Offenburger Strafrechtler zeigt Neonazis wegen Volksverhetzung an

Erstveröffentlicht: 
13.10.2011

Wegen Volksverhetzung, Beleidigung und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener hat der Offenburger Rechtsanwalt Reinhard Kirpes Anzeige gegen die Organisatoren des ursprünglich in Offenburg angemeldeten Nazi-Aufmarschs Strafanzeige gestellt.

 

Vor der Presse fand der Strafrechtler auch deutliche Worte zum Verhalten der Verwaltungsspitze und der City-Partner: Aus dem Rathaus hätte er eine klare politische Positionierung gegen Rechts erwartet, von den Einzelhändlern mehr als nur die Sorge über Umsatzverluste durch die Demos.

 

Auf einer der Redaktion bekannten, inzwischen aber gesperrten Internet-Seite, hatten die rechtsradikalen "Freien Kräfte Ortenau" noch bis Ende September für ihren Aufmarsch in Offenburg geworben, der inzwischen abgesagt und stattdessen in Emmendingen angemeldet wurde – ebenfalls für den 22. Oktober. Auf der Seite wurde zum einen beklagt, dass die Kundgebung "im Vorfeld von der Presse durch den Schmutz gezogen" worden sei.

Weiter hieß es, offenkundig mit Bezug auf einen BZ-Bericht vom 20. September: "Die kühnste Behauptung war in diesem Zusammenhang, wir würden absichtlich am 70. Jahrestag der Deportation der badischen Juden ins Lager Gurs aufmarschieren – um zu provozieren." Schließlich kündigen die Rechtsradikalen an, "damit nun einen guten Grund zu haben, in jedem Jahr an genau diesem Datum einen Aufmarsch zu organisieren."

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Allein durch diese Passage sieht Anwalt Kirpes den Straftatbestand der Volksverhetzung eindeutig erfüllt. Schon diese Formulierung genüge, um den öffentlichen Frieden zu stören. Zudem werde durch die Ankündigung des Aufmarsches die Würde der Opfer des Holocaust verletzt.

Der Tatbestand der Beleidigung sei erfüllt durch die Art und Weise, wie eine Missachtung beziehungsweise Nichtachtung des Schicksals der überlebenden Juden zum Ausdruck gebracht werde. Dass zudem in der Internet-Veröffentlichung die Gräueltaten der Nazis verherrlicht würden, verstoße nicht nur gegen die Menschenwürde der getöteten Juden, sondern auch gegen das Pietätsempfinden der Bevölkerung. Kirpes sieht somit auch den Straftatbestand der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener erfüllt.

Mit gestellt und unterstützt wird die gestern an die Staatsanwaltschaft versandte Strafanzeige durch Dorothea Siegler-Wiegand, die ihre Mutter durch die Nazis verloren hatte. Die heute 91-jährige Offenburgerin, die im vergangenen Jahr auch zu den rund 1000 Teilnehmern der "Demo gegen Rechts" gesprochen hatte, war Augenzeugin der furchtbaren Szenen am 22. Oktober 1940. Damals wurden im Saal des Schiller-Gymnasiums die Juden aus Offenburg für den Abtransport nach Gurs zusammengetrieben. Laut Kirpes bedeuten die Aufmärsche in Offenburg ausgerechnet am 22. Oktober "eine Re-Traumatisierung, die von den Veranstaltern nicht nur in Kauf genommen, sondern willentlich und wissentlich provoziert werde".

Der Spitze der Offenburger Stadtverwaltung, hätte es, so Kirpes sehr gut zu Gesicht gestanden, sich öffentlich nicht nur ordnungs- und polizeirechtlich zu positionieren, sondern auch den geplanten Aufmarsch in aller Eindeutigkeit umgehend politisch zu verurteilen: "Ein Wort der Solidarität an Frau Siegler-Wiegand, die seit Tagen nicht mehr schläft und die sich massiv mit den Gespenstern ihrer Lebensgeschichte konfrontiert sieht, wäre eine mehr als notwendige Geste gewesen." Gleiches gelte für die City-Partner: Anstatt sich in aller Deutlichkeit vom Aufmarsch der Rechten zu distanzieren, hätten sie lediglich große Sorge um Umsatzverluste durch Aufmarsch und Gegendemonstration zum Ausdruck gebracht.

Für den Offenburger Strafrechtler ist es keine Frage, dass die Täter namhaft gemacht werden können: Aus dem veröffentlichten Text ergebe sich zweifelsfrei, "dass es diejenigen Personen sind, die den Aufmarsch am 22. Oktober bei der Stadt angemeldet haben." Erster Anmelder war, wie berichtet, ein 29-Jähriger Offenburger. Der bekannte Wortführer der rechten Szene, der in Offenburg auch als Redner der "Kameradschaft Südsturm Baden" angekündigt war, hat Anfang Oktober mit seinem Auto einen Antifaschisten über den Haufen gefahren und schwer verletzt – ob aus Panik oder Vorsatz wird derzeit noch geprüft.