Gemeint sind wir Alle! Gefährderansprachen und Hausbesuche

Erstveröffentlicht: 
03.11.2011

Die Methode Waschweib

Hessens Innenminister Boris Rhein verfolgt nach eigenem Bekunden die Linie der “null Toleranz” – gegenüber gewaltbereiten Fußballfans und solchen, welche seine Behörden dafür halten. Nun kündigt der Innenminister nicht nur vermehrt Hausbesuche und “Gefährderansprachen” durch die Polizei an. Die Polizei soll auch die Arbeitgeber ins Visier geratener Fans informieren. Willkommen in Denunziantenland.

 

Was geht es den Arbeitgeber an, was sein Angestellter in der Freizeit macht? Erst mal nichts, so lautet jedenfalls bisher die übereinstimmende Meinung. Deshalb gibt es für das Strafverfahren auch keine Vorschrift, welche Polizei, Staatsanwaltschaften oder Gerichten erlaubt, den Arbeitgeber eines Beschuldigten über ein laufendes Verfahren oder eine Verurteilung zu informieren.

 

So was wird dementsprechend auch nicht gemacht. Und das hat seinen guten Grund. Das Strafgesetzbuch selbst enthält nämlich keinen Abschnitt “Soziale Bloßstellung als Nebenstrafe”. Es ist weder Aufgabe noch Recht der Strafverfolgungsbehörden, einen Betroffenen auch noch hinten rum zu schaden, indem sie ihn durch gezielte Mitteilungen im schlechtesten Fall arbeitslos oder in seinem sozialen Umfeld zur unerwünschten Person machen.

Aber hier geht es ja offensichtlich gar nicht so sehr um verurteilte Straftäter. Sondern um als gewaltbereit klassifizierte Fans, die möglicherweise künftig Straftaten begehen. Der hessische Innenminister wird sich also auf seine Rechte im Rahmen der Gefahrenabwehr stützen. Aber auch das Hessische Sicherheits- und Ordnungsgesetz (HSOG) enthält erst mal keine ausdrückliche Ermächtigung für derartige Maßnahmen.

 

Bleibt also wieder mal nur die in jedem Bundesland zu findende Generalklausel im Polizeigesetz. Sie ermächtigt die Behörden, die zur Abwehr einer Gefahr im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Der hessische Innenminster scheint zu meinen, sozialer Druck sei eine polizeiliche “Maßnahme”.

Ich sage, das ist nichts weiter als ein Schritt in den Angststaat, weil nämlich jeder Bürger künftig fürchten muss, dass die Polizei ihn einzuschüchtern, möglicherweise aber sogar tatsächlich hintenrum zu schaden versucht. Letzteres ist die Methode Waschweib, wobei im “Erfolgsfall” dann vielleicht ganze Familien vor dem Nichts stehen.

 

Tja, kann man sagen, es trifft doch nur die gewaltbereiten Fans. Wirklich? Ich habe vor kurzem einen angeblichen Hooligan verteidigt. Bis zur Verhandlung am Gericht, in der erst über seine Schuld entschieden wurde, war er bereits in der Gewalttäterdatei Sport eingetragen, erhielt Hausbesuche von Polizisten. Sogar ein Ausreiseverbot für ein Spiel der Nationalmannschaft wurde ihm in Aussicht gestellt.

 

Vor Gericht stellte sich dann heraus, es war alles nichts als heiße Luft. Die Zeugen, Polizisten allesamt, hatten sich teilweise vertan, andere hatten das Geschehen aufgebauscht oder einseitig geschildert. Am Ende stand ein Freispruch, und den hat sogar der Staatsanwalt beantragt. Hätten Boris Rheins’ Polizeibeamte schon mal beim Arbeitgeber gepetzt, wäre mein Mandant heute mit einiger Sicherheit nicht mehr leitender Angestellter eines Konzerns.

Überdies: Wer ist als nächster an der Reihe? Die Polizei könnte auch sehr gut jeden anderen Verdächtigen oder Verurteilten durch Hinweise auf den Arbeitgeber auf die Spur zu bringen versuchen – wenn man denn grundsätzlich glauben will, dass staatliche Denunziation gegenüber Unbeteiligten die Gesellschaft vor Straftaten bewahrt.

 

Ich glaube das nicht, ich finde es schlicht verächtlich.