"Emma G." und die Angst vor Räumung in der Lindengasse

Erstveröffentlicht: 
07.11.2011

Wiener "Epizentrum" ist seit mehr als drei Wochen besetzt

 

Wien - Im Versammlungsraum des besetzten Hauses ist es düster und feuchtkalt. Die Tische neben dem Diwan, den Fauteuils und Sesseln quellen vor Info-Material über. Im Hof stehen dutzende Müllsäcke herum. Aber die Abfälle darin sind nach den Mülltrennungsvorschriften sortiert.

 

Woche vier im "Epizentrum" , dem seit 14. Oktober besetzten Abbruchhaus in der Wiener Lindengasse, wo laut Initiatoren neue "Sozialräume" entstehen sollen. "Strom und Gas wurde uns schon vor Wochen abgedreht, jetzt haben wir Generatoren - und wegen der Umweltbelastung durchs Benzin ein schlechtes Gewissen. Den Müll, den transportieren wir selber ab" , schildert eine junge Frau in dicker Kleidung.

 

Wie alle Besetzerinnen hier will sie "Emma G." genannt werden: Die "Epizentrum" -Betreiber verstehen sich als Kollektiv, sämtliche Entscheidungen werden im Plenum gefällt. Das letzte Plenum habe die ganze vergangene Nacht gedauert, sagt "Emma G." .

 

Letzte Frist vor fünf Tagen

 

Dominierendes Thema: Wann mit einem Räumungsversuch zu rechnen ist. Die "letzte Frist" des Eigentümers, der Immobilienfirma Buwog, ist schon am zweiten November verstrichen. "Wir hatten mit den Besetzern über einen friedlichen Abzug verhandelt - vergebens. Jetzt sind die Behörden am Zug" , sagt Buwog-Pressesprecher Thomas Brey. Ein Sprecher der Wiener Polizei bezeichnet die "Epizentrum" -Räumung aber als "nicht unser vordringlichstes Problem" . Rechtlich könnte die Polizei jederzeit ein Platzverbot verhängen und die Besetzer bei Androhung von Verwaltungsstrafen zwingen, das Areal zu verlassen. Doch Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger (Grüne) will, "wenn möglich, keinen Einsatz der Sondereinheit Wega im Bezirk" .

 

Und in der Stadt Wien sucht Jutta Kledorfer vom Büro für Sofortmaßnahmen offenbar weiter nach einer Lösung: "Die Forderung nach selbstverwalteten Sozialräumen ist berechtigt - aber nicht an dem Standort" , sagt sie. Ein Ersatzobjekt gebe es derzeit nicht.

 

(Irene Brickner, Der STANDARD Printausgabe, 8.11.2011)