Vermummte greifen zwei Stadträte an

Erstveröffentlicht: 
10.10.2011

Der Schwarze Block kennt keine Gnade, wenn sich ihm Politiker in den Weg stellen. Das erfuhren die beiden Stadträte Jimy Hofer und Roland Jakob am Samstag an der Demo gegen den Kapitalismus am eigenen Leib: Sie wurden von Vermummten mit Pfefferspray verletzt.

 

Gegen hundert Vermummte verlassen am Samstagnachmittag die Reithalle und marschieren übers Bollwerk Richtung Bahnhof. Dort ist um 16 Uhr der Start zur Kundgebung gegen den Kapitalismus angesagt.

 

Bei der Bollwerk-Passerelle stellt sich der parteilose Berner Stadtrat Jimy Hofer den Vermummten in den Weg. «Das geht doch nicht, kehrt wieder zurück», fordert Hofer. Doch das lässt sich der Schwarze Block nicht gefallen. Vier Männer scheren blitzschnell aus und spritzen dem Politiker Pfeffer ins Gesicht. Hofer taumelt und geht zu Boden.

 

Mit Helmen und Brillen

 

Ein Polizist, der beim Passerellenlift den Angriff auf Hofer sieht, fordert sofort die Sanitätspolizei Bern an. Der Schwarze Block marschiert am Verletzten vorbei. Mit dem Rettungswagen wird Hofer in den Notfall des Inselspitals gefahren.

 

Zur gleichen Zeit formiert sich bei der Heiliggeistkirche der Schwarze Block zur unbewilligten Demo. Ein Teil der Vermummten trägt Helme, Schutzbrillen und Masken. Laute Petardenexplosionen erschrecken Passanten und ihre Hunde. Die Polizei hält sich unter den Lauben im Hintergrund.

 

Beim Abmarsch durch die Spitalgasse stellt sich FDP-Stadtrat Mario Imhof vor den Zug: «Das geht doch nicht», ruft auch er und gestikuliert mit den Händen. Jetzt nähert sich auch SVP-Stadtrat Roland Jakob von der Seite her dem Demozug. Ein Vermummter spritzt dem SVP-Fraktionschef Pfeffer ins Gesicht. Beim Pfeiferbrunnen spült sich Jakob die Augen aus. Ein Polizist kommt unter der Laube hervor und reicht dem Politiker ein Fläschchen mit Augenspülmittel. Die Vermummten ziehen auch an Jakob vorbei und skandieren gegen Kapitalismus – «ein System, das keine Rücksicht nimmt auf Natur, Tier und Mensch». Und wieder zucken einkaufende Passanten samt Hunden wegen der lauten Petardenexplosionen zusammen.

 

Polizei im Hintergrund

 

Weiter geht der Demozug über den Waisenhausplatz an Marktständen vorbei hinunter zum Kornhausplatz, wo Busse und Trams blockiert werden. «Es wäre zu heikel, den Zug zu stoppen, weil zu viele Passanten unterwegs sind», sagt der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) vor einigen Medien unter der Kornhauslaube. Bei der Kantonalbank am Bundesplatz steigt ein Vermummter auf eine Signaltafel und steckt die schwarz-rote anarchistisch-kommunistische Flagge in einen Halter an der Fassade. Gegen 18 Uhr ziehen sich die Vermummten in die Reithalle zurück.

 

«Die Kantonspolizei Bern hielt sich mit einem grösseren Aufgebot im Hintergrund», sagte Mediensprecher Michael Fichter nach der Demo. Vor und nach der Kundgebung wurden einige Personen kontrolliert. Drei Personen wurden angehalten und für eine nähere Kontrolle auf eine Wache gebracht. Sie wurden kurze Zeit später wieder entlassen.

 

Anzeigen erstattet

 

«Es war ein feiger, brutaler Angriff – die vier Vermummten haben mich aus 30 Zentimeter hohen Spraydosen niedergespritzt», sagte Jimy Hofer am Samstagabend nach seiner Entlassung aus dem Spital. Die Ärzte mussten seine Ohren und Augen spülen und desinfizieren. Auch gestern Sonntag klagte Hofer gegenüber dieser Zeitung immer noch über starkes Brennen in seinen Augen. «Es kann doch nicht sein, dass Stadtpräsident Alexander Tschäppät einen solchen Terrortrupp durch Bern ziehen lässt», sagte Hofer. Er werde Anzeige erstatten. Dies will auch SVP-Fraktionschef Roland Jakob tun.

 

«Ruhiggestellt»

 

Die Organisatoren der Demo, die Antika, stellten in einer Mitteilung die Angriffe auf die beiden Stadträte so dar: «Bei den zwei kleinen Zwischenfällen, bei denen reaktionäre Kleinbürger mit übertriebenem Geltungsdrang den Demozug aufzuhalten versuchten, verlief die Demo ohne Zwischenfälle. Die Störer wurden von Demoteilnehmenden ruhiggestellt.»

 

«Diese Angriffe verurteile ich», sagte SVP-Fraktionspräsident Jakob. Und dann fuhr er dem Gemeinderat an den Karren. «In Bern ist die Deeskalationspolitik des RGM-Gemeinderats gescheitert. Von Stadtpräsident Alexander Tschäppät fordern wir, dass er mit den RGM-Gemeinderäten Sicherheitsdirektor Reto Nause unterstützt und nicht durch Mehrheitsbeschluss im Gemeinderat an seiner Arbeit hindert.»

 

CVP: «Unreife Aktion»

 

Jakob forderte, dass unbewilligte Demonstrationen durch die Polizei aufgelöst werden. «Die Sicherheit und geltendes Recht müssen in Bern umgesetzt werden, sonst soll Alexander Tschäppät zurücktreten», so Jakob.

 

Die CVP ist mit der Deeskalationsstrategie von Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) vom Samstag zufrieden. «Die Demo und das Verhalten der beiden Stadträte waren jedoch eine unreife Aktion», sagte Michael Daphinoff, Präsident der CVP Stadt Bern. Dass sich die Demoorganisatoren um eine Bewilligung foutiert hätten, dürfe nicht toleriert werden.