden. Die Bewegung gegen die “Gelmini-Reform” ruft zur Blockade des Treffens aufgerufen (56). Die breite Protestbewegung gegen Massenentlassungen und Reformen im Bildungsbereich und den Verlust von Autonomie hatte letztes Jahr zu teils heftigen, militanten Massenprotesten geführt.
Bereits zum Treffen der G8-Landwirtschaftsminister in Treviso wurden über Medien reißerisch angebliche polizeiliche Erkenntnisse über geplante Proteste mit angeblicher Vorbereitung militanter Aktionen eines “black bloc” propagiert. Das Konstrukt des “black bloc” geistert in der italienischen Öffentlichkeit seit dem G8 in Genua 2001 herum. In Gerichtsverfahren hatten Polizei und Staatsanwaltschaft versucht, den “black bloc” als eine “internationale terroristische Vereinigung” gerichtsfest zu machen und AktivistInnen wegen Mitgliedschaft in derselben zu hohen Haftstrafen zu verurteilen. “Sicherheitskreise” behaupten, dass sie seit einem Jahr beobachteten dass “kleine anarchistische Gruppen” aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland die Region um La Maddalena auskundschaften würden.
Links
(1) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30215/1.html
(2) http://precariispra.blogspot.com/2009/04/g8-laquila-quel-che-il-premier-non-ha.html
(3) http://www.sardinien.com/blog/2009/04/sicherheitsmanahmen-straensperrungen.cfm
(4) http://nrwz-online.de/v5/rottweil/00026322
(5) http://www.epicentrosolidale.org
(6) http://www.umbrialeft.it/node/16957
(7) http://abruzzo.indymedia.org/article/6263
(8) http://www.radicaleyes.it
(9) http://femminismo-a-sud.noblogs.org/post/2009/04/12/abruzzo-prove-tecniche-di-occupazione-militare
(10) http://www.youtube.com/watch?v=zz8GuoCjIKo
(11) http://de.wikipedia.org/wiki/Impregilo
(12) http://www.wsws.org/de/2009/apr2009/ital-a15.shtml
(13) http://www.notavtorino.org/documenti/tedesco/zehntausende.htm
(14) http://www.dw-world.de/dw/article/0,,4072624,00.html?maca=de-rss-de-all-1119-rdf
(15) http://www.ilisu.org.uk/impregilo.html
(16) http://www.ateneinrivolta.org/content/inchiesta-sul-terremoto-dellassemblea-di-psicologia-1-e-2-de-la-sapienza-0
(17) http://www.gipfelsoli.org/Home/La_Maddalena_2009/6905.html
(18) http://www.oggitreviso.it/g8-allerta-contro-black-bloc-14354
(19) http://www.oggitreviso.it/g8-allarme-sicurezza-14302
(20) http://gazzettino.it/articolo.php?id=54001&ordine=asc
(21) http://www.globalproject.info/art-19611.html
(22) http://www.oggitreviso.it/assalto-ca-tron-14487
(23) http://anonymouse.org/cgi-bin/anon-www_de.cgi/http://www.gazzettino.it/articolo.php?id=55805&sez=NORDEST
(24) http://www.venetouno.com/leggi_notizia.asp?Notizia=5823&UpdateCount=true
(25) http://www.youtube.com/watch?v=5s21oeAuII0
(26) http://calabria.indymedia.org/article/3402
(27) http://www.youtube.com/watch?v=kKDlx_QHHjg
(28) http://wapedia.mobi/de/Augusta-Priolo
(29) http://www.youtube.com/watch?v=LGe38A4nbog
(30) http://www.youtube.com/watch?v=Q39nZtSG8D0
(31) http://www.youtube.com/watch?v=ihtb_LFDp3Y
(32) http://www.youtube.com/watch?v=dXJK_wabTXo
(33) http://www.youtube.com/watch?v=EmbIPYdqTHE
(34) http://www.youtube.com/watch?v=410OSnr3-4E
(35) http://www.youtube.com/watch?v=gGCUT2VvQkw
(36) http://calabria.indymedia.org/article/3440
(37) http://www.youtube.com/watch?v=hymT2KDWQgc
(38) http://www.carta.org/campagne/ambiente/17254
(39) http://www.youtube.com/watch?v=vOBUk7PbHWY&feature=related
(40) http://www.youtube.com/watch?v=CiH7O9LTMvE
(41) http://www.youtube.com/watch?v=McrfLZ95SoQ&feature=relateddes
(42) http://calabria.indymedia.org/article/3464
(43) http://calabria.indymedia.org/article/3463
(44) http://www.youtube.com/watch?v=KTLNodv8JlE&feature=related
(45) http://www.consorziodellearti.it/contro-G8-230409-corteo.wmv (timecode 05:57)
(46) http://www.step1.it/index.php?id=5391-loro-g8-in-piazza-un-popolo
(47) http://www.youtube.com/watch?v=yMqdtUDGwl0
(48) http://www.youtube.com/watch?v=yMqdtUDGwl0&NR=1
(49) http://gipfelsoli.org/Home/La_Maddalena_2009/6091.html
(50) http://www.youtube.com/watch?v=EWfUIk1uDHE
(51) http://www.youtube.com/watch?v=uvCCRZuMfKI
(52) http://g82009.splinder.com/post/20388522/Comunicato+Stampa+%22Mesa+Sarda++
(53) http://www.jungewelt.de/2009/04-27/026.php
(54) http://www.sardinien.com/blog/2009/04/protestbewegung-gegen-den-g8-gipfel-auf.cfm
(55) http://g8u-summit.jp/english
(56) http://www.edu-factory.org/edu15/index.php?option=com_content&view=article&id=157:against-the-unsustainable-g8-university-summit&catid=34:struggles&Itemid=53
Mobilisation against G8 2009 in Italy
- altrog8 www.altrog8.org
- Contra a su g8 http://contraasug8.altervista.org
- Contro il G8 agricoltura www.assemblea.gelohc.com
- Contro il G8 dell’università a Palermo http://palermocontrog8.blogspot.com
- EduFactory http://www.edu-factory.org
- G8 Università Torino www.notremonti.org
- G8 University summit http://g8u-summit.jp/english
- Onda No G8 http://ondanog8.blogspot.com
- Osservatorio Informazione G8 2009
- radicaleyes.i www.radicaleyes.it
- Rappresentanze Sindicali http://sardegna.rdbcub.it
- Rete Anarchica Antimilitarista www.reteantimilitarista.info
- Rifondazione Sardegna http://rifondazionelibera.blogspot.com
- rosso vivo www.rossovivo.net
- Sardigna Ruja http://sardignaruja.altervista.org
- sardinien.com http://www.sardinien.com/blog/labels/g8.cfm
- towardsG8 www.towardsg8-2009.org/events
- Verso il g8 di torino! http://corsari-milano.noblogs.org