Den Schlussstrich gezogen unter einen ungewöhnlichen Kriminalfall in Reihen der Heidenheimer Polizei hat am Montag das Landgericht Ellwangen: Ein 38-jähriger Polizeibeamter wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. In mindestens 14 Fällen hatte der Mann Gutachten manipuliert und damit Unschuldige geschädigt.
Nachdem das Gericht am vergangenen Freitag die meisten der von B. geschädigten Kraftfahrer im Zuge der Beweisaufnahme vernommen hatte, wurden am Montag zunächst die drei Kollegen von B. als Zeugen gehört. Die vier Polizeibeamten waren mehrere Jahre als Rauschgift-Ermittlungsgruppe in Stadt und Landkreis Heidenheim tätig. Und die Kollegen stellten B. ein gutes Zeugnis aus: „Er war sehr engagiert“, war von einem der Beamten zu hören oder „wenn man ihn gebraucht hat, war er da“. Ein anderer Beamter meinte: „B. hat ein gutes Auge gehabt, wenn es darum ging, Personen beziehungsweise Kraftfahrer unter Drogeneinfluss festzustellen.“ Die Tätigkeit im Kampf gegen Drogenkonsum sei für B. eine Herzensangelegenheit gewesen. Entsprechend habe er mehrere Weiterbildungskurse besucht, um Mitglied der Rauschgift-Ermittlungsgruppe bleiben zu können.
Auch der dritte Beamte attestierte B. eine erfolgreiche Arbeit: „Er hatte öfters ein gutes Gespür.“ Dies, so der Vorsitzende Richter Gerhard Ilg, bedeute ja wohl, dass B. bei den Kontrollen eine hohe Trefferquote hatte. Alle drei Kollegen von B. gaben übereinstimmend an, nichts von den Manipulationen an der Blut-Gutachten der Universität Ulm mitbekommen zu haben. Auch könnten sie sich nicht vorstellen, dass B. versucht habe, aufgrund vieler Fallzahlen (ertappter Drogen-Lenker), in die Kommissars-Laufbahn zu kommen.
Laut Staatsanwalt Peter Homburger hat sich B. aufgrund seiner „hohen Trefferquote“ als „Vorzeigepolizist“ gefühlt. Doch offensichtlich wollte B. noch bessere Ergebnisse erzielen, mit kriminellen Methoden. In insgesamt 14 Fällen habe der Angeklagte zwischen Mai 2009 und März 2011 rechtsmedizinische Gutachten gefälscht bzw. manipuliert, Gutachten, die die jeweiligen Kraftfahrer vom Vorwurf des Drogenkonsums entlastet hatten. In einer Art Belastungseifer habe B. die THC-Werte (entstehen beim Cannabis-Konsum) so nach oben verändert, dass die meisten dieser Autofahrer ein Fahrverbot erhielten und außerdem 500 Euro Bußgeld bezahlen mussten. Einige mussten sogar zum MPU-Test, weshalb die Wiedererteilung des Führerscheins erst nach einem Jahr oder sogar noch später erfolgte. Homburger sprach von einem bewussten Vorgehen von B., der wohl der Meinung gewesen sei, dass es schon „die Richtigen“ treffe. Alles in allem sei für die gesamten Taten eine Freiheitsstrafe von drei Jahren angemessen.
Die beiden Verteidiger Christoph Reichart und Dieter Mathes räumten zwar ein, dass sich die Vorwürfe der Anklage als Fakten erwiesen hätten, dass aber ihr Mandant auch geständig gewesen sei. Da B. allein schon wegen der hohen Wiedergutmachungsleistungen schwer bestraft sei, halte die Verteidigung eine „bewährungsfähige Freiheitsstrafe“ für angemessen. Auch müsse man berücksichtigen, dass ein Polizist im Gefängnis nicht sonderlich gut gelitten sei. Konkret beantragten die Verteidiger eine Freiheitsstrafe von 21 Monaten, zur Bewährung ausgesetzt. In seinem „letzten Wort“ entschuldigte sich B. pauschal bei allen Geschädigten sowie bei seinen Kollegen.
Dem Wunsch der Verteidiger wollte sich das Gericht nicht anschließen und verurteilte B. zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe. Dies bedeutet, B. muss hinter Gitter. Richter Ilg machte deutlich, dass es nicht angehe, dass ein Polizist als Richter auftrete und Unschuldigen massive Probleme bereite. Die Justiz müsse sich darauf verlassen können, dass Polizeibeamte korrekt arbeiteten. B. habe sich wohl als eine Art „Supercop“ gesehen, der das Recht aushebeln könne, was das Vertrauen in den Rechtsstaat erheblich beschädigt habe. Allein schon die Verteidigung der Rechtsordnung gebiete es, dass B. zu einer Haftstrafe verurteilt wird.
Selbst wenn das Strafmaß unter zwei Jahren gelegen hätte, so Ilg, wäre für das Gericht keine Bewährung in Frage gekommen. Im Vorfeld der Strafverbüßung sei wegen möglicher Repressalien durch Mitgefangene eine fürsorgliche Planung unbedingt erforderlich.
Für B. bedeutet die Verurteilung, dass er aus dem Staatsdienst entlassen wird, seinen Beamtenstatus verliert und damit erhebliche finanzielle Einbußen erleiden wird.