1, 2, 3 letzte Chance vorbei – vom dreimal verhinderten Nazigroßaufmarsch in Dresden

auch 2012: No han pasado

gemeinsame Auswertung von VerDi, ALF & RL

Dieses Jahr haben wir gleich zweimal nach Dresden mobilisiert. Am 13. und 18. Februar waren AntifaschistInnen aus Nürnberg/Region mit dabei, als es galt die erfolgreiche Strategie von 2010/11 zu einem Abschluss zu bringen. In den Vorjahren marschierten die FaschistInnen immer am 13. Februar und in Form eines Großaufmarsches am darauffolgenden Samstag. (2009: ~7000 Nazis). 2010 und 2011 konnte dieser Aufmarsch mittels Massenblockaden und anderen Aktionen verhindert werden. Dieses Jahr haben die Nazis abgewartet und letztlich die Anmeldung einer Demo am Wochenende zurückgezogen. Sie planten nurmehr eine Demo am 13.02., ein Montag.

 

Daraufhin stellten wir unsere Mobilisierung um: Am Montag sollte versucht werden, den Naziaufmarsch mit Blockaden wenigstens zu behindern – mangels Masse schien eine Totalblockade unrealistisch. Am Samstag sollte eine antifaschistische Demonstration stattfinden, um den Erfolg der Blockaden, die Fruchtbarkeit spektrenübergreifender Zusammenarbeit und die Solidarität gegen Repression auf die Straße zu tragen.

 

Und so geschah es:


Am 13.02. sind 6.000 AntifaschistInnen in Dresden auf die Straße gegangen, darunter ein Bus aus Nürnberg/Region. 2.500 beteiligten sich am Mahngang Täterspuren, der an Orten nationalsozialistischer Verbrechen vorbeizog. Davon ging ein eindeutiges Signal aus: Schuld an mehr als 80 Millionen Opfern im 2. Weltkrieg war der deutsche Faschismus und sein rassistisches, menschenverachtendes Weltbild. Dresden war dabei Teil des Systems und keine "unschuldige Kulturstadt". Danach konnte die ursprünglich von den Nazis angemeldete Route blockiert werden, so dass 1600 angereiste „KameradInnen“ eine lächerliche Runde um den Block drehen durften, bevor sie frustriert von Dannen zogen.

 

Am 18.02. waren es dann 4 Busse aus der Region, die sich im Südkonvoi mit ca. 16 Bussen auf nach Dresden machten und dort mit über 10.000 anderen zu feiern und zu demonstrieren.

 

Für beides gab es Grund genug.

 

Zu feiern gab es den beachtlichen Erfolg, Europas größten Aufmarsch von FaschistInnen verhindert zu haben und das in einer Stadt, die ihnen alles andere als Steine in den Weg legte. Auch eine Intervention in den geschichtsrevisionistischen Dresdner Gedenkdiskurs ist gelungen. War es bis vor 3 Jahren noch normal, dass in Dresden deutscher Opfer gedacht wurde, während kein Wort über TäterInnen verloren wurden, hat inzwischen eine Kontextualisierung stattgefunden. Die Rolle Deutschlands als Verursacher von Krieg und Faschismus wird nun zumindest immer mit erwähnt.

 

Und es galt diesen Erfolg auch öffentlich deutlich zu machen. Denn Massenmedien versuchten wider besseren Wissens bis zuletzt, den bürgerlichen Protest in Form symbolischer Menschenketten oder Mahnwachen oder Gottesdiensten weitab von den Nazis als Erfolgsmodell gegen den Aufmarsch zu etablieren. Die tatsächliche Verunmöglichung des Aufmarsches und die tatsächliche Frustration  der Nazis, erfolgte jedoch nicht durch „Händchenhalten“, sondern die entschlossenen Blockadeaktionen.

 

Zu demonstrieren gab es an diesem Tag auch genug. Natürlich die Stärke, Mobilisierungsfähigkeit und Geschlossenheit einer spektrenübergreifenden antifaschistischen Bewegung, die nach Dresden mit einem anderen Selbstbewusstsein auftreten darf.

 

Und es musste gegen die staatliche Kriminalisierung des Widerstands demonstriert werden. Nach den erfolgreichen Blockaden 2010/2011 sah sich die Bewegung mit der größten Repressionswelle seit Jahren konfrontiert. ,Dresden Nazifrei' soll eine kriminelle Organisation, das Verhindern von Naziaufmärschen soll Landfriedensbruch und das Tragen einer Fahne soll eine Anstiftung dazu sein. Gegen uns gingen Staatsanwaltschaften und Polizei mit Pfeffergas, Schlägen und Tritten, Hausdurchsuchungen, Handyüberwachungen, Bespitzelungen und Spaltungsversuchen vor.

Und es wurde demonstriert. Dass wir uns nicht einschüchtern lassen; dass wir solidarisch sind; dass wir zu unserer gemeinsamen Aktion stehen und zu denen, die dafür nun kriminalisiert werden; dass ziviler Ungehorsam eine legitime Aktion ist, um faschistische Aufmärsche zu verhindern; dass wir uns nicht mit Extremismustheorien oder aufgebauschten „Gewaltdebatten“ spalten lassen.

 

Was bleibt als Resümee aus drei JahrenBlock Dresden?


Zunächst: fetten Reschpekt! an die GenossInnen aus dem Norden und Osten, die sich ganz besonders den Arsch für diese Sache aufgerissen haben!

