Gestern hat die Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche e.V. im Stuttgarter Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz dem Ministerialdirektor Wolfgang Reimer stellvertretend für alle UnterstützerInnen der Kampagne gegen die Affenversuche in Tübingen 60.000 Unterschriften übergeben, verbunden mit der Aufforderung, dem Beispiel anderer Bundesländer zu folgen und der Hirnforschung an Affen in Baden-Württemberg die rote Karte zu zeigen.
In Kooperation haben Ärzte gegen Tierversuche e.V. und die Antispeziesistische Aktion Tübingen die Kampagne im Januar 2009 initiiert.
2009 und 2010 wurden jeweils Großdemonstrationen in Tübingen zum Protest gegen die Hirnforschung an Affen veranstaltet. In der Zwischenzeit hat sich in Tübingen ein breiteres lokales Bündnis gegen die Versuche gebildet, das seither viele gemeinsame Aktionen durchgeführt hat - zuletzt protestierten wir bei einer Festveranstaltung des Hertie-Instituts (vgl. auch die Dokumentation Stimmen gegen Affenversuche) sowie beim Tag der offenen Tür auf dem Max-Planck-Campus gegen die Affenversuche.
Neben dem Hertie-Institut für klinische Hirnforschung und dem Max-Plack-Institut für biologische Kybernetik wird invasive Hirnforschung an Affen in Tübingen außerdem noch am Institut für Zoologie der Universität betrieben.
An diesen drei Tübinger Instituten werden Affen für die Hirnforschung "verbraucht":
Abteilung Kognitive Neurologie, Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung, Ottfried-Müller-Str. 27, 72076 Tübingen
Labor für Primaten-Neurokognition, Abteilung für Tierphysiologie, Institut für Zoologie, Universität Tübingen, Auf der Morgenstelle 28, 72076 Tübingen
Max-Planck-Institut (MPI) für Biologische Kybernetik, Spemannstraße 38, 72076 Tübingen
Durch Durst werden die Affen gezwungen, stundenlang mit angeschraubtem Kopf Aufgaben am Bildschirm zu erfüllen. Über ein Bohrloch im Schädel werden Elektroden ins Gehirn eingeführt. Die Qual der Tiere kann Jahre dauern, der Nutzen für kranke Menschen ist gleich Null! In Berlin, München und Bremen wurden gleichartige Tierversuche nicht mehr genehmigt. Die einzigen Nutznießer sind die Experimentatoren selbst, die sich mit Veröffentlichungen profilieren und Forschungsgelder einstreichen. Finanziert wird alles durch öffentliche Gelder, seitens der Institute besteht aber kein Wille, der Öffentlichkeit Einblick zu gewähren.
"Für die Krankheitsforschung des Menschen sind diese Erkenntnisse unbrauchbar, da man von einem Affenhirn aufgrund der großen Unterschiede nicht auf ein Menschenhirn schließen kann", kritisiert Diplombiologin Silke Bitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Ärztevereinigung. In seiner Begründung für die Forderung nach einem sofortigen Verbot der Hirnversuche an Affen verweist Ärtzte gegen Tierversuche e.V. zudem auf die Einschätzung der Genehmigungsbehörden anderer Bundesländer, die derartige Forschungsprojekte nicht mehr genehmigt haben, da das Leid der Affen als zu hoch und der medizinische Nutzen als nicht gegeben erkannt wurden. In seinem Ablehnungsbescheid legte beispielsweise das in Berlin zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales dar: "Um einem lebensbedrohlichen Leiden (Durst) zu entrinnen, fügt sich das Tier in ein anderes erhebliches Leiden (Kopffixierung im Primatenstuhl)". Die weiteren im Versuchsablauf stattfindenden Eingriffe wie die lokale Drogenapplikation, die chemische oder elektrische Aktivierung bestimmter Hirnbereiche oder die Messungen im Magnetresonanztomographen stuft die Behörde als zusätzliche Belastung ein. Auch die Genehmigungsbehörden in Bremen und München lehnten Versuche am Affenhirn aus diesem Grund ab. In Baden-Württemberg hingegen werden vergleichbare Hirnversuche an Affen noch immer praktiziert.
Auf Nachfrage der Ärztevereinigung bei der ehemals schwarz-gelben Landesregierung, welchen medizinischen Nutzen die Affenhirnforschung erbracht habe, hieß es pauschal, die Prüfung des unmittelbaren Nutzens, z.B. im Sinne eines therapeutischen Fortschritts, sei nicht angezeigt, da es sich um Grundlagenforschung handelt.
In ihrer ersten Bilanz der Kampagne, welche sie nach einem Jahr gezogen hatte, hatte Ärzte gegen Tierversuche e.V. die Verantwortlichen in der Politik angeklagt, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. "Solange sich die Politik schützend vor die einflussreiche Tierversuchslobby stellt, anstatt sich klar zu einer tierversuchsfreien Forschung zu bekennen, dürfen wir mit dem öffentlichen Druck nicht nachlassen", hatte sie damals an die Bevölkerung appelliert.
Am 27. März 2011 wurde der 15. Landtag von Baden-Württemberg gewählt; in Folge musste die CDU nach 58 Jahren die Regierungsverantwortung an eine Koalition aus Grünen und SPD abgeben; mit Winfried Kretschmann wurde erstmals ein Grünen-Politiker zum Regierungschef eines deutschen Bundeslandes gewählt. Reinhold Pix, Landtagsabgeordneter und tierschutzpolitischer Sprecher der grünen Regierungspartei, war bei der heutigen Unterschriftenübergabe zugegen und meinte: "In unserem Wahlprogramm hatten wir uns klar zu einem Ende der Affenversuche innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens ausgesprochen sowie möglichst für eine Abschaffung der Tierversuche generell, zumindest aber eine jährliche Reduzierung um zehn Prozent. Unseren Bürgern und Wählern gegenüber sind wir hierzu nun verpflichtet und müssen diesen Regierungsauftrag umgehend erfüllen".
Man darf gespannt sein, ob - und wenn ja, wie schnell - die politisch Verantwortlichen ihre Versprechen verwirklichen werden. Protest und Druck auf allen Ebenen erachten wir nach wie vor als notwendig und unabdinglich - so lange, bis die Experimente an Affen Vergangenheit sind!
SWR-Bericht: Grüne gegen "sinnlose" Hirnforschung an Affen