Polizei und Stadt befürchten: Da schaukelt sich im Stadtteil Reform etwas hoch

Mehr als 100 Linksorientierte marschieren vom Schanzenweg nach Reform und demonstrieren gegen "Rechte Gewalt in Reform"
Erstveröffentlicht: 
24.10.2011

Von Matthias Fricke

 

Reform entwickelt sich seit einiger Zeit zu einem "Neonazizentrum", glaubt ein Aktionsbündnis "Gegen Rechte Gewalt in Reform, Magdeburg und überall" und zog dagegen am Sonnabend durch Reform. Doch weder Polizei noch Stadt können solche Tendenzen bestätigen.


Reform l Der Stadtteil gleicht am Sonnabend einem Krisengebiet. Alle hundert Meter kommen Autofahrern Mannschaftswagen der Polizei entgegen. Das Aktionsbündnis "Gegen Rechte Gewalt in Reform, Magdeburg und überall" hat zur Demonstration aufgerufen. Mehr als hundert Teilnehmer folgen. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer seit etwa einem Jahr andauernden verbalen Auseinandersetzung mit einer Gruppe namens "Reformer Jungs", die angeblich zur rechten Szene gehören soll und sich im Jugendklub "Banane" im Quittenweg aufhält.

 

Ines Fritz vom linken Aktionsbündnis fasst die Vorwürfe zusammen: Es gab schon mehrmals Übergriffe gegen linksorientierte Jugendliche und außerdem haben sie Kontakte zur Hooligan-Szene sowie einen Verein gegen Kindermissbrauch, der von Neonazis für ihre Propaganda benutzt werde.

Der polizeiliche Staatsschutz kennt diese Behauptungen seit etwa einem Jahr und konnte bisher noch keine Bestätigung weder dafür, dass es Übergriffe gab, noch dass die "Reformer Jungs" rechtsradikal seien, finden.

Der Leiter des Sachgebietes für politisch motivierte Straftaten, Frank Schwitzer: "Nach unseren Erkenntnissen gibt es in Reform nicht mehr Rechtsradikale als in anderen Stadtteilen. Was die ,Reformer Jungs' betrifft, handelt es sich eigentlich um eine Fangruppe des FCM, die aber im Zusammenhang mit politisch motivierten Straftaten noch nicht aufgefallen ist. Der angesprochene Missbrauchs-Verein hat lediglich eine personelle Schnittstelle, ähnlich sieht es auch bei der Hooligangruppe aus."

 

Nach Veröffentlichungen gegen die "Reformer Jungs" im Internet und sogar einem Zeitungsartikel in der linksorientierten "Jungen Welt" unter dem Titel "Rechte Clique kontrolliert Stadtteil" sollen nach Angaben der Polizei sogar verunglimpfende Schreiben an mehreren Laternenmasten in Reform mit den persönlichen Daten und Bildern der angeblichen Rechtsradikalen geklebt worden sein. "Dadurch fühlen sich nun wiederum die tatsächlichen Rechtsradikalen und deren gewalttätige Mitläufer aus anderen Stadtteilen und dem Umland provoziert", erklärt Frank Schwitzer und befürchtet eine Fortsetzung der Spirale. Rund 30 Rechtsradikalen, die in Grüppchen im Bereich der Demo unterwegs waren, hatte die Polizei am Sonnabend einen Platzverweis ausgesprochen.

Dabei springt selbst der Beigeordnete für Jugend und Soziales Hans-Werner Brüning (Die Linke) nach einem Gespräch am Vortag mit vier der "Reformer Jungs" den jungen Leuten bei: "Befragt auf die im Internet verbreiteten Vorwürfe versicherten mir die jungen Leute, dass sie niemals rechte Parolen und Symbole verbreitet, Gewalt gegen andere ausgeübt oder gar anderen den Aufenthalt in der ,Banane' verwehrt haben."

Nach dem Auftauchen der Vorwürfe, rechtsradikal zu sein, hätten sie die Kleidung mit dem Schriftzug "Reformer Jungs" in der Schriftart Old English kaum noch getragen. Sie gaben an, sich nie über die Wirkung Gedanken gemacht zu haben. Die vier jungen Leute, so Brüning weiter, überlegen, von der Bezeichnung "Reformer Jungs" Abstand zu nehmen. Das wollen sie mit den anderen Mitgliedern der Gruppe besprechen, denn diese habe keine feste Struktur. Alle seien gleichberechtigt. Hans-Werner Brüning: "Im Ergebnis aller Umstände stellen sich die Anschuldigungen gegen das Kinder- und Jugendhaus ,Banane' aber auch gegen die jungen Leute als haltlos dar."

Für David Köster, Sprecher der AG Gemeinwesenarbeit (GWA) und Engagement-Lotse der Freiwilligenagentur in Reform, seien die "Reformer Jungs" zu unbedarft an die Sache gegangen. "Wir wollen nun die Kommunikation untereinander verbessern und auf der nächsten GWA-Sitzung das Thema besprechen."