 

Ansonsten sind es wohl die Beharrlichkeit und Entschlossenheit mit der die Causa Dresden angegangen wurde. Weder eine 4-monatige Kampagne, nach der alles ist wie vorher, noch eine „gut-dass-man-was-getan-hat“-Routine. Sondern vielmehr eine strategisch angelegte Politik, die auf verschiedensten Ebenen und mit unterschiedlichsten Mitteln stattfand. Die Herstellung einer breiten Öffentlichkeit und das Erzeugen politischen Drucks auf konservative und reaktionäre sächsische Behörden waren dabei wichtige Faktoren, um ein politisches Klima für Massenblockaden zu schaffen. Das Schmieden des breiten Bündnisses Dresden Nazifrei' war Schlüssel dafür, dass die Blockaden eine solche Mobilisierungskraft entwickelten und dafür, dass unterschiedlichste Aktionsformen neben- statt gegeneinander stattfanden.  Bei unserer Aktion – den Massenblockaden des zivilen Ungehorsams – hat sich gezeigt, dass eine transparente & für alle zugängliche Aktionsform, die den Rahmen des Symbolischen verlässt und vom Protest zum Widerstand übergeht, ein gutes Mittel der Wahl war.

 

Unabhängig von inhaltlicher Notwendigkeit  des Widerstandes gegen den ehemals größten Naziaufmarsch Europas hat „Block Dresden“ auch die deutsche Demonstrationskultur verändert. Blockadeaktionen des zivilen Ungehorsams waren bis dahin  als legitimes Mittel allenfalls bei Castor-Transporten diskutiert. Die inzwischen breite Akzeptanz dieser Grenzüberschreitung als Mittel der Auseinandersetzung gegen Nazis wäre ohne die jahrelange konsequente Kampagne nicht denkbar gewesen.

 

Insgesamt war bei der Kampagne der Dreiklang Gegen Nazis – Gegen Opfermythen – Gegen Extremismusquatsch eine inhaltlich sowohl richtige wie auch bündnismäßig tragende Stoßrichtung.

 

Die Breite, die Dresden Nazifrei repräsentiert, haben wir hier in der Region mitvollzogen. Es fanden in Nürnberg, Fürth und Erlangen zahlreiche Veranstaltungen statt und es gab eine Solidaritätserklärung gegen die Repression, die von 40 Gruppen und über 200 Einzelpersonen unterzeichnet wurde.

 

Nach drei Jahren Zusammenarbeit blicken wir auf ein gewachsenes Vertrauen untereinander. In unseren Bussen fuhren AntifaschistInnen aus verschiedensten Spektren, die in der gemeinsamen Aktion auf der Straße vielleicht auch das eine oder andere Vorurteil abbauen konnten. Wechselseitig.

 

Selbstverständlich sind wir verschieden. Auch nach Dresden ist der humanitär bewegte Lehrer nicht 100% derselben Meinung wie die Schülerin aus der autonomen Antifa. Doch in der strategischen Aktionseinheit –  zusammengefasst durch den Aktionskonsens[1] - haben wir das Einende, nicht das Trennende, in den Vordergrund gestellt...

 

Wir erklären an dieser Stelle – gerade im Hinblick auf die wachsende Bedrohung von Rechts und das Bekanntwerden der Skandale um die NSU und den Verfassungsschutz – dass wir in Mittelfranken diesen Weg weiterverfolgen werden.

 

Ach so... last and least: Nazis & ,Groß'aufmarsch 2012


Nach dem Desaster 2011 gab es großspurige Ankündigungen aus der Naziszene, sich 2012 den Großaufmarsch nicht nehmen zu lassen und sonstwie durchsetzen zu wollen.

 

Tja, In Worms, Gera und Fürth trafen sich zusammengezählt 300 FaschistInnen.

 

Doch so lächerlich das als bundesweiter Ausdruck ist, so wenig sollte man das Auftreten der Nazis gerade hier in der Region herunterspielen. Immerhin: von drei Orten an denen sich deutsche Faschisten an diesem Tag sammelten, war einer davon Fürth! Abends gelang es ihnen, beim Infoladen Benario in Fürth die Scheiben einzuschlagen.

 

Es waren die 50-100  lokale Nazis des freien Netz Süd + Verstärkung aus Baden Württemberg, die aufmarschierten. Sie wurden - mal wieder - protegiert durch die Polizei, die danach noch in öffentlicher Kritik stand, da sie den Aufmarsch der Nazis nicht nur schützte, sondern  Antifas Platzverweise erteilte. Trotz einer kurzfristigen "Eilanmeldung" und konspirativer Vorbereitung waren mit der Zeit etwa gleich viele Nazi-GegnerInnen, die nicht in Dresden waren, vor Ort. Zudem machte die Fürther Polizei noch von sich reden, als sie eine Woche vor unserer Fahrt nach Dresden, unser Busunternehmen anrief und ihm nahelegte die Busse abzusagen. Das Busunternehmen kam dem nach, wobei sich auch herausstellte, dass dieses Unternehmen in der Vergangenheit auch Nazis transportierte. Nun wir fanden ein anderes und werden unsere Konsequenzen ziehen...

 

Für AntifaschistInnen, ob linksradikale oder gewerkschaftliche, bürgerliche oder autonome, gibt es noch viel gemeinsam zu tun dieser Tage...

 

Auf zu neuen Taten!


z.B. am 31.03. zur Antifa-Demo gegen Naziterror & Verfassungsschutz in Nbg

 

Antifaschistische Linke Fürth (ALF),  ver.di Mittelfranken, Radikale Linke Nbg (IL)

Nürnberg/Fürth März 2012

 


[1]- Wir leisten zivilen Ungehorsam gegen den Naziaufmarsch.

- Von uns geht dabei keine Eskalation aus.

- Unsere Massenblockaden sind Menschenblockaden.

- Wir sind solidarisch mit allen, die mit uns das Ziel teilen, den Naziaufmarsch zu verhindern.