Wem nützt es? - Kommentar der JW zu den misslungenen Brandanschlägen gegen die Bahn.

Erstveröffentlicht: 
14.10.2011

DB-Insider äußern massive Zweifel an den Darstellungen der Behörden zu angeblich geplanten Brandanschlägen auf Bahnstrecken

Von Rainer Balcerowiak

 

Nachdem am Montag auf der Bahnstrecke von Berlin nach Hamburg Signalkabel durch einen Brandanschlag beschädigt wurden, sind bis Donnerstag mittag in Berlin und dem Umland angeblich 16 weitere weitgehend baugleiche Brandsätze an Bahnanlagen gefunden worden. Allerdings funktionierte der Zündmechanismus nur im ersten Fall. Bei einem am Mittwoch gefundenen Brandsatz in Staaken, bei dem es ursprünglich hieß, er sei an der Strecke explodiert, räumten die Ermittlungsbehörden mittlerweile ein, daß dieser schon wesentlich früher und möglicherweise an einem anderen Ort abgebrannt sei. Die Funde seien auf die intensivierten Sicherheitskontrollen an Bahnanlagen zurückzuführen, so Polizei und DB-AG-Sprecher. Man gehe davon aus, daß in den kommenden Tagen weitere Brandsätze entdeckt würden.

DB-Insider äußerten gegenüber jW massive Zweifel an dieser Darstellung. Das nach dem Brand am Montag angekündigte großflächige Absuchen von Bahnanlagen sei aufgrund der Größe des Netzes überhaupt nicht möglich und habe nach Beobachtung von Mitarbeitern auf vielen Strecken überhaupt nicht stattgefunden, wurde berichtet. Daß unter diesen Umständen 16 Brandsätze gefunden wurden, sei ein »kaum noch nachvollziehbarer Zufall«, weil es sich faktisch um die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen gehandelt habe. Da Streckenläufer der Bahn und Polizisten gezielt zu bestimmten Streckenabschnitten oder Infrastrukturanlagen geschickt würden, deuteten die Brandflaschenfunde »auf hellseherische Fähigkeiten der Einsatzleiter« in bezug auf mögliche Brandbombenfunde hin, hieß es weiter.

Auch der vermeintliche Dilettantismus der Täter ist für Insider nicht nachvollziehbar. Nach ersten Behördenangaben habe in den meisten Fällen einsetzender Regen die Auslösung des Zündmechanismus verhindert bzw. den Vorgang unterbrochen. An mehreren Fundorten, z.B. im Eingangsbereich des Nord-Süd-Tunnels, hätten die Brandsätze aber problemlos regenwassergeschützt deponiert werden können. Doch auch dort, wo die gefundenen Behältnisse nicht feucht werden konnten, versagte – abgesehen vom ersten Brandsatz am Montag – der Zünder. Die Bundesanwaltschaft wollte sich am Donnerstag nicht zu diesen Fragen äußern. Man müsse die sichergestellten Brandsätze zunächst umfassend untersuchen, hieß es auf jW-Nachfrage. Und zu den Prioritäten beim Einsatz von Streckensicherungskräften werde man sich »aus ermittlungstaktischen Gründen« ebensowenig äußern wie zu bisherigen Erkenntnissen über die möglichen Täter.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gab sich gegenüber der Tageszeitung BZ (Donnerstagausgabe) etwas gesprächiger. Die Täter seien »keine große, organisierte, sondern eine kleine linksextremistische Gruppe, deren Aktivitäten von der linksextremistischen Szene überwiegend abgelehnt werden«, so Körting. Offensichtlich verfügten die Täter aber über Fachwissen: »Sie waren sachkundig, kannten sich auf den Bahnanlagen aus, wußten genau, wo sie die Brandsätze deponieren mußten, um im Falle einer Zündung eine erhebliche Gefährdung des Bahnverkehrs zu erreichen.« Doch zu der Frage, ob die Brandsätze abgesehen vom ersten überhaupt zündfähig gewesen seien, wollte sich der Senator nicht äußern. Auch dies sind nach Einschätzung von Insidern bemerkenswerte Aussagen. Denn wer – außer Bahn-Mitarbeitern und Sicherheitsexperten– könnte ein derartiges Fachwissen haben. Man wolle keine Verschwörungstheorien aufstellen, hieß es gegenüber jW. Doch die »Brandbombenserie« weise sehr viele Ungereimtheiten auf. Zu denen gehöre auch, daß interessierte Politiker und »Verfassungsschützer« in Deutschland sofort vor einer »neuen linksterroristischen Gefahr« warnten und erweiterte Befugnisse für die Sicherheitsbehörden forderten. So weit geht bislang aber nicht einmal die Bundesanwaltschaft. Sie ermittelt nicht wegen terroristischer Straftaten, sondern wegen des »Verdachts der verfassungsfeindlichen Sabotage«.