NO NATO - Gegen Imperialismus und jede Form von Tyrannei!

+++

Vom 3. bis zum 5. Dezember 2011 werden sich die kriegsführenden Parteien im Afghanistankrieg am Bonner Petersberg treffen, um über zukünftige Strategien zu beraten. Verschiedene Organisationen und Bündnisse werden gegen dieses Gipfeltreffen mobilisieren und auch wir wollen einen Beitrag zum Protest leisten. Deswegen mobilsieren wir zur Gegendemonstration am 3. Dezember um 11 Uhr 30 auf dem Bonner Kaiserplatz.

 

Der Krieg in Afghanistan

 

Am 7. Oktober 2001 eröffneten die USA und die NATO unter deutscher Beteiligung den Krieg gegen Afghanistan. Der Krieg wurde als „Selbstverteidigungsakt der USA“ legitimiert. Die Bush-Regierung sprach sich in Folge der Anschläge vom 11. September das Recht zu, Afghanistan militärisch einzunehmen, um Osama bin Laden zu fassen und Ausbildungslager des islamistischen Netzwerks Al-Qaida, das für die Anschläge verantwortlich war, zu schließen. In einem internen „Kriegstagebuch“ des US-Militärs wird die Zahl der Kriegstoten bis 2009 auf 24.155 Menschen geschätzt.

Während Bundesregierung und bürgerliche Presse in Deutschland Jahre lang das Bild des Schulen- und Brunnenbauenden deutschen Soldaten propagandistisch verbreiteten, führt die NATO einen hemmungslosen Krieg mit Taliban und Neo-Taliban auf dem Rücken der afghanischen Zivilbevölkerung. Im September 2009 kamen in Kunduz 142 Zivilist_innen bei einem US-amerikanischen Luftangriff ums Leben, der von der Bundeswehr angefordert worden war. Spätestens seit diesem Massaker erscheint jede Rechtfertigung dieses Krieges mit Motiven wie „Demokratie“, „Frauenemanzipation“, etc. als inhaltsleere Farce.

Die kriegsführenden Staaten sind rücksichtslos gegenüber den Interessen und Menschenrechten der afghanischen Bevölkerung. Ihnen geht es einzig und allein um die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Weltordnung in Zeiten des Zerfalls, ihre Hegemoniestellung in Zentralasien, sowie ihre wirtschaftlichen Interessen. Afghanistan ist ein failed state mit einer korrupten Demokratie, größerer Armut als zu Zeiten der Taliban, einem florierenden Drogenhandel und islamistischen Lokalmachthaber_innen, die jedes Bestreben nach Emanzipation im Keim ersticken. Der Gipfel in Bonn wird den westlichen Staaten einen weiteren Anlass bieten, ihre Kriegspropaganda zu verbreiten und in gewohnt demokratisch-relativistischer Manier die Vorgänge in Afghanistan in ein anderes Licht zu rücken.

 

Failed state? Failed system! -

Von Machtkämpfen und Krisenimperialismus...

 

Der Imperialismus des 21. Jahrhunderts ist in erster Linie ein Krisenimperialismus, der mit aller Gewalt um die Rettung einer Ordnung bemüht ist, die sich selbst aus den Angeln hebt. Weiterhin geht es um die globale Verteilung von wichtigen Ressourcen und die Vormachtstellung in Schlüsselregionen wie zum Beispiel Zentralasien.

Die globale Krise des Kapitalismus führt keinesfalls notwendigerweise zu sozialem Widerstand und Emanzipation. Kapitalistische Kategorien wie Eigentum und Konkurrenz bestehen fort und verlängern sich in die Ebene der Illegalität. Bandenkriege, Drogenhandel und korrupte Staatsgebilde sind die Folge. Das Interesse der kapitalistischen Metropolen ist es, die bestehende Ordnung um jeden Preis aufrechtzuerhalten. Während die ökonomische Stabilisierung der betroffenen Regionen nicht möglich, oder nicht gewollt ist, fahren die imperialistischen Staaten ihren repressiven Arm nach außen hin aus. Die Unterstützung autoritärer Diktaturen im nahen Osten und Zentralasien im Sinne der „Stabilität“ (siehe Gaddafi in Libyen, Ben Ali in Tunesien, Mubarak in Ägypten, Muscharraf in Pakistan, u.v.m.) ist die eine Seite der Medaille, die andere Seite sind Krieg und Besatzung, wie zum Beispiel in Afghanistan, oder jüngst in Libyen.

Die Krisenhaftigkeit des kapitalistischen Systems manifestiert sich global und zeigt sich am stärksten dort, wo ganze Staaten ökonomisch und politisch scheitern und Menschen sich in Scharen reaktionären Krisenideologien, wie zum Beispiel dem Islamismus anschließen. Afghanistan ist ein gutes Beispiel hierfür. Bis 2001 war das Land bereits seit über 20 Jahren im Kriegszustand gewesen. Der Einmarsch sowjetischer Truppen rief die Taliban auf den Plan, die mit massiver US-amerikanischer Unterstützung von Pakistan aus das Land eroberten. Fünf Jahre lang herrschten die Taliban mit Mord- und Totschlag in Afghanistan, das Land zerfiel ökonomisch, fragmentierte sich entlang lokaler Stammes- und Machtstrukturen. Der 11. September bot der NATO einen idealen Rechtfertigungsgrund, das Land militärisch zu erobern und die kapitalistisch-nationalstaatliche Ordnung dort mit aller Gewalt durchzusetzen und zu verteidigen. Weniger die eigenen „Sicherheitsinteressen“ motivierten westliche Staaten zu diesem Krieg, viel mehr ging es darum die kapitalistische „Stabilität“ in Zentralasien um den Preis zehntausender Menschenleben zu sichern.

 

Natürlich lassen sich die ordnungspolitischen Motive nie von Hegemonieansprüchen und wirtschaftlichen Motiven trennen. Als 2003 die USA und einige andere Staaten (darunter auch das neu eroberte Afghanistan) den Irak angriffen, war klar, dass es sich um einen Krieg handelte, der in erster Linie Ölressourcen für westliche Unternehmen zugänglich machen sollte. Immerhin hat der Irak weltweit die drittgrößten Ölreserven. Auf der anderen Seite sicherten sich die USA die Vormachtstellung im Nahen Osten und Zentralasien, das im Zugriffsbereich diverser imperialistischer Mächte liegt (Russland, China, Indien, Iran).

In Libyen ging es ebenfalls nicht um die Entmachtung des Diktators und Massenmörders Gaddafi, mit dem man jahrzehntelang militärisch, wirtschaftlich und in der Flüchtlingsabwehr kooperiert hatte. Es ging darum, schnell Stabilität in das Land zu bringen, das über Afrikas größte Ölressourcen verfügt. Und auch hier hat sich gezeigt: auch wenn man Gaddafi, ebenso wie Saddam Hussein, keine einzige Träne hinterherweinen darf, imperialistischer Krieg führt niemals zur Emanzipation von autoritären Regimen, sondern zu tausenden Toten, Chaos, Korruptionen und Cliquenherrschaft. Sozialer Widerstand in Europa sollte daher nicht nur darum bemüht sein, die Krisenverwaltung im jeweils eigenen Land zu attackieren, sondern mit Vehemenz den eigenen imperialistischen Militärapparat bekämpfen.

 

Die Geister, die sie riefen

 

Im öffentlichen Diskurs wird ein „Clash of Civilizations“ (Huntington) heraufbeschworen, in dem der freiheitliche Westen gegen den rückschrittlich-tyrannischen islamischen „Kulturkreis“ kämpfe. Dieses kulturrassistische Weltbild, das von sich statisch gegenüber stehenden „Kulturkreisen“ ausgeht, dient der Legitimierung des Krieges fernab der europäischen und US-amerikanischen Außengrenzen und der Hetze gegen (muslimische) Migrant_innen nach innen.

Der „kulturfremde“ Feind, Islamist_innen, sowie autoritäre arabisch-nationalistische Diktaturen, könne durch Krieg bezwungen werden und die „westliche“ Demokratie als „Ende der Geschichte“ (Fukuyama) global verbreitet werden. Jedoch sind sowohl der arabische Nationalismus, als auch der Islamismus keinesfalls abgespacete Sprösslinge einer „rückschrittlichen“ islamischen Kultur. Sie bewegen sich ideologisch vollkommen im Rahmen westlich-aufklärerischen Denkens. Die Herausbildung einheitlicher Nationalstaaten war immerhin eine europäische Idee, die unabdingbar mit der Entwicklung des Kapitalismus verknüpft war. Und so taten die arabisch-nationalistischen Staaten unter der Führung der Ba'th-Partei nie etwas anderes als ihr nationales und ökonomisches Interesse gegenüber den Machtblöcken im Kalten Krieg zu verteidigen.

Während der Islamismus in der westlichen Öffentlichkeit als „extreme“ Verlängerung „des Islam“ erscheint, ist er in Wahrheit doch nichts anderes als eine banale kapitalistische Krisenideologie. Antisemitismus, Sexismus und die Sehnsucht nach repressiver Kollektivität sind Denkformen im Geiste der positivistischen Aufklärung, die lieber einen greifbaren Sündenbock für die Verhältnisse verantwortlich macht, anstatt eine Transformation der Gesellschaftsordnung von Grund auf anzustreben. Es ist ja nicht so, als wären einem die ideologischen Fragmente des Islamismus im Westen gänzlich unbekannt...

Wenn westliche Staaten auf dem Rücken von Zivilist_innen gegen arabisch-nationalistische Diktaturen und islamistische Organisationen und Regimes Krieg führen, kämpfen sie nicht nur gegen ihre eigene Billigkopie, sondern vor allem auch gegen die Geister, die sie riefen. Und so ist es eben kein Zufall, dass die Taliban ohne US-Bewaffnung Afghanistan nie erobert hätten, Saddam Hussein mit US-amerikanischen Waffen gegen Iran ins Feld zog und mit deutschen Giftgas Kurd_innen massakrierte und Gaddafi jahrelang durch Europa und die USA gedeckt wurde. Während etablierte Dummschwätzer_innen einen „Clash of Civilizations“ propagieren und dabei an der Heimatfront gegen Muslime im eigenen Land hetzen, kommt es uns eher so vor, als sei der Krieg zwischen westlichen Imperialist_innen und reaktionären Kräften des Nahen Ostens ein „Clash of Fundamentalisms“ (Tariq Ali).

 

Fight capitalist war – fight capitalist peace!

 

Wir empfinden den imperialistischen Krieg und die Ermordung tausender Zivilist_innen für ordnungspolitische Zwecke, Hegemonieansprüche und Profitinteressen als pervers und widerwärtig. Und dennoch wollen wir uns nicht hinter einem pazifistischem Gutmenschentum verschanzen, das die systemischen Ursachen für Imperialismus und Krieg verkennt und glaubt, man könne durch mehr friedensorientierte Politik gewaltlose Verhältnisse schaffen. Jede Form von Pazifismus innerhalb der kapitalistischen Gewaltverhältnisse zementiert diese um so mehr. Krieg beginnt nicht erst mit dem Ausrücken von Flugzeugträgern und Panzern, er beginnt schon in einer Gesellschaftsordnung, in der alle gegen alle in Konkurrenz zu einander stehen und in der die gewaltsame Verteidigung der Eigentumsverhältnisse auf der Tagesordnung steht. Über diese Zustände kommen wir nicht hinaus, indem wir vor der allgegenwärtigen Konkurrenz, Herrschaft und Gewalttätigkeit die Augen verschließen. Wir sind kritisch-solidarisch mit antiimperialistischen Bewegungen, wie zum Beispiel der kurdischen, die auf allen Ebenen nationalstaatlich-imperialistischem Terror begegnet. Genauso mit dem Aufständen im nahen Osten und Arabien gegen die autoritäre Tyrannei - und zwar sowohl mit militanten als auch mit solchen, die ohne Militanz auf die Straße gehen. Brennende Barrikaden sind uns genau so lieb, wie kämpferische Massendemonstrationen, entscheidend ist der Versuch von Selbstermächtigung gegenüber den bis an die Zähne aufgerüsteten kapitalistischen Nationalstaaten jeder Couleur! Wir wissen, dass wir – im globalen Maßstab betrachtet - als im Westen lebende Menschen (noch) die Nutznießer_innen von dieser ganzen Veranstaltung sind. Umso wichtiger ist der Widerstand gegen den Imperialismus hier in seinem Zentrum. Denn der Hauptfeind steht, wie Karl Liebknecht sagte, im eigenen Land. Lasst uns in Bonn inhaltlich und ganz praktisch zeigen, dass Krieg und Imperialismus auch hier auf entschiedenen Widerstand stoßen.

 

Sozialer Widerstand bedeutet nicht nur den Kampf für die eigenen Interessen, sozialer Widerstand bedeutet am 3. Dezember auch Deutschland und der NATO in den Rücken zu fallen!

 

www.radikale-linke.org