[S] Kein Mord für Sport?

Tierfabriken

Heute soll der Tiere gedacht werden welche in der Ukraine für die Männerfußball-EM 2012 „grausam getötet werden“ [Flyer von „Aktion Fair Play – EM 2012 ohne Tiermorde STUTTGART; alle Zitate aus diesem Flyer]. Weiter heißt es dort dass in der Ukraine „tausende Straßenhunde und Katzen grausam getöt, vergiftet, erschlagen, z.T. lebendig verbrannt werden“. Mitangeklagt wird auch „das neue Gesetz in Rumänien, das die Tötung von Straßenhunden legalisiert und tausende Hunde zum Freiwild macht“. Der Adressat der Beschwerde ist also klar: Die „Aktion Fair Play“ wünscht sich dass der Staat de Tiere weiterhin beschützt mit seinen Gesetzen. Am Besten sogar noch besser als bisher. Wer ist dieser Staat eigentlich den die „Aktion Fair Play“ hier bittet, etwas gegen den „Mord für Sport“ zu tun?

 

Über den Staat im Allgemeinen

Der Staat organisiert nicht nur in Rumänien, sondern in jeder seiner Formen auf der ganzen Welt die Nutzung der Ressourcen welche für den kapitalistischen Normbetrieb notwendig sind. Unter diese Ressourcen fallen die menschliche Arbeitskraft, Tiere, Pflanzen und die unbelebte Natur. Der Staat schützt uns keineswegs davor 40 Stunden in der Woche schuften zu müssen. Er schützt auch die Tiere nicht davor Millionenfach hingerichtet zu werden um dann gegessen zu werden, von eben jenen, die soviel arbeiten müssen das sie gar keine Zeit haben sich um die Tiere die „Hilfe brauchen“ zu kümmern.

Der Staat schützt also nicht das Recht auf ein gutes Leben (oder im Falle der Tiere für ein Leben generell), sondern schützt nur vor der Vernutzung des Lebens. Begrenzung des Fischfangs, Begrenzung der Medikamente für Tiere, Maximalgrößen für Tierfabriken, 40 Stunden Woche für Arbeiter_innen sind keine staatlichen Wohltaten. Es geht einzig darum, die Grundlage der Ressourcen am Leben zu halten, um sie weiter ausbeuten zu können.

Über Kritik an dem Normzustand

Jeder Appell an den Staat sagt also in deutlicher Sprache: „Wir haben gar nichts dagegen, jeden Tag für deine Interessen arbeiten zu gehen und benutzt zu werden. Aber wenn schon bitte, dann nicht so!“ Wird also „Stoppt den Mord für Sport“ gerufen, scheint es darum zu gehen, das der Nutzen (Sport) nicht mehr im Einklang mit dem Mittel (Mord) steht. Eine wirkliche Kritik des Normzustandes unserer Gesellschaftsordnung sieht anders aus. Mit keinem Wort wird das tägliche Morden, kaputtschuften und ausnutzen von Mensch und Tier im Kapitalismus erwähnt oder gar kritisiert.

Über das Wegschauen

Zur Mahnwache, so der Flyer, „ist jeder eingeladen, der nicht wegschauen möchte.“ Wer nicht wegschauen möchte, sollte vielleicht tote Hunde in der Ukraine erst einmal tote Hunde in der Ukraine sein lassen, und lieber schauen wie die Gesellschaft aufgebaut ist in der wir hier alle leben. Dieser Beginn einer kritischen Analyse des Kapitalismus kann mehr bewirken, als das Appell an den Staat, der doch genau weiß was er tut: Die Gewinne einer Fußball-EM sind eben mehr wert als ein paar tote Hunde.

Diese Logik ist nun aber nichts spezielles oder auch nur in diesem Fall besonders dramatisches. Er ist nur eine gute Gelegenheit sich selbst moralisch zu erheben über jene die „Wegschauen“. So wird ein wenig gespendet, sich empört und das beste an allem: Es passiert ja nicht hier, sondern dort. Damit ist auch gleich der deutsche Staat mit seinen Tierschutzgesetzen des Positivbild zum beziehen: „Wir klagen an!“ schreibt [Aktion Fair Play] „Hunde zum Freiwild“ zu machen. Aber was ist eigentlich mit dem Freiwild?

Über die Idee hinter dieser Kritik

Jeder Versuch aus den Verstrickungen dieses Systems heraus zu kommen ist schwierig. Noch keine Kritik ist von den Bäumen gefallen. Ich hoffe einige Aktivist_innen verstehen diesen Text nicht als Affront gegen ihr Engagement sondern als ein Versuch weiter zu gehen. An dieser Stelle sei an Max Horkheimer erinnert. Dieser verglich die moderne Gesellschaft in den 30er Jahren mit einem Wolkenkratzer:

Ganz obenauf befänden sich die Magnaten der kapitalistischen Mächtegruppen, darunter die Massen der politischen Handlanger, Militärs, Angestellten und „Reste der selbständigen kleinen Existenzen“, dann die Arbeiter, und unter diesen die Erwerbslosen. Noch weiter darunter aber beginne erst „das eigentliche Fundament des Elends“, denn das gesamte Leben in den hochkapitalistischen Ländern sei ja getragen von dem Ausbeutungsapparat, der in den halb und ganz kolonialen Territorien, also im weitaus größten Teil der Erde, funktioniere. „Unterhalb der Räume, in denen millionenweise die Kulis [Tagelöhner/Lastträger] der Erde krepieren, wäre dann das unbeschreibliche, unausdenkliche Leiden der Tiere, die Tierhölle in der menschlichen Gesellschaft darzustellen, der Schweiß, das Blut, die Verzweiflung der Tiere.“ – Dieses Haus „gewährt in der Tat aus den Fenstern der oberen Stockwerke eine schöne Aussicht“ – wir sollten unsere Augen aber vor dem Blick nach unten nicht verschließen [aus http://asatue.blogsport.de/selbstdarstellung/]

Horkheimer schrieb diesen Text um auf das Elend der Tiere hinzuweisen, welche zu viele Übersehen. Hier führe ich den Text an aus umgedrehter Intension: In der Hoffnung, das einige sehen das die Tiere eben nicht die einzigen sind die Leiden: Sie sind die Opfer derselben Logik die uns alle zu Mitteln reduziert. Einem Mittel für nur einen Zweck: Profitmaximierung.

Worum es gehen muss

 Wir sollten also nicht immer wenn wir die Schlimmsten (und das sind nicht die Schlimmsten!) Auswüchse des Kapitalismus sehen nach dem Staat schreien, der einschreiten soll. Es kann nur um eine radikale Kritik gehen welche den Staat entlarvt als Sachverwalter eben jener Umstände, welche diese Auswüchse nicht als Randerscheinung erzeugt, sondern tagtäglich zwingend Produziert.

Es muss ums Ganze gehen. Um die befreite Gesellschaft für Mensch und Tier.