Oury-Jalloh-Demo: Behinderungen und Faustschläge

Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) wird vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Rüdiger Erben kritisiert. (FOTO: DPA)
Erstveröffentlicht: 
12.01.2012

DESSAU/MZ/ASC/GAU/HK. Fünf Tage nach dem Polizeieinsatz beim Oury-Jalloh-Gedenken in Dessau gibt es Hinweise darauf, dass die Polizei nicht nur gegen Demonstranten vorgegangen ist, die Plakate mit dem umstrittenen Slogan "Oury Jalloh, das war Mord" getragen haben. Zwei der Transparente hatten die Beamten beschlagnahmt, weil die Polizeiführung das Verwenden des Spruchs für eine Straftat hielt.

 

Inzwischen hat Polizeipräsident Kurt Schnieber vor dem Innenausschuss des Landtages eingeräumt, die Lage jetzt rechtlich anders zu bewerten. Nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Ronald Brachmann (SPD) sei Schnieber auch darum bemüht, das zerstörte Vertrauen zu den Jalloh-Symphatisanten wieder herzustellen.

Auf Bildern des Berliner Fotografen Hermann Bach, die der MZ vorliegen, ist eine junge Frau zu sehen, die am Anfang der Demo zusammen mit anderen ein Transparent trägt. Das enthält allerdings nicht die umstrittene Aufschrift, sondern die Mord-Definition aus dem Strafgesetzbuch. Darunter ist der Satz "Wir gedenken Oury Jalloh" zu lesen. Mehrere Polizisten wollen die Gruppe offenbar am Weitergehen hindern, obwohl der als strafbar eingestufte Slogan auf dem Transparent nicht auftaucht. Später nahm Bach die junge Frau im Bahnhof auf, umringt von behelmten Polizisten, von dem Transparent ist nichts mehr zu sehen. Ein Mann, der das Transparent am Anfang mit getragen habe, sei in der Bahnhofshalle von Beamten weggeführt worden, berichtete Bach.

"Wiederholt ist gegen Leute vorgegangen worden, die kein Plakat in der Hand hatten", sagte auch Mario Bialek, der die Oury-Jalloh-Demos seit Jahren beobachtet. "Einen derartig rabiaten Polizeieinsatz habe ich in Dessau noch nicht erlebt." So sei es schon während des Umzugs ohne ersichtlichen Grund zu Handgreiflichkeiten zwischen Beamten und Demonstranten gekommen. Auf einem der MZ vorliegenden Video ist auch zu sehen, wie ein Beamter auf einen Demo-Teilnehmer mit der Faust einschlägt.

Innenausschuss-Chef Brachmann kritisierte das Verhalten der Polizei nach Ansicht des Videos: "Die sind nicht gerade zimperlich vorgegangen." Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sagte, das Vorgehen gegen Demonstranten sei Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Sollte sich dabei herausstellen, dass Beamte sich strafbar gemacht hätten, werde das disziplinarrechtliche Konsequenzen haben.

Die Innenpolitikerin der Linken, Gudrun Tiedge, erklärte nach der Ausschusssitzung, die Demo-Teilnehmer würden von der Polizei kriminalisiert. Eine von Tiedge verlangte Anhörung von Demonstranten im Ausschuss wurde jedoch abgelehnt. Tiedge verteidigte hingegen die Ablösung des Rechtsdezernenten der Polizeidirektion, Georg Findeisen, durch Stahlknecht. Ähnlich äußerte sich der Innenexperte der Grünen-Fraktion, Sebastian Striegel: "Wir sind bei der Aufklärung einen Schritt weiter gekommen." Stahlknecht habe "schlüssig" die Vorgeschichte des umstrittenen Einsatzes dargestellt. Es sei klar, dass der Polizeipräsident falsch beraten worden sei.

Damit nehmen die Grünen einen Teil ihrer Kritik zurück. Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke hatte zunächst von einem "Bauernopfer" gesprochen. Kritischer sah SPD-Fraktionsvize Rüdiger Erben die Sitzung. "Ich bin jetzt auch nicht klüger als vorher." Er könne nicht nachvollziehen, dass die Einsatzvideos nicht gezeigt wurden. Erben kritisierte auch Stahlknecht wegen der Versetzung Findeisens. "Das war bestimmt keine juristische Glanzleistung. Jetzt wird aber alles bei einem Mann abgeladen." Erben monierte zudem, dass Findeisen von seiner Versetzung erst durch Medienberichte erfahren habe.