Fü: Innenstadtvertreibung um jeden Preis

reclaim the streets

In den letzten Jahren ist die Innenstadt von Fürth enorm saniert worden. Von dieser Aufwertung sind vor allem sozial schwächer gestellte Familien - insbesondere migrantische - betroffen. Sie können sich die Mieten nicht mehr leisten und müssen in Randgebiete der Stadt umziehen. Der Artikel soll einen Überblick über die aktuelle Situation geben und Auswirkungen - vor allem für Jugendliche - beschreiben, die mit einer solchen Innenstadtaufwertung einhergehen.

 

Innenstadtaufwertung in Fürth
Wenn man heute durch Fürth spaziert, fällt einem in der Innenstadt Eines immer häufiger auf: alte Häuser sind von Gerüsten eingehüllt und werden saniert, Straßen werden aufgerissen und erneuert. An sich eine lobenswerte Entwicklung, wer will schon in schimmelnden Häusern wohnen?! Doch wenn man sich näher mit der Sanierungswelle beschäftig, sieht man, dass die einst bodenständigen Wohnungen zu teuren Eigentumswohnungen werden. Schreitet dieser Prozess weiter fort, wird es in näherer Zukunft einen Mangel an bezahlbaren Mietswohnungen geben. Die Stadt lässt dabei Investoren und Immobilienfirmen freie Hand. Im Endeffekt profitiert sie allerdings von den zahlungskräftigen Anwohnern in der Innenstadt. Menschen, die vor der Sanierung in diesen Wohnungen wohnten, können sich später die Mieten nicht mehr leisten und müssen ausziehen, wenn sie nicht gleich von Anfang an zum Auszug gedrängt wurden. Das geschieht meistens mit sozial schwachen oder migrantisch geprägten Vierteln.

Flächensanierung am Gänsberg
Schon einmal ist es in Fürth zu einer skrupellosen Flächensanierung gekommen.
m Gänsberg, dem Gebiet um die Stadthalle und den Löwenplatz, wohnte bis zu den 1960er Jahren die sozial schwächere Bevölkerung Fürths. Ein Problem, dessen man sich vorsätzlich mit der Flächensanierung auf einfachstem Wege entledigen wollte. 1958 wurde über den Gänsberg eine Bausperre verhängt der 1962 die ersten Abrissaktivitäten folgten. Doch bis zur endgültigen Neubebauung, die erst mit der Einweihung der Stadthalle im Jahr 1982 als beendet betrachtet werden kann, dauerte es noch so lange, dass das Areal zwischenzeitlich besser unter dem Namen Scherzer-Wüste bekannt war – benannt nach dem damaligen Oberbürgermeister Kurt Scherzer. Da bei der Flächensanierung die Bevölkerung auf die Hardhöhe umgesiedelt werden musste, zerbrach das soziale Gefüge der zentralen Innenstadt in weiten Teilen. Dies hatte für den näheren Umkreis des Gänsberg enorme Folgen. So änderte sich zum Beispiel die Struktur der Gastronomie in den folgenden Jahren drastisch und viele Geschäfte um den Gänsberg verschwanden aus dem Stadtbild. Nun ist wiederum auf der Hardhöhe zu beobachten, dass ehemals bezahlbare Mietswohnungen zu teuren Eigentum umgemünzt werden! Diese Vertreibung passiert nicht aus Jux und Tollerei – aufgrund von wirtschaftlichen Interessen werden Viertel aufgewertet und Menschen der Wohnraum unter den Füßen weggerissen.

Wo ist der öffentliche Raum geblieben?
Laut Definition ist der sogenannte „öffentliche Raum“ ein Ort, der kommunal verwaltet und für jeden frei zugänglich ist. Also ist er Allgemeingut und gehört folglich uns allen. Doch wie sieht die Realität aus? Unser aller „Eigentum“, der öffentliche Raum wird immer mehr privatisiert. Fast täglich kann man von den Plänen für eine „Neue Mitte“ oder die Diskussion über die Erneuerung des City-Center-Areals lesen und hören. Geplant sind großzügige Einkaufspassagen, ganze Straßen, also öffentlicher Raum, könnten von ihnen verschluckt werden. Das Beispiel „Neue Mitte“ zeigt jedoch, dass Protest gegen solche Bauvorhaben legitim und erfolgreich ist.
Ein weiteres gutes Beispiel für die Privatisierung öffentlichen Raums ist der Sommernachtsball im Fürther Stadtpark. Der Park ist über das ganze Jahr hinweg ein beliebter Treffpunkt für SpaziergängerInnen, Familien und Jugend-Cliquen. Doch für ein Wochenende wird dieser öffentliche Raum privatisiert, mit Gitter umzäunt und von Wachpersonal gesichert. Eintritt bekommen nur die Menschen, die einer vorgegebenen Kleiderordnung folgen und mindestens 49€ bezahlen. Hier wird einem schnell bewusst, dass Personen, die diese Möglichkeiten nicht haben bzw. nicht einsehen sich unterzuordnen, hier nicht willkommen sind. Wie am Sommernachtsball deutlich zu sehen ist: für städtische Großveranstaltungen und Festivals von professionellen privaten Veranstaltern wird alles in die Wege geleitet, um diese zu ermöglichen. Diese Prestigeevents bieten jedoch nicht die Möglichkeit, sich an der Gestaltung zu beteiligen. Gleichzeitig ist es für finanzschwache Organisatoren, wie zum Beispiel Jugendliche, nur sehr schwer möglich eine selbstverwaltete Veranstaltung zu organisieren. Öffentliche Stellen, wie das Ordnungsamt überziehen die AnmelderInnen regelmäßig mit harten Auflagen für deren Vorhaben. Ohne großes Budget ist es folglich kaum möglich, sich ins öffentliche Leben in Fürth einzubringen.

Polizeischikanen usw...
Ein weiteres Problem an öffentlichen Plätzen und Anlagen sind die lästigen Schikanen der Polizei, die besonders Jugendliche, nur zu gerne aus dem Stadtbild verdrängen will. Oft werden Platzverweise an junge Menschen verteilt, die sich am Wochenende mit Freunden auf ein Bier im Park treffen. Es liegt nicht im Interesse von Stadt und Polizei, dass Menschen unkontrolliert und fernab von teuren Kneipen und Bars ihre Freizeit gestalten. Als Vorwand für diese Schikanen wird oftmals der Vorwurf der Verschmutzung der Anlagen geäußert. Wenn jedoch tausende deutsche Partypeople bei Puplic-Viewing Partys Poldi & Co. zujubeln und ihren Deutschland-Partypatriotismus zelebrieren, stört es anscheinend niemanden so recht, wenn danach komplette Plätze vermüllt sind.
Das hat einen einfachen Grund: Profit.
Auf städtischen und privaten Großveranstaltungen und in Kneipen ist man gezwungen die meist teuren Getränke zu kaufen. Mit unkommerziellen Feiern im Park lässt sich nun mal kein Geld machen – also wird alles getan um diese zu verhindern. Teilweise rückten mehrere Einheiten der Polizei aus, um selbstorganisierte Partys unter der Sieben-Bogen Brücke oder im Pegnitzgrund aufzulösen. Gleichzeitig bieten die städtischen Jugendzentren kaum die Möglichkeit dort selbstverwaltet zu feiern. So sind viele städtische und private Räume schlichtweg zu teuer oder bieten nicht die Möglichkeit sich zu entfalten. In einigen Härtefällen lassen die Besitzer von Räumlichkeiten keine Jugendfeiern zu – Veranstaltungen von Erwachsenen werden bevorzugt.

Es tut sich was...
Aber dieses triste öde angepasste Leben im kapitalistischen Mainstream-Kulturangebot muss nicht sein. Es gibt Alternativen um Räume zu schaffen, in denen alle gemeinsam und solidarisch Leben können. Auch in Fürth gibt es seit einigen Monaten solch einen Ort. Einige junge Menschen, die sich seit Jahren in Fürth politisch engagieren, haben in der Nürnberger Str. 82, den „Infoladen Benario“ eröffnet. Dort ist ein Raum entstanden in dem fernab von Konsumzwang diskutiert, gegessen oder einfach nur gechillt werden kann.

 

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