Der deutsche Datenreport 2011 räumt mit dem Klischee der faulen Griechen auf. Diese arbeiten in Europa pro Woche nämlich am meisten. Die Studie zeigt auch, wie es um den Wohlstand in Europa steht.
Im Mai dieses Jahres hatte Angela Merkel in südeuropäischen Ländern für rote Köpfe gesorgt. Damals bezeichnete sie die Arbeitnehmer in Griechenland, Portugal und Spanien in einer Rede zur Finanzkrise indirekt als faul. In ihrer Ansprache insinuierte die deutsche Bundeskanzlerin, Arbeiter in den angeschlagenen Euroländern hätten mehr Ferien und würden früher in Rente gehen. Der neuste Datenreport von Deutschlands Statistischem Bundesamt zeigt nun, zumindest was Griechenland betrifft, ein anderes Bild auf.
Wie aus dem Report hervorgeht, arbeiten die Griechen im EU-weiten Vergleich nämlich am meisten. Demnach liegt die tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeit der Männer in Griechenland bei 43,8 Stunden, gefolgt von Polen mit 43,1 Stunden. Am geringsten ist die Wochenarbeitszeit mit 37,5 Stunden in den Niederlanden. In der Schweiz lag die durchschnittliche Wochenarbeitszeit laut dem Bundesamt für Statistik 2010 bei 41,6 Stunden.
Laut dem «Handelsblatt» kann den Griechen auch bezüglich ihres Rentenalters nichts vorgeworfen werden. Mit dem mittleren Alter von 61,4 Jahren liegen sie nämlich genau im EU-Durchschnitt.
Starkes Wohlfahrtsgefälle
Der Datenreport 2011 deckt aber auch Unterschiede im europäischen Raum auf. Das Wohlfahrtsgefälle in der Europäischen Union etwa ist immer noch gross. Besonders gravierend ist die Situation in Bulgarien, das ebenso wie Rumänien erst seit 2007 Mitglied der EU ist. Bereits 2004 waren die baltischen Staaten, Polen, Ungarn, Tschechien, die Slowakei, Slowenien sowie Zypern und Malta der EU beigetreten.
In der Bewertung der Arbeitsplatzsicherheit spiegelt sich auch die wirtschaftliche Lage der EU-Staaten wider. Am geringsten ist die Zuversicht mit rund 60 Prozent in den baltischen Staaten, Griechenland, Bulgarien und der Slowakei. Im EU-Durchschnitt sind 82 Prozent zuversichtlich, in Deutschland sind es 88 Prozent.
Unter anderem wird in dem Bericht auch verglichen, wie gut die Menschen in den einzelnen Ländern mit ihrem Einkommen auskommen. Mit einem Anteil von 60 Prozent haben wesentlich mehr Menschen in den neuen Mitgliedstaaten Probleme, den Lebensstandard durch ihr eigenes Einkommen zu bestreiten. In Bulgarien geben sogar 84 Prozent der Befragten an, nicht mit ihrem Einkommen auszukommen. In den westlichen EU-Staaten sind es durchschnittlich 36 Prozent.
Wenig Wohnraum in Osteuropa
Als weiteres Beispiel wird in dem Bericht die Wohnungssituation genannt. Während in den westeuropäischen Ländern auf einen Bewohner knapp zwei Wohnräume kommen, ist es in Osteuropa nur einer. In den neuen Mitgliedstaaten hat fast jeder Siebte keine eigene Toilette in der Wohnung.
In Bulgarien ist die Zufriedenheit mit dem Lebensstandard mit 28 Prozent am geringsten. Am höchsten ist der Wert in Schweden mit 96 Prozent, gefolgt von Dänemark und den Niederlanden mit 95 Prozent.
Wohnkosten belasten Deutsche
Auch in Deutschland zeigt sich die Armut immer deutlicher anhand der Finanzprobleme von Mietern. 2008 waren knapp 16 Prozent der Deutschen armutsgefährdet. Jeder Dritte von ihnen sieht sich nach eigener Einschätzung durch die Wohnkosten «finanziell schwer belastet».
Bei dem Anteil der Bevölkerung, die nicht von Armut bedroht ist, empfand noch knapp jeder Fünfte (18 Prozent) dies ebenso. Wie aus der Erhebung weiter hervorgeht, sind 16 Prozent der armutsgefährdeten Frauen und Männer nicht in der Lage, «ihre Wohnung angemessen warm zu halten». Fast jeder Dritte aus dieser Bevölkerungsgruppe (30 Prozent) sieht sich ausserdem nicht imstande, wenigstens an jedem zweiten Tag eine warme Mahlzeit einzunehmen.
Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) verwies auf die sich seit Jahren verfestigende Armut. Das Risiko für die unterste Einkommensgruppe, dauerhaft arm zu bleiben, habe sich seit den 80er-Jahren von 57 auf 65 Prozent deutlich erhöht, sagte Roland Habich, Datenmanager vom WZB. Sein Fazit: «Weniger Menschen gelingt es, ihre Einkommenssituation zu verbessern.» Zudem reichten heute «kurzfristige Armutserfahrungen bis weit in mittlere Einkommenslagen hinein